Was für ein Spiel treibt Wolfgang Drexler?

Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses Baden-Württemberg kämpft für die offizielle Version der Behörden

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Fortsetzung in Stuttgart - aber auch Fortschritt? In der letzten Sitzungswoche vor den Sommerferien Ende Juli hat der Landtag von Baden-Württemberg den Untersuchungsausschuss No. 2 zum Polizisten-Mord von Heilbronn eingesetzt. Er wird im September seine Arbeit aufnehmen, Vorsitzender bleibt Wolfgang Drexler, SPD.

Die verschiedenen Statements Drexlers in den letzten Tagen lassen vermuten, dass der Nachfolge-Ausschuss so weitermacht wie sein Vorgänger. Keine gute Botschaft, denn dessen Arbeit war zumindest oberflächlich. Hauptverantwortlicher dafür ist Wolfgang Drexler. Aus aktuellem Anlass ein paar Beispiele.

Ganz im Sinne der Bundesanwaltschaft

Der rätselhafte Kiesewetter-Mord, Schlüsselfall des NSU-Mysteriums, ist für Drexler aufgeklärt - ganz im Sinne der Bundesanwaltschaft: "Die Täter waren allein Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos."

Aber entgegen den Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes: "Ein eindeutiger Nachweis, dass Böhnhardt und Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe waren, konnte nicht erbracht werden." Drexler verschweigt dieses nicht unwesentliche Urteil.

Wesentliche Zeugen hat der Ausschuss nicht befragt und will es auch nicht. Zum Beispiel Theresia F., die unmittelbar nach den Schüssen in etwa 150 Meter Entfernung drei Männer an dem überfallenen Streifenwagen stehen und dann wegrennen sah. Sie nicht zu befragen, sei "im Sinne der Zeugin", so Drexler in einem seiner Interviews. Das mag sein, schließlich hatte die Frau Todesangst und hat sie möglicherweise bis heute, wenn sie realisiert, dass ausgerechnet staatliche Behörden kein Interesse an ihrer Beobachtung von drei Tätern haben. Nur: Aufklärung findet so nicht statt.

Ähnliches gilt für eine Zeugin, die einmal V-Frau ("Krokus") des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) war und angab, Informationen zu haben, dass der bei dem Anschlag schwer verletzte Polizist Martin A. im Krankenhaus ausgespäht worden sein soll. Das sei widerlegt, so Drexler. Die Zeugin "Krokus", die im Ausland lebt, wurde jedoch nie befragt.

Wendung weggelassen

Besonders auffällig ist Drexlers Umgang mit dem Zeugen Torsten O., der einmal kurzzeitig V-Mann des LfV war. Durch ihn soll das Amt bereits im Jahre 2003 von einer Terrorgruppe namens "NSU" und einem Mitglied namens "Mundlos" erfahren haben. Das sagte ein pensionierter LfV-Beamte aus. Als Zeuge im Ausschuss bestritt Torsten O. das dann allerdings. Und so stellt auch der Ausschussvorsitzende Drexler im August 2016 den Sachverhalt dar.

Er verschweigt aber, dass sich dieser Sachverhalt wenig später wieder vollkommen anders entwickelte und zurück zur ursprünglichen Schilderung des VS-Beamten führte. Torsten O. machte nämlich gegenüber dem Autor dieses Textes einen Schwenk und bestätigte doch die Aussage dieses VS-Beamten (vgl. Erfuhr der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg doch 2003 von NSU?).

Mehr noch: Drexler müsste seit Anfang Mai 2015 gewusst haben, dass Torsten O. einen Rückzieher gemacht hatte. In einem Brief an Drexler vom 1. Mai 2015 widerrief er seine Angaben vor dem Ausschuss komplett und wollte, dass sie unter ein Verwertungsverbot fallen. Als ich drei Wochen später in öffentlicher Presserunde vor einer Ausschusssitzung an Drexler eine entsprechende Frage richtete, antwortete er jedoch wie folgt:

Moser: Stimmt es, dass der Zeuge Torsten O. seine Aussage, die er im Ausschuss gemacht hat, zurückgezogen hat?

Drexler: Uns gegenüber nicht. Er hat seine Aussage bisher nicht zurückgezogen.

Moser: Er will sie nicht verwertet haben.

Drexler: Uns gegenüber hat er das nicht geschrieben.

Der Brief O.s an Drexler liegt dem Autor in einer Abschrift vor. O. ist zur Zeit Strafgefangener.

Sozialdemokrat Drexler intervenierte beim ZDF-Intendanten

Der Sozialdemokrat hat auch Probleme mit der Pressefreiheit. Im Juli 2015 lief auf dem Kanal 3sat die TV-Reportage "NSU - Kampf um die Wahrheit", in der auch Kritik an der Arbeit dieses Untersuchungsausschusses geäußert wurde. Daraufhin beschwerte sich Drexler beim Intendanten des ZDF. Er kritisierte einerseits zu Recht, dass in dem Film eine Stellungnahme von ihm zu einer Zeugin verwechselt wurde, andererseits aber zu Unrecht, dass eine Antwort von ihm auf die Frage nach der toten Zeugin Melisa M. geschnitten worden sei.

Bemerkenswert an dem Vorgang ist vor allem: Drexler wandte sich nicht an die zuständige Redaktion, sondern ging direkt auf die Intendantenebene. Das hatte denunziatorischen Charakter und lässt sich als Versuch einer politischen Einflussnahme werten. Der Film wird nicht mehr gezeigt. Im August 2015 stand er noch im Spätprogramm des ZDF, wurde dann aber kurzfristig abgesetzt.

Mit Melisa M. und deren Verlobten Sascha W. hat der Drexler-Ausschuss übrigens zwei tote Zeugen in seinem Erbe - eine deutschlandweit einmalige Bilanz. In einem der Interviews meint Drexler, es bestehe "kein Zusammenhang mit dem NSU-Komplex" und die "Staatsanwaltschaft habe Fremdverschulden ausgeschlossen", zum Beispiel im letzten Todesfall von Sascha W. Verständlich, es so sehen zu wollen, aber erneut nicht korrekt dargestellt. Die Staatsanwaltschaft sieht lediglich "keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden" - das ist etwas anderes (vgl. Link auf 48822).

Politiker von Drexlers Schlage sind mit der Grund, warum die Aufklärung des NSU-Skandals so mühsam vorankommt. Strenggenommen muss das niemanden verwundern - drei Jahre lang stemmte sich nahezu der gesamte Landtag von Baden-Württemberg gegen einen Untersuchungsausschuss in Sachen Kiesewetter-Mord, auch Drexler. Verhindern konnten sie ihn nicht, höchstens missbrauchen können sie ihn.