AfD: Die Phantompartei, die die Republik verändert

Bild: Bixeentro/CC BY 2.0

Die Attraktivität der AfD ist weiter der Protest der Ängstlichen ohne ein anderes Ziel als gegen Einwanderung und für Sicherheit

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Zweifellos war die Flüchtlingspolitik der Hauptgrund für den Erfolg der AfD, als einzige Partei zulegen und von Null auf über 20 Prozent springen zu können. Die Landespolitik schien die AfD-Wähler, die aus dem Kreis der Nichtwähler, ansonsten aus denen der CDU-, SPD- und Linkenwähler stammten, weniger zu bewegen. Die Mehrheit der AfD-Wähler entschied sich nach Umfragen von Infratest dimap für die ARD aufgrund der Bundespolitik, die wegen der Zuwanderung im letzten Jahr offenbar auch weiterhin für die AfD-Wähler verantwortlich ist, auch wenn schon lange eine Kehrtwende vollzogen wurde und 61 Prozent der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern eigentlich zufrieden mit der SPD-CDU-Landesregierung zufrieden gewesen sein sollen.

Mit Angst und dem Versprechen auf Schutz vor Ausländern, Flüchtlingen und Kriminellen vermag die AfD noch immer die ansonsten und allgemein Unzufriedenen und Enttäuschten, die aber einem völkischen Nationalismus oder Patriotismus zuneigen, zu angeln. Dabei werden offenbar Flüchtlinge und Islam mit steigender Kriminalität verbunden. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es weder sonderlich viele Flüchtlinge, noch ist die Kriminalität exorbitant hoch. Aber es sind offenbar viele Menschen verunsichert und fürchten, zu Verlierern zu werden. 74 Prozent der AfD-Wähler glauben denn auch, dass "unser Wohlstand durch die Flüchtlinge bedroht" sei. Das wird nicht wirklich politisch oder wirtschaftlich verortet, eine andere Menschengruppe, der es noch schlechter geht, bedroht die Besitzstandswahrer, die sich an die Seite gedrängt fühlen. Sperrt man die Einwanderer, die Anderen, aus, ist alles gut.

Die Kompetenzen der AfD werden in der Kriminalitätsbekämpfung und im "Sicher leben" verortet. 100 Prozent der AfD-Wähler sagen, sie fänden es gut, dass die Partei den Zuzug von Einwanderern verhindern will, 95 Prozent schätzen die Partei, weil sie die Verbreitung des Islam bekämpfen will, 85 Prozent glauben, dass mehr für die Flüchtlinge als für die Einheimischen getan wird. Und dann spricht sie irgendwie auch noch klar aus, "was andere Parteien nicht offen sagen". Das meinen auch 100 Prozent der AfD-Wähler, die damit wohl auch wähnen, dass sie und die AfD auf der Seite der Meinung des Volkes sind, die anderen Parteien würde die in der AfD geäußerten Meinungen nur wie die "Lügenpresse" unterdrücken. Man macht, so ein Slogan, "Politik für das eigene Volk". Damit wird eine Einheit der deutschen Wähler suggeriert, die es natürlich nicht gibt.

Langfristige Parteibindungen gibt es für die AfD nicht, sie wird gewählt oder erhält Zustimmung, weil sie als die eigentliche Flüchtlingsabschreckungs- und Law-and-Order-Partei gilt. Darin hat sie in letzter Zeit die anderen Parteien vor sich hergetrieben, die tatsächlich ausgebrannt scheinen und in der Realpolitik aufgehen. Mit der und überhaupt einer Regierungsverantwortung will die AfD nichts zu tun haben. Nur so kann sie sich als systemkritischer "Alternative" darstellen, die sie trotz ihrer seit Beginn an neoliberalen Ausrichtung für ihre Anhänger darstellt. Zwar steht das Flüchtlingsthema für die AfD-Wähler ganz oben, dann aber folgt bereits "soziale Gerechtigkeit", wobei aber nur 39 Prozent hier eine Kompetenz der AfD sehen, die vor allem bei Sicherheit, Kriminalitätsbekämpfung und Familienpolitik für ihre Anhänger stark sein soll. Dabei sehen 95 Prozent die Gefahr, dass durch die Flüchtlinge nicht nur die Lebensweise sich stark verändern, die Kriminalität ansteigen und der Wohlstand sinken würde, sondern auch, dass die Sozialausgeben steigen. Ein hoher Anteil von Arbeitern und Arbeitslosen sieht sich zur AfD hingezogen, obgleich sich diese weiterhin als Mittelstandsvertretung gibt.

Bewahrung als Alternative

AfD-Wähler kommen aus allen Altersstufen etwa gleich stark, die ganz Jungen und die ganz Alten scheinen aber eher skeptischer zu sein. Die Wähler von SPD und CDU sind dagegen vornehmlich die Alten. Bei der SPD stellen die Über-70-Jährigen an allen Wählern der Altersgruppe einen Anteil von 43 Prozent, bei den 18-24-Jährigen sind es gerade 21 Prozent, immerhin mehr als die 15 Prozent bei der AfD oder bei der CDU. Bemerkenswert ist bei der SPD, dass sie sowohl unter den Wählern über 60 und unter 25 Jahren am besten abgeschnitten hat. Bei den Erstwählern liegt die AfD gerade einmal mit 13 Prozent hinter SPD, CDU und Linken und knapp vor den Grünen. Am stärksten ist die AfD bei den 35-49-Jährigen. Frauen mögen die AfD eher weniger, die ziehen die SPD und die CDU vor. Auch bei Wählern mit hoher Bildung kann die SPD noch mit einem Anteil von 30 Prozent dominieren, gefolgt von der CDU mit 20 Prozent, der AfD mit 16 Prozent und der Linkspartei mit 14 Prozent.

Das Fatale ist, dass die AfD in gewisser Hinsicht recht hat, dass das Parteiensystem erstarrt ist, die Zeit der Großen Koalition hat dies noch verstärkt. Die große Stunde der No-Future-Partei AfD, einer thematischen Lumpensammlerpartei, die alles zusammenkratzt, was nicht passt von den "Zwangs-TV-Gebühren" über die Genderpolitik, die Windräder, Verschwendung von Steuergeldern, die Abschaffung der Zeitumstellung oder der Wiedereinführung von Diplom und Magister bis hin zum Ende der Russland-Sanktionen, Familienförderung oder mehr Geld für Straßen, war das Flüchtlingsthema. Unterstützt durch die CSU, die panisch versuchte, der AfD hier das Wasser abzugraben, wurde nun die Flüchtlingspolitik zum Hauptthema. Das aber hat überhaupt nichts Zukunftsweisendes, sondern beinhaltet nur den Erhalt des Bestehenden durch das Aufziehen von Grenzen.

Abzusehen ist, dass die AfD bald in sich zusammenbrechen und sich als Phantom erweisen wird, das eine Zeitlang die anderen Parteien vor sich hertreiben konnte, die sich um "die Mitte" drängelten, also auch um den Erhalt des Bestehenden. Deprimierend ist, dass es offenbar in Deutschland wie in vielen anderen Ländern als Alternative nur diese kreischende Erhaltungsstimmung gibt, die Veränderung als solche fürchtet und Mauern, Grenzen und Zurück zur Nation ersehnt, selbst im Einwanderungsland USA. Fortschritt ist derzeit bestenfalls noch technischer Fortschritt, der das Heil bringen soll, alles andere ist desavouiert. Höchste Zeit, den sozialen, machbaren, aber postsozialistischen Fortschritt wieder zu erfinden.