Deutschlands Abkehr vom Klimaschutz

Die Energie- und Klimawochenschau: Überschwemmungen in Asien, Baden-Württembergs gar nicht grüner Pensionsfonds und ein künstliches Blatt

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Ein außergewöhnlich starker Monsun hat in den letzten Monaten Hunderte von Menschenleben in China, Indien, Nepal und Pakistan gekostet und Millionen von Menschen in die Flucht geschlagen. Meteorologen sehen einen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Wetterphänomen El-Nino, das zu hohen Wassertemperaturen im Pazifik geführt hat.

In China trafen Hochwasser und Überschwemmungen die Menschen zum Teil unvorbereitet. Gerade die nördlichen Provinzen haben seit 20 Jahren nicht mehr so schwere Regenfälle und Überflutungen erlebt. Aus dem Ministerium für zivile Angelegenheiten wurde Kritik an den Behörden in der Provinz Hebei laut, die die Unwetter unterschätzt und nicht angemessen reagiert hätten.

In Deutschland war der Juli nach Auswertung des Deutschen Wetterdienstes zu warm und etwas zu trocken, auch wenn sich das lokal anders angefühlt haben mag. Orte mit enormen Regenmengen und trockene Landstriche lagen oft dicht nebeneinander. "Mit 18,6 Grad Celsius lag die Durchschnittstemperatur im Juli um 1,7 Grad über dem Mittel der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Verglichen mit der wärmeren Periode 1981 bis 2010 betrug die Abweichung nur +0,6 Grad."

Mit durchschnittlich 68 Liter pro Quadratmeter lag die Niederschlagsmenge 10 Liter unter dem langjährigen Mittel für den Monat Juli. An manchen Orten, vor allem im Süden Deutschlands, fiel die Bilanz deutlich anders aus. Über 300 Liter pro Quadratmeter gingen im Juli im Berchtesgardener Land nieder. Aber auch der Norden blieb nicht verschont: Im brandenburgischen Meyenburg fielen an einem einzigen Tag 98 Liter pro Quadratmeter.

Am vergangenen Mittwoch standen Teile Berlins unter Wasser, nachdem örtlich innerhalb von zwei Stunden 30 bis 40 Liter Regen gefallen waren. Derartige Starkregen stellen Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen. Darauf machte der Verband Kommunaler Unternehmen aufmerksam. Wie die Berliner Zeitung berichtet sind die Kommunen verpflichtet, Niederschläge über die Kanalisation abzuleiten. In Berlin war die Kanalisation am Mittwoch beispielsweise nicht mehr in der Lage, die Wassermengen so schnell aufzunehmen. Die Hauptgeschäftsführerin des VKU Katharina Reiche hält es aber nicht für wirtschaftlich sinnvoll, die Kanalisation für solche Extremereignisse auszubauen. Stattdessen sollten mehr natürliche Überflutungsflächen geschaffen werden, über die das Wasser versickern könne.

Kanzleramt streicht Klimaschutzplan weiter zusammen

Wie bereits berichtet, ist der Klimaschutzplan der Bundesregierung kaum noch als solcher zu bezeichnen, nachdem er das Bundeswirtschaftsministerium durchlaufen hat (Klimaschutzplan weichgespült). Damit nicht genug plant nun das Bundeskanzleramt weitere Streichungen. Das berichtet der NABU, dem die Bewertung des Klimaschutzplans 2050 durch das Bundeskanzleramt vorliegt.

Das Ziel, die Emissionen in Land- und Forstwirtschaft um 50 Prozent zu senken, sei demnach nicht zu erreichen, da konkrete Maßnahmen wie eine Obergrenze für Stickstoffüberschüsse, eine Einschränkung des Fleischkonsums und Schutz von Mooren und Dauergrünland keinen Eingang in den Klimaschutzplan finden würden. Im Verkehrsbereich sei keine Abkehr von Verbrennungsmotoren zu erkennen, der Ausstieg aus der Kohleförderung und -verstromung stünde auf der Kippe und bei Neubauten gäbe es keine neuen energetischen Ziele. Auch an die Industrie würde nicht der Anspruch einer CO2-freien Energieerzeugung gestellt.

"Wenn wir uns diese Liste möglicher Streichungen anschauen, muss man sich schon fragen, ob das Bundeskanzleramt die Beschlüsse von Paris überhaupt verstanden hat. Es ist erschreckend, dass nicht einmal die Begriffe Dekarbonisierung und Treibhausgasneutralität im Klimaschutzplan genannt werden sollen - beide Ziele sind international Standard und klar in Paris vereinbart worden", erklärt NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Auch bei der Energieeffizienz zeigt die Bundesregierung zu wenig Engagement. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben deswegen Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Die Verbände glauben nicht, dass Deutschland mit den derzeitigen Effizienzmaßnahmen sein Ziel erreicht, den Energieverbrauch jährlich um 1,5 Prozent zu senken. Mit der Beschwerde wollen sie die EU dazu bringen, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zu eröffnen.

