Bundesregierung hält Akten zur Diktatur in Argentinien unter Verschluss

Dokumente in Archiven von BND, Kanzleramt und Außenamt. Hunderte Akten über Rüstungsgeschäfte. Kritik von Opposition und Journalisten

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Wenige Wochen nach einer Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Argentinien setzt sich die Debatte über den Umgang der Bundesregierung mit der westdeutschen Politik während der Militärdiktatur in dem südamerikanischen Land (1976-1983) fort.

Im Kern geht es dabei um die Mitschuld der damaligen westdeutschen Regierung an den Verbrechen der Militärjunta. Nun wurde bekannt: Die Bundesregierung hält nach wie vor zahlreiche Akten über die damalige Zeit unter Verschluss. Die Geheimhaltung betrifft vor allem den Bundesnachrichtendienst, der mutmaßlich über intensive Kontakte zu den Militärmachthabern verfügte.

Während seines Aufenthalts in Buenos Aires hatte Steinmeier unter anderem den sogenannten Park der Erinnerung besucht, der in Gedenken an die schätzungsweise 30.000 Opfer der Diktatur errichtet worden war. Dort mahnte der SPD-Politiker nach einem Treffen mit Hinterbliebenen von Diktatur-Opfern, die "Grausamkeiten der Vergangenheit" nicht zu vergessen. Dazu wolle auch das Auswärtige Amt in Deutschland mit der Aufklärung über die eigene Rolle und die der westdeutschen Botschaft beitragen. Die Forderung der Linken-Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel nach einer Öffnung aller Archive wies er als unbegründet zurück: "Die Dokumente sind in den Archiven des Auswärtigen Amts seit vielen Jahren zugänglich. Wir verschließen uns diesen Fragen nicht."

Auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag erklärte die Bundesregierung nun allerdings: "Alle Akten sind offen und zugänglich bis auf drei Vorgänge, die als Verschlusssachen eingestuft sind, um grundlegende Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu schützen." Weitere Geheimakten zur argentinischen Militärdiktatur liegen demnach in den Archiven des Bundeskanzleramtes und des BND. Beim Auslandsgeheimdienst seien es alleine 40 Aktenbände. Konkret heißt es in der Antwort:


• Im Bundeskanzleramt liege eine "einstellige Anzahl von Akten zum Thema der Anfrage", "einzelne Dokumente in verschiedenen anderen Akten" sowie "anfragebedingt anfallendes Schriftgut". Einzelne Aktenbestände seien als Verschlusssachen eingestuft;
• Beim Bundesnachrichtendienst fänden sich "Bestände mit andauernden Sperrfristen", darunter "circa 40 Aktenbände". Diese "enthalten Verschlusssachen verschiedener Geheimhaltungsstufen bis einschließlich VS-Geheim";
• Zum Auswärtigen Amt heißt es, dort seien "alle Akten (...) offen und zugänglich bis auf drei Vorgänge, die als Verschlusssachen eingestuft sind, um grundlegende Interessen der Bundesrepublik Deutschland zu schützen".

Erhebliche Aktenbestände gibt es auch zu Rüstungsgeschäften der ehemaligen Bundesrepublik mit der Militärdiktatur in Argentinien. Die Bundesregierung nennt einmal 797 Vorgänge zum Thema Waffenexporte und einmal "diverse Akten" in einem anderen Bestand. Unklar ist, inwieweit diese Dokumente, die im Bundesarchiv lagern, tatsächlich einsehbar sind. Sie seien recherchierbar, "sofern sie bereits älter als 30 Jahre" und "nicht Verschlusssachen" sind, sowie "nicht anderen benutzungshemmenden Bestimmungen unterliegen".

Indirekt bestätigt die Bundesregierung Kontakte zwischen dem BND und der argentinischen Junta, die bis zu 30.000 Menschen ermorden ließ. Zwei Fragen nach entsprechenden Kontakten wurden nicht öffentlich beantwortet, die Informationen wurden in der Geheimschutzstelle des Bundestags hinterlegt.

"Unsere Anfrage an die Bundesregierung bestätigt, was Forscher und Menschenrechtsaktivisten schon lange vermuten: Trotz anderslautender Behauptungen der Bundesregierung werden zahlreiche Akten zur westdeutschen Politik während der Militärdiktatur in Argentinien zurückgehalten", sagte die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, von der die Anfrage eingebracht wurde.

Die Journalistin Gaby Weber sieht in den Antworten der Bundesregierung einen Beweis "für ihre komplette Intransparenz und ihren Unwillen, die enge Verstrickung der Bonner Republik mit den Diktaturen in Lateinamerika aufzudecken". Die Bundesregierung verstecke die entsprechenden Akten vor Parlamentariern, Historikern und Journalisten, obwohl die Gesetze das Gegenteil vorschrieben.