Rundfunkverschlankung: CSU und FDP gegen CDU, SPD, Grüne und Linke

Nicht nur in der FDP hat man Zweifel daran, ob Seehofer seinen Worten Taten folgen lässt. Foto: Die PARTEI, Landesverband Bayern

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner schließt sich Horst Seehofers Vorschlag einer Verringerung der Zahl der öffentlich-rechtlichen Sender an

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Am Wochenende wartete die Bild am Sonntag mit einer Forderung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer auf, die auch von den meisten anderen Medien aufgegriffen wurde, weil sie viele Menschen interessiert: Eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, der inzwischen jährlich über acht Milliarden Euro verschlingt. "Wir", so Seehofer im Namen des CSU-Parteivorstandes, "sind der Auffassung, dass die Grundversorgung auch von einer Fernsehanstalt geleistet werden könnte". Deshalb soll im November eine Fusion von ARD und ZDF als Ziel in das CSU-Parteiprogramm aufgenommen werden.

In der Vergangenheit waren solche Forderungen vor allem in Teilorganisationen der FDP laut geworden (vgl. Junge Liberale Bayern wollen ZDF privatisieren). Deren Bundesvorsitzender Christian Lindner pflichtete Seehofer im Branchenportal Meedia nun bei und meinte, die in der Vergangenheit stetig gestiegene Zahl an öffentlich-rechtlichen Medienprojekten gehe inzwischen "weit über den gesetzlichen Auftrag hinaus" und "verdränge private Angebote". Deshalb sollte seiner Ansicht nach die Zahl der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender mindestens halbiert und der Programmschwerpunkt von Soaps, Schlagern, Schmonzetten und Sport auf "Information, Kultur und Bildung" verschoben werden.

Allerdings gibt sich Lindner skeptisch, "ob Horst Seehofer seinen Worten auch Taten folgen lässt". In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass "die CSU in der Vergangenheit jede Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitgetragen" hat und über die bayerische Staatsregierung "gemeinsam mit anderen Bundesländern die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten vorgeschlagene Absenkung des Rundfunkbeitrags [verschleppt]".

Alle anderen etablierten Parteien bilden eine Einheitsfront gegen eine Verschlankung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Angefangen bei der SPD, deren Parteivorstandssprecher meint, ARD und ZDF böten "die von allen immer wieder zu Recht geforderte Meinungsvielfalt", "einen kritischen, unabhängigen und vielfältigen Journalismus" und "Qualität". SPD-Generalsekretärin Katarina Barley ergänzte in der Passauer Neuen Presse (PNP), es sei "gut, dass wir eine bunte Fernsehlandschaft in Deutschland haben, da gehören ARD und ZDF ausdrücklich beide dazu". Außerdem interpretiert man bei den Sozialdemokraten die Rechtsprechung der Bundesverfassungsgerichts als "Bestands- und Entwicklungsgarantie" für "beide Anstalten", obwohl die Quasi-Bundesanstalt ZDF 1963 erst durch einen verfassungsrechtlichen Kunstgriff auf Sendung gehen konnte.

Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, verdammt Seehofers Forderungen in der PNP als "populistisch" und glaubt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem derzeitigen Zustand ein "Vielfaltsgewinn" und "Anlaufpunkt für hochwertig recherchierte Information und auch Unterhaltung" sei. Und Harald Petzold, der Rößners Amt in der der Linken-Bundestagsfraktion ausübt, gibt sich der Überzeugung, weniger Gebührensender würden "die Presse- und Meinungsvielfalt massiv beschädigen." Damit sind die beiden einer Meinung mit dem ehemaligen CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung, der der Oldenburger Nordwest-Zeitung sagte, der Ist-Zustand sei "gerade unter dem Aspekt der politischen Berichterstattung sinnvoll".

Wird eine Reform erst dann möglich, wenn die Zuschauer weggestorben sind?

Der Handelsblatt-Kolumnist Hans-Peter Siebenhaar, einer der prominentesten Kritiker von ARD und ZDF, glaubt nicht, dass Seehofer und Lindner die jetzt propagierten Pläne verwirklichen können. Das, so Siebenhaar, "werden CSU und FDP schon sehr bald merken", wenn die acht Milliarden schweren Anstalten ihre "gewaltige mediale und wirtschaftliche Macht" und ihre "schärfste Waffe gegen Reformen" einsetzen: Die "Bühne", die sie Politikern zur Verfügung stellen. Diese Waffe ist Siebenhaars Ansicht nach auch der Grund dafür, dass schon Seehofers Vorgänger Edmund Stoiber mit seinen Rundfunkreformvorhaben scheiterte.

Hat Siebenhaar recht, dann müsste die Politik mit einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks warten, bis ARD und ZDF so viele Zuschauer weggestorben sind, dass der verbliebene Rest keine wahlentscheidende Rolle mehr spielt. Beim Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) glaubt man allerdings nicht, dass eine Reform so lange auf sich warten lassen muss. Julian Geist, Vizechef des Verbandes und Konzernsprecher von ProSiebenSat.1, meint, dass Seehofers Vorstoß "in den vielen gemeinsamen Gremien sicher ergebnisoffen diskutiert wird". Und Verbandschef Hans Demmel warnt ARD und ZDF, die "Zeiten der Kuschelzone mit den Privaten" seien angesichts eines Verdrängungswettbewerbs "passé".

Henkel hofft auf EU

In der AfD-Abspaltung ALFA propagiert der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel bereits seit Längerem einen Umweg zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland: Er will die EU-Kommission dazu bewegen, sich "für die Abschaffung der staatlichen Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzusetzen". Die "Entlassung in die finanzielle Unabhängigkeit" ist nach Ansicht seiner Partei ein "einfacher Weg, die Unabhängigkeit der Medien vom Staat zu garantieren". Werden Medien dagegen "durch die öffentliche Hand finanziert - sei es durch direkte Staatsfinanzierung oder indirekt, durch eine staatlich beschlossene und von staatlichen Stellen eingetriebene Zwangsabgabe", dann könne man "echte Unabhängigkeit nicht erwarten".

Diese Unabhängigkeit ist Henkels Ansicht nach nicht nur im von deutschen Politikern ausgiebig kritisierten Polen ein Problem, sondern auch in Deutschland, wo Angela Merkels Regierungssprecher Ulrich Wilhelm 2010 Intendant des Bayerischen Rundfunks wurde. Dass sich um die Unabhängigkeit der polnischen Medien "ausgerechnet jene sorgen, die es mit besagter Unabhängigkeit zuhause gar nicht so genau nehmen", hält er für "heuchlerisch". "Wer im Glashaus sitzt", so Henkel dazu, der "sollte nicht mit Steinen werfen" (vgl. FDP diskutiert Volksabstimmung über BR-Austritt aus der ARD).

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