"Die Europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EED) trat 2014 in Kraft. Artikel 7 der EED schreibt vor, den Energieverbrauch jährlich um 1,5 Prozent zu senken. Viele Mitgliedstaaten führten daraufhin verpflichtende Energieeffizienzsysteme für Energieversorgungsunternehmen ein." Deutschland dagegen habe aufgrund des Lobbydrucks die Energieversorger aus der Verantwortung genommen und stattdessen den Weg "alternativer Maßnahmen" gewählt", schreiben DUH und BUND in einer Pressemitteilung. Bei manchen Maßnahmen sei kaum ein Bezug zur Energieeinsparung zu erkennen, etwa bei der LKW-Maut, der Luftverkehrssteuer oder dem Emissionshandel. In der Beschwerde bemängeln die beiden Verbände die Intransparenz der Maßnahmen der Bundesregierung. Außerdem seien sie nicht angemessen, da sie nicht in erster Linie auf Energieeinsparung abzielten, die Höhe der Einsparung würde überschätzt.

Bundesländer investieren Millionen in fossile Unternehmen

"Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben zusammen mehr als vier Milliarden Euro weltweit in Konzernen angelegt. Knapp 400 Millionen Euro davon stecken in Firmen, die den Klimaschutzzielen der Bundesregierung entgegenstehen", schreiben Annika Joeres und Fabian Loehe von correctiv.

Leicht war es nicht, den Bundesländern eine Auskunft darüber zu entlocken, wo sie ihre Pensionsfonds anlegen, zum Teil mussten die Autoren erst androhen, den juristischen Weg zu beschreiten. Von den sieben Bundesländern, die ihre Versorgungsrücklagen in fossile Unternehmen angelegt haben, hat zumindest Berlin das Divestment beschlossen. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen will nun einen Index für nachhaltige Investments erstellen lassen.

Am meisten Geld in fossile Unternehmen hat ausgerechnet das grün regierte Baden-Württemberg angelegt. Rund 190 Millionen Euro hätten die Pensionsfonds des Bundeslandes in Kohle-, Öl- und Gaskonzerne investiert, darunter Total, Eni, Iberdrola, Shell und BP.

Bergbauunternehmen wie BHP Billiton oder Rio Tinto finden sich ebenfalls auf der Liste. BHP Billiton ist der zweitgrößte Kohleförderer Australiens sowie am kolumbianischen Steinkohletagebau El Cerrejon beteiligt. Der Tagebau wird mit dafür verantwortlich gemacht, dass die lokale indigene Bevölkerung kaum noch Zugang zu Wasser hat und daher keine Landwirtschaft betreiben kann. 40 Kinder, die der indigenen Gruppe der Wayuú angehörten, seien in diesem Jahr bereits an Unterernährung gestorben. Der Fluss Ranchería wird zur Versorgung des Bergbaus umgeleitet. Der dadurch ohnehin herrschende Wassermangel ist nun noch durch die anhaltende Dürre im Zusammenhang mit dem Wetterphänomen El Nino verstärkt worden.

Das "künstliche Blatt" der Wissenschaftler der University of Illinois. Bild: UIC

Auf dem Weg zur künstlichen Photosynthese?

Um Kohlendioxid wieder in einen möglichen Brennstoff zu verwandeln, bedarf es normalerweise Organismen, die Photosynthese betreiben. US-amerikanischen Wissenschaftlern der University of Illinois ist es nun gelungen, Kohlendioxid mithilfe eines Katalysators in Kohlenmonoxid umzuwandeln, wie sie in Science schreiben.

Der Katalysator ist nötig, da CO2 an sich sehr reaktionsträge ist. Die Wissenschaftler nutzten Nanopartikel der Halbleiterverbindung Wolframdiselenid um das Gas in Kohlenmonoxid umzuwandeln. Kohlenmonoxid selbst ist ebenfalls ein Treibhausgas und noch kein Brennstoff. Es gebe aber bereits Methoden, um daraus Brennstoffe beispielsweise Methanol herzustellen. "Bei der Photosynthese brauchen Bäume Lichtenergie, Wasser und Kohlendioxid, um ihren Brennstoff herzustellen. In unserem Experiment haben wir die gleichen Zutaten verwendet, aber das Produkt ist ein anderes", erklärte der Chemiker Larry Curtiss. Die Forscher entwickelten eine Art künstliches Blatt, in dem sie die Reaktion ablaufen ließen.