USA: Weiter Waffen für Saudi-Arabien für mehr als eine Milliarde Dollar

US-Verteidigungsminister Ashton Carter und der saudische Verteidigungsminister Vizekronprinz Mohammed ibn Salman, Pentagon, 13. Mai 2015. Bild: US-Verteidigungsministerium, Glenn Fawcett/gemeinfrei

Trotz des Krieges im Jemen. Islamisten profitieren vom Desaster

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Nein, der Krieg im Jemen ist noch nicht vorbei. Der Krieg im Süden der arabischen Halbinsel geht unvermindert weiter, auch wenn er im Schatten des Bürgerkrieges in Syrien steht. Erst am Wochenende wurden bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition auf eine Baustelle nahe der Hauptstadt Sanaa 22 Zivilisten getötet. Im Süden des Landes wiederum sprengte ein Selbstmordattentäter sich und zehn Soldaten der Regierungstruppen an einer Straßensperre der Armee in die Luft, 14 weitere wurden verletzt.

Als Erfolg konnte die saudische Koalition vermelden, dass in der Provinz Serwah der dortigen Flughafen erobert werden konnte. Bei ihren Luftangriffen wurden mindestens neun Zivilisten getötet.

Die US-Luftwaffe tötete nach eigenen Angaben Anfang September vier Al-Qaida-Kämpfer durch Luftangriffe. Human Rights Watch warf den Houthi-Rebellen unterdessen vor, Landminen eingesetzt zu haben, die zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert hätten.

Saudi-Arabien in der Kritik

Doch solche Meldungen sind in dem Krieg längst grausamer Alltag. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn offensichtlich kann Saudi-Arabien auch nach anderthalb Jahren Krieg keine militärische Lösung erzwingen. Die Saudis wollten den von schiitischen Houthis vertrieben Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi wieder an die Macht bringen. Doch stattdessen versinkt das Land im Chaos.

Die Houthis haben sich als militärisch stärker erwiesen als gedacht und stoßen sogar immer wieder auf saudisches Gebiet vor und greifen Militäreinheiten, Städte und Grenzposten an.

Laut UN wurden in dem Konflikt mindestens 10.000 Menschen getötet. Darunter seien 3.799 Zivilisten gewesen, wobei die Luftangriffe der saudischen Militärkoalition schätzungsweise 60 Prozent der Todesopfer verantwortlich sind.

Saudi-Arabien hat indes alle Vorwürfe zurückgewiesen, absichtlich Zivilisten anzugreifen und seinerseits interne Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurden acht Angriffe untersucht, unter anderem auf Krankenhäuser: Im Ergebnis bescheinigte sich das Königreich, dass die Angriffe gerechtfertigt gewesen seien, weil sich Angehörige der Houthi-Kräfte dort befunden hätten. In einem Fall bot Saudi-Arabien Entschädigungszahlungen an

Ein Stabilitätsanker?

Im Westen wachsen allmählich die Zweifel, ob Saudi-Arabien wirklich der "Stabilitätsanker" ist, als den der damalige Verteidigungsminister und heutige Innenminister Thomas de Maizière das islamistische Königreich 2011 bezeichnet hatte.

In den USA und Großbritannien fragen sich viele, ob man dem Land wirklich weiter bedenkenlos Waffen liefern kann und sollte. Denn bislang konnten sich die Saudis nicht über zu wenig westliche Unterstützung beklagen, wie eine neue Studie von William D. Hartung vom Centre for International Policy zeigt: In der Amtszeit von Obama haben die USA demnach Saudi-Arabien Rüstungsgüter im Wert von 115 Milliarden Dollar verkauft.

In 42 Einzelgeschäften bekamen die Saudis seit Januar 2009 unter anderem Panzer, Waffen, Munition, Kampfhubschrauber und -flugzeuge, Luft-Boden-Raketen und Kampfschiffe. Die zu Northrop Grumman gehörende Vinnell Arabia hat für 4 Milliarden Dollar die Saudi Arabian National Guard (SANG) trainiert und ausgerüstet. Nach Angaben des International Institute for Strategic Studies spielte diese eine zentrale Rolle bei der Intervention im Jemen.

