Teheran-Ankara-Damaskus: Unheilige Allianz

Rojava, das basisdemokratische Experiment in Nordsyrien, jagt den Regimes der Region eine Heidenangst ein - und schweißt sie zu einer reaktionären Allianz zusammen

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Vor wenigen Tagen wurde der komplexe syrische Mehrfrontenbürgerkrieg um einen weiteren Frontabschnitt erweitert. Zum ersten Mal in der Geschichte des syrischen Bürgerkrieges bombardierten am 18. August Kampfflugzeuge des Assad-Regimes Stellungen der syrischen Kurden im Norden des in Auflösung befindlichen Landes, in der zwischen Regime und kurdischer Selbstverwaltung geteilten Stadt Hasaka. Zuvor sind heftige Gefechte zwischen kurdischen Polizeikräften und Regimemilizen aus der Stadt gemeldet worden.

Beide Konfliktpartien - die jahrelang einen brüchigen informellen Nichtangriffspakt befolgten - beschuldigten sich gegenseitig, die jüngste Eskalation ausgelöst zu haben. Und beiden Seiten scheint an einer Eskalation nicht gelegen zu sein: Das Regime ist in Hasaka eingekesselt, während die kurdisch dominierten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) einen Großteil ihrer Armee gerade im Kampf gegen den Islamischen Staat westlich des Euphrats zusammengezogen haben. Zuletzt konnte Manbij von der Schreckensherrschaft der Dschihadisten befreit werden (Syrien: Manbij vom IS befreit), während aktuell Vorbereitungen für die Offensive auf Al Bab, nördlich von Aleppo, getroffen werden (Türkei drängt nach der Eroberung von Manbij).

Den Luftangriffen und willkürlichen Artilleriebeschuss des Regimes in Hasaka gingen aber hektische diplomatische Aktivitäten in der Region voraus, die den plötzlichen Ausbruch von Feindseligkeiten in Nordsyrien erhellen können. Am 18. August meldeten russische Medien, dass die Ausformung einer weitreichenden geopolitischen Allianz zwischen der Türkei, dem Iran und Syrien nahezu abgeschlossen sei.

Angebliche Bombardierungen in Hasaka. Bild.

Das "kurdische Problem"

Die sich seit Wochen abzeichnenden Absetzbewegungen der Türkei aus dem westlichen Lager, die vor allem in den aktuellen Spannungen zwischen Ankara und Washington manifest wurden, scheinen sich somit zu verfestigen. Zuletzt kam die Türkei mit ihrem größten regionalen Rivalen, mit dem Iran, zu einer generellen strategischen Übereinkunft, die den Interessensausgleich in Syrien zum Inhalt hatte. Zwei Hauptpunkte des Deals zwischen Teheran und Ankara hob der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hervor: Beibehaltung der territorialen Integrität Syriens und eine Regierung, in der alle "Religionen vertreten sind".

Der zweite Punkt deutet klar auf eine Aufteilung Syriens in türkisch-sunnitische und schiitisch-alewitische Einflusssphären hin, auf die Schaffung eines funktionsunfähigen Zombiestaates wie Bosnien-Herzogowina hin, der von religiösen und ethnischen Gettos zerteilt ist. Der erste Punkt ist aber entscheidend: Es geht sowohl den schiitischen Islamisten in Teheran wie ihren sunnitischen Konkurrenten in Ankara darum, das basisdemokratische Experiment in Nordsyrien mit aller Macht auszulöschen. Dies ist der einzige gemeinsame Nenner, der die unheilige Allianz der Regimes der Region befeuert.

Die Türkei, die noch vor wenigen Monaten den Westen dazu drängte, eine Militärintervention in Nordsyrien zu unterstützen, will nun mit aller Macht die Etablierung einer gesellschaftlichen Alternative zu Islamismus und Staatsterror in der Region verhindern. Eine kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien sei "unmöglich", erklärte Yildirim offen vor der Anhängerschaft der AKP.

Russische Medien benannten noch deutlicher, was diese Allianz der Reaktionäre in der Region vorantreibt. Ein geopolitisches Bündnis zwischen Russland, Syrien, der Türkei und dem Iran sei entscheidend, um zu einer Lösung der Konflikte im Mittleren Osten zu gelangen, erklärte der russische Türkei-Experte Alexander Sotnichenko gegenüber Sputniknews.

Doch zugleich "unterstützen die Türkei einerseits und Russland und Iran anderseits verschiedene Seiten in dem Syrischen Konflikt". Das "kurdische Problem" sei der "gemeinsame Boden", auf dem ein türkisch-iranisches Bündnis gegründet werden könne, erklärte Stanislav Tarasov von der russischen Ostkaukasus-Denkfabrik. Beiden Regimes gehe es darum, die "territoriale Integrität" ihrer Staatsapparate zu wahren, so Tarasov. Vor allem für die Islamisten in Ankara stelle das "kurdische Problem" die "wichtigste Angelegenheit" dar.

Und es war eben dies "Kurdenproblem", dass auch die Annäherung zwischen den Regimes in Damaskus und Ankara motivierte, die sich bereits Mitte Juli klar abzeichnete (Türkei will Beziehungen zu Syrien normalisieren). Es ist somit davon auszugehen, dass die jüngsten Angriffe des syrischen Regimes nur die erste Phase eines zwischen Ankara, Teheran und Damaskus koordinierten Vorgehend gegen Rojava darstellen.

Dabei geht es den autoritären Regimes nicht nur um kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen. Ankara hat beispielsweise relativ gute Beziehungen zu der Kleptokratie des Barzani-Klans im Nordirak entwickelt, während Barzani ausdrücklich einen unabhängigen Kurdenstaat anstrebt.