Showdown in Brasília

Mitte-Rechts-Mehrheit im Parlament hält am Sturz der gewählten Präsidentin fest. Klagen vor OAS und UN-Gremien

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Der Streit um die Präsidentschaft in Brasilien wird zunehmend vor Gerichten und auf der internationalen Ebene ausgetragen. Unmittelbar nachdem der Senat in Brasilien in der Nacht zum Mittwoch grünes Licht für die letzte Phase des Amtsenthebungsverfahrens gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff gab, nahm der Interamerikanische Menschenrechtskommission eine Beschwerde von Rousseffs Arbeiterpartei (PT) an.

Das Verfahren gegen die gewählte Präsidentin müsse auf interamerikanischer Ebene gestoppt werden, heißt es in dem Schriftsatz, dessen Autoren unter anderem mit mutmaßlichen Verfahrensfehlern argumentieren. Der Antrag der PT wird nun von den sieben Vorsitzenden der Kommission geprüft, die der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) angehört.

Nach Angaben der PT-Abgeordneten Paulo Pimenta und Paulo Teixeira wurde die Klageschrift von einem brasilianisch-argentinischen Juristenteam erarbeitet. Ziel sei es, über die Eingriffsrechte der OAS das Verfahren in Brasilien zu stoppen. Zugleich kündigten die Abgeordneten der PT an, angesichts der drohenden Amtsenthebung "auf allen Ebenen zu kämpfen, sei es im Parlament, der Justiz, auf der Straße oder im Ausland". Bei dem Verfahren gegen Rousseff handele es sich um einen Putsch, Ziel sei es, die demokratische Ordnung wieder herzustellen, so Pimenta und Teixeira.

Zuvor hatte der Senat in Brasília mit großer Mehrheit für die Fortsetzung des Amtsenthebungsverfahrens gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff votiert. Nach einer beinahe 17 Stunden währenden Sitzung sprachen sich die Senatoren am Mittwochmorgen mit 59 Stimmen dafür aus, das Verfahren gegen die suspendierte Präsidentin fortzuführen. 21 Senatoren lehnten dies ab. Gegenstand der Abstimmung war das Gutachten einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Das Gremium hatte vor rund einer Woche die Vorwürfe gegen Rousseff unterstützt.

Rousseff wird zur Last gelegt, in unzulässiger Weise in den Staatshaushalt eingegriffen zu haben. So sollen Zahlungen an mehrere staatliche Banken und einen Agrarsubventionsfonds zurückgehalten worden sein. Rousseffs Gegner interpretieren diese Handlungen als Erschleichen von Krediten. Nach bisherigen Erkenntnissen hat die Regierung Rousseff systematisch Zahlungen an staatliche Kreditinstitute verzögert, um im Wahljahr Ressourcen für laufende Sozialprogramme zur Verfügung zu haben.

Politisch und rechtlich umstritten

Nicht nur politisch, sondern auch juristisch ist der Prozess gegen Rousseff jedoch höchst umstritten. Ein mit der Prüfung des Falls beauftragter Staatsanwalt hat vor gut zwei Wochen ausgeschlossen, dass es sich bei den Vorwürfen gegen Rousseff um justiziable Delikte handelt, die vor einem ordentlichen Gericht zu einer Verurteilung führen würden. Staatsanwalt Cláudio Marx trat damit der Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat entgegen, die Rousseff für maximal 180 Tage ihres Amtes enthoben hatte.

Der politische und juristische Streit zwischen der Mitte-Rechts-Mehrheit im Parlament und der PT betrifft indes nicht nur Rousseff, sondern auch ihren Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva. Der Politiker reichte ebenfalls Mitte dieser Woche Klage gegen vier Staatsanwälte ein, die seine Rolle bei einem Skandal um Vergabebetrug beim halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras untersuchen. Die betreffenden Juristen hätten "während einer laufenden Ermittlung nicht existente Beweise präsentiert", um eine Vorverurteilung zu begünstigen, so da Silva.

Unlängst war ein Dokument aufgetaucht, in dem die vier Staatsanwälte recht vage über „Beweiselemente“, schreiben, nach denen da Silva von der Korruption bei Petrobras profitiert haben soll. Der Politiker sieht darin eine Vorverurteilung. Seine Anwälte haben den Fall parallel zur Beschwerde in Brasilien vor den Menschenrechtsrat der UNO gebracht.