Als der Auftrag am 20. Juni 2013, also vor dem Jemen-Krieg, bekannt gegeben wurde, begründete die US-Regierung ihn damit, dass Saudi-Arabien sich dadurch besser verteidigen und den Terrorismus bekämpfen könne. Das militärische Gleichgewicht in der Region werde dadurch nicht beeinträchtigt, hieß es.

Neue Lieferung geplant

Die Obama-Administration steht allerdings weiter zu Saudi-Arabien und hat erst kürzlich mitgeteilt, Panzer und andere Waffen im Wert von 1,15 Milliarden Dollar an Saudi-Arabien zu verkaufen. Zur Begründung erklärte die US-Regierung:

Der Verkauf wird die Fähigkeit von Saudi-Arabien verbessern, gegenwärtigen und künftigen Bedrohungen zu begegnen und seine kritische Infrastruktur besser zu schützen. Die neuen Panzer und Fahrzeuge werden die Fähigkeit von Saudi-Arabien verbessern, seine Soldaten im Feld zu unterstützen und die Grenzen des Königreichs zu verteidigen.

US-Regierung

Kurz danach bombardierte die saudische Militärkoalition einmal mehr ein Krankenhaus der Organisation Ärzte ohne Grenzen im Jemen, die daraufhin ihr Personal abzog. Darauf angesprochen, sagte Außenamtssprecherin Elizabeth Trudeau, man habe mit den Saudis besprochen, wie wichtig es sei, Leiden zu vermindern.

Dabei haben wir sie auch aufgefordert, ihr Möglichstes zu tun, Leiden zu vermeiden bei Einrichtungen, die durch das Völkerrecht geschützt sind wie Krankenhäuser.

US-Außenamtssprecherin Elizabeth Trudeau

Druck auf Riad

Im Repräsentantenhaus meldeten daraufhin acht Abgeordnete in einem Brief an Präsident Obama Bedenken an. Amnesty International habe 33 völkerrechtswidrige Luftangriffe dokumentiert, die Militärkoalition habe Zivilisten getötet und zivile Einrichtungen zerstört: "Die Angriffe könnten Kriegsverbrechen sein."

Die Unterzeichner forderten einen Aufschub des Verkaufs und eine parlamentarische Debatte, die wegen der Sommerpause im Kongress nicht möglich sei.

Die Arms Control Association machte darauf aufmerksam, dass der Kongress Waffengeschäfte bis zur Lieferung jederzeit noch stoppen könnte. "Wenn der Präsident den Verkauf nicht stoppt, dann sollte der Kongress den Blockadeweg einschlagen", empfahl Rüstungskontrollexperte Jeff Abramson.

Den neulich bekannt gegebenen Verkauf an Saudi-Arabien stoppen und die Auslieferung bereits vereinbarter Waffen zu stoppen, wäre eine Gelegenheit, Riad zu zeigen, dass es verantwortlich handeln muss, und sicherzustellen, dass künftige US-Waffenlieferungen nicht benutzt werden, Zivilisten zu beschießen und Menschenrechte zu verletzen.

Rüstungskontrollexperte Jeff Abramson

Vertragliche Hürden

Außerdem hätten die USA den Internationalen Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty - ATT) zwar noch nicht ratifiziert, aber schon unterschrieben. Danach muss bei Waffengeschäften auch beachtet werden, ob dadurch Menschen- und Völkerrecht verletzt wird. In dem noch jungen Vertrag, den Deutschland schon ratifiziert hat, heißt es in Artikel 6, Absatz 3, ein Staat dürfe Waffengeschäfte nicht genehmigen,

…wenn er zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung Kenntnis davon hat, dass die Waffen oder Güter bei der Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schweren Verletzungen der Genfer Abkommen von 1949, Angriffen auf zivile Objekte oder Zivilpersonen, die als solche geschützt werden, oder anderen Kriegsverbrechen im Sinne völkerrechtlicher Übereinkünfte, deren Vertragspartei er ist, verwendet werden würden.

Aus dem Internationalen Vertrag über den Waffenhandel