Die USA sollen Opfer einer groß angelegten "russischen Beeinflussungsoperation" sein

Wahlkampfplakat der CDU aus dem Jahr 1953. Wir nähern uns wieder den Zeiten. Bild: Archiv für Christlich-Demokratische Politik (KAS/ACDP)/CC-BY-SA-3.0

Ein Artikel in der Washington Post mit den üblichen anonymen "Offiziellen" zeigt, wie strategische Kommunikation mit der Hilfe von freien Medien funktioniert

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In den USA wird die Angst vor russischen Hackern geschürt oder es herrscht tatsächlich Sorge, dass sie im Auftrag Moskaus in die kommenden Präsidentschaftswahlen eingreifen könnten, um Wahlergebnisse zu manipulieren oder Unruhe zu erzeugen. Hintergrund dürfte auch sein, dass Washington mit seinen zahlreichen Thinktanks oder politischen Stimmungserzeugern gerne in anderen Ländern Politik und Wahlen gerade auch im postsowjetischen Raum zu beeinflussen versucht und die Geheimdienste, wie die Snowden-Leaks zeigten, ihre Griffel gerne überall drin haben. Ob es gewissen Kreisen in den USA darum geht, den Konflikt mit Russland weiter anzuheizen, oder ob nach den Entdeckungen, dass in die Computersysteme des Democratic National Committee (DNC) und in die Wahlsysteme von zwei Bundesstaaten angeblich russische Hacker, die mit den Geheimdiensten verbunden sein sollen, eingedrungen sind, die Angst steigt, lässt sich nicht wirklich ausmachen (USA: Angst vor Manipulation der Wahlcomputer durch Moskau).

Wahrscheinlich fließt beides zusammen, um einen Nebel zu erzeugen, den man ansonsten gerne der russischen Bedrohung durch hybriden Krieg zuschreibt. Unklar ist stets, ob Medien anonym bleibende "Offizielle" gewinnen, die etwas ausplaudern, oder ob diese den Medien etwas durchstecken, um so die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Schon länger wird nach dem Hack in die DNC-Computer und dem Leak der Daten, die für Hillary Clinton nicht günstig waren, über mögliche Manipulationen der Wahlcomputer gesprochen. Clinton selbst beschuldigte russische Hacker, während Donald Trump den von ihm erwarteten Wahlsieg nur durch eine Manipulation der Wahl gefährdet sah.

Das Heimatschutzministerium hat die Wahlcomputer zur "kritischen Infrastruktur" wie die Stromnetze erhoben und angeboten, diese zu prüfen, was wiederum auf Misstrauen bei republikanischen Politikern stieß, die wähnten, dass das noch demokratisch geführte Ministerium damit Zugriff auf die Wahlcomputer erhalten wolle (Das Wahlsystem als "kritische Infrastruktur").

Jetzt berichten auch Dana Priest, vertraut mit den amerikanischen Geheimdiensten, Ellen Nakashima und Tom Hamburger für die Washington Post, dass nicht nur die Geheimdienste, sondern eben auch Strafverfolgungsbehörden, also das FBI, Vorgänge untersuchen würden, die als "breite verdeckte russische Operation in den USA" dargestellt wird, um gegenüber den kommenden Wahlen und allgemein gegen die politischen Institutionen in den USA Misstrauen zu erwecken. Es ist die Rede von einer "russischen Kampagne", die eben auch Mittel zum Hacken von Systemen nutze, um Desinformation zu verbreiten. Der oberste Geheimdienstchef James Clapper leite die Untersuchungen, so die Journalisten, was die Angelegenheit besonders gewichtig macht.

Russlands "globale Kampagne"

Die "Offiziellen" mit ihren Äußerungen hätten aber nur unter der Bedingung der Anonymität über diese "delikate Angelegenheit" gesprochen. Man beobachte "eine russische Beeinflussungsoperation" sehr genau, soll einer gesagt haben, und man prüfe mögliche Manipulationen des Wahlprozesses und andere Cyberbedrohungen. Man habe aber keinen "letzten Beweis" dafür, dass die Russen dies machen oder vorhaben. Selbst die Spur eines Verdachts beunruhige aber, weil die Wähler Vertrauen in das Wahlsystem haben müssten.

