Fessenheim: Aufatmen in Deutschland, Durchatmen in Frankreich

Die Abschaltung des Atomkraftwerks rückt auf die Tagesordnung, doch das wird teuer für französische Steuerzahler

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In den Verhandlungen zwischen dem Atomkraftwerksbetreiber Électricité de France (EDF) und der französischen Regierung ist offenbar der Durchbruch zur baldigen Abschaltung des umstrittenen Atomkraftwerks gelungen. So habe man sich in der Frage der geforderten Entschädigung nun auf die Grundzüge einer Einigung verständigt, hat der EDF-Chef Jean-Bernard Lévy erklärt. Es soll demnach zwei verschiedene Zahlungen an den Konzern geben, an dem der Staat mit 85% beteiligt ist.

Eine fixe Summe soll die Kosten decken, die mit der Stilllegung verbunden sind. Dazu soll es eine flexible Zahlung für "ausgefallene Gewinne bis 2041" geben. Darüber hatte es heftigen Streit gegeben, weshalb die EDF die Stilllegung bisher nicht beantragt hat. Sie macht Druck auf die Regierung Hollande, der mit der Abschaltung der beiden Meiler wenigstens ein Wahlversprechen vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr umsetzen will.

Man darf nun davon ausgehen, dass es tatsächlich zu einer Abschaltung kommen kann, weshalb die Menschen am Oberrhein angesichts der massiven Sicherheitsmängel von Straßburg über Freiburg bis Basel aufatmen können. Doch für die französischen Steuerzahler dürfte der Deal sehr teuer werden. So hatte EDF einst eine Entschädigung von zwei bis drei Milliarden Euro gefordert, während die Regierung eigentlich nur 100 Millionen angeboten hatte.

Bisher wurden noch keine Summen genannt, doch man kann vermuten, dass sie eher im Bereich der Forderung des hoch verschuldeten EDF liegen werden, die sich mit Unterstützung der Regierung zudem in das extrem teure und umstrittene Abenteuer im britischen Hinkley Point stürzen will. Die Regierung hätte viele Trümpfe gegen Fessenheim in der Hand gehabt, um die Entschädigung sehr gering zu halten. Da ist nicht zuletzt die Tatsache, dass sogar die Atomaufsicht kürzlich den Reaktor 2 abschalten ließ. Denn auch der Reaktor ist von den gefälschten Sicherheitszertifikaten für Bauteile betroffen, eigentlich soll das auch Reaktor 1 und etliche Meiler im ganzen Land sein.

Dazu kommt, dass es um die Sicherheit der Reaktoren in Fessenheim insgesamt schlecht steht. Auch diese Meiler müssten sehr teuer nachgerüstet werden, weil einer von ihnen sogar durch einen kleinen Wasserschaden schon außer Kontrolle geriet, da Wasser in Schaltschränke eindringen konnte. Danach hatte die Regierung erneut versprochen, das Atomkraftwerk noch in diesem Jahr abzuschalten. Das kann nun eigentlich nur noch darüber geschehen, dass die Atomaufsicht auch Reaktor 1 abschalten lässt, da die EDF die Abschaltung noch nicht beantragt hat.

Dass die EDF auf Gewinnausfälle sogar bis 2041 pocht, ist mehr als frech. Es wäre ein Schlag ins Gesicht für die Steuerzahler, würde man sich darauf einlassen. Mit dem Bau des ältesten französischen Atomkraftwerks wurde 1970 begonnen und der kommerzielle Betrieb wurde 1978 aufgenommen. Eigentlich sollte die Laufzeit 40 Jahre betragen, womit spätestens 2018 eigentlich Schluss sein müsste. Die Atomaufsicht hatte allerdings 2011 die Laufzeit um 10 Jahre für Reaktor 1 und 2013 für Reaktor 2 verlängert. Doch die EDF geht auch darüber noch weit hinaus. Überdies sollen die Steuerzahler mit der fixen Summe auch für die Kosten der Stilllegung herangezogen werden, also für die Umschulung des Personals oder den Rückbau. Ausreichende Rücklagen wurden dafür offenbar in fast 40 Betriebsjahren nicht gebildet.

Man darf sich ohnehin fragen, von welchen Gewinnen die EDF spricht, die sich mit dem Atomstrom immer heftiger verschuldet hat. Weil sie den Strom sogar seit Jahren unter dem Gestellungspreis verkauft, wurde sie gerade verurteilt, weil Konkurrenten geklagt hatten. Man könnte also sogar fragen, ob eine Abschaltung in Fessenheim der EDF sogar weitere Verluste vermeiden würde. Doch solche Fragen werden wohl in der Regierung von Hollande nicht gestellt. Er will vor den Wahlen etwas vorweisen können und gleichzeitig mit Steuermitteln die EDF und den staatlichen Pleite-Kraftwerksbauer Areva retten, den die EDF ja nun teilweise übernehmen muss.

Gerade hat die EDF auch noch den Abschreibungszeitraum für 32 von 58 Meilern (die beiden in Fessenheim wurden ausgeklammert) auf 50 Jahre verlängert. Damit verteilen sich die Rückstellungen für den Rückbau nun auf weitere zehn Jahre. Darüber wurde ein höherer "Gewinn" produziert. ( Die EDF spricht von stabilen Ergebnissen, dabei gingen der Umsatz um 5,7% und der offizielle Gewinn im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr sogar um 17,2% zurück. Ohne die 300 Millionen Euro, die eigentlich für den Rückbau hätten zusätzlich zurückgestellt werden müssen, wäre der Einbruch noch deutlicher geworden. Für das gesamte Jahr würde über den Rechentrick der Gewinn sogar um 800 Millionen "aufgeblasen", da er auf alle Meiler angewendet werden soll.