In den USA mit dem Zweiparteiensystem wären keine landesweite Manipulationen notwendig, es würden bereits Veränderungen in Wahlbezirken in den wenigen Swingstates reichen, um bei einem erwarteten knappen Wahlausgang entscheidende Stimmen zu verschieben. Allerdings gibt es in den USA weder auf Landes- noch auf Bundesstaatenebene einheitliche Wahlverfahren, das Wahlsystem ist mit unterschiedlichen Verfahren und Systemen zersplittert auf der Ebene der Counties, was eine Sicherung praktisch unmöglich macht, allerdings auch eine umfassende Manipulation. Viele Wahlcomputer und deren Betriebssysteme sind 10 Jahre und mehr alt (USA: Misstrauen in die Wahlcomputer und in die Technik).

Fragt sich eigentlich nur, einmal angenommen, Moskau - oder natürlich der hinter allem stehende Putin - würde tatsächlich beabsichtigen, mit Hacks die Wahlen zu beeinflussen, welchen Kandidaten man denn bevorzugen würde. Schließlich werden die Präsidenten maßgeblich von den mächtigen Zirkeln und Interessen beeinflusst, so dass der angeblich mächtigste Präsident der Welt gar nicht so viel selbst entscheiden bzw. umsetzen kann, zumal wenn er oder sie auch keine Mehrheit im Kongress besitzt. Trump wurden Nähen zu Putin unterstellt und eine weniger aggressive Nato-Politik, aber er dürfte viel unberechenbarer als Clinton sein, die mit ihren bekannten außenpolitischen Ansichten zunächst auch für den Kreml das bessere Feindbild abgeben dürfte.

Die "Offiziellen" wollen sich dazu nicht konkreter äußern, da sonst vielleicht das Bedrohungsgespinst noch leichter kippen könnte, und lassen über die Washington Post diplomatisch mitteilen, dass der Kreml vielleicht gar nicht die Wahlen in die eine oder andere Richtung beeinflussen, sondern einfach Chaos schaffen und, dann kommt es deutlich heraus, Propaganda verbreiten will, "um die demokratiebildende US-Politik auf der ganzen Welt und besonders in den Länder der früheren Sowjetunion anzugreifen". Es geht also, muss man daraus schließen, um den neuen Kalten Krieg auch in der Ideologie, da Russland "die US-Führung und den Einfluss auf internationale Angelegenheiten" untergraben will, wobei hier nur Russland als Aggressor dargestellt wird, während die USA nur die Demokratie verbreiten wollen. Einer der Offiziellen spricht von einer "globalen Kampagne", immer wieder fällt das Wort "furchteinflößend".

Auch Kongressabgeordnete seien schon von den Geheimdiensten über die "russischen Beeinflussungsoperationen in Europa" unterrichtet worden. So soll der demokratische Senator Harry Reid nach einem telefonischen Briefing durch einen hohen Geheimdienstmitarbeiter "tief bewegt" worden sein, was aber nicht er selbst sagte, sondern einer seiner Mitarbeiter. Republikanische und demokratische Abgeordnete üben wie der republikanische Senator Ben Sasse Druck auf Präsident Obama aus, öffentlich wegen des DNC-Hacks und der Einmischung in den Wahlprozess Russland zu beschuldigen. Es wurden angeblich Hackversuche in die Wahlsysteme von mindestens zwei Bundesstaaten festgestellt. Das FBI hatte bereits im Juli nach der Entdeckung eine Warnung vor ähnlichen Einbrüchen an die für die Wahlsysteme Verantwortlichen geschickt.

Schön ist der Schluss des Artikels der Washington Post. Im gesamten Artikel wird nicht einmal nebenbei auf ähnliche Beeinflussungsaktivitäten der Regierung oder US-Organisationen hingewiesen, dafür wird gesagt, Russland sei "Vorhut einer wachsenden globalen Bewegung, Propaganda auf dem Internet zu nutzen, um Menschen und politische Ereignisse zu beeinflussen". Das sei so besonders seit der "politischen Revolte" in der Ukraine, der Übernahme der Krim und der Verhängung der Sanktionen gewesen. Dass beispielsweise die USA und andere Nato-Staaten maßgeblich die Farbrevolutionen in der postsowjetischen Welt und in der Ukraine unterstützt haben, wird den Lesern nicht gesagt.