Ökonomischer Wahnsinn soll in Hinkley Point umgesetzt werden

Großbritannien gibt grünes Licht für das Comeback der Atomkraft, um es sich mit Frankreich und China nicht zu verscherzen

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Man darf die Sicherheit von Atomkraftwerken anzweifeln. Wie die Vorgänge in Fukushima und Tschernobyl gezeigt haben, ist der Super-Gau kein zu vernachlässigendes Restrisiko. Und wenn man sich anschaut, dass es weder in Frankreich noch in Finnland gelingt, neue EPR-Reaktoren umzusetzen, dass deren Kosten explodieren und dass in Finnland Olkiluoto 3 sogar schon fast zehn Jahre hinter dem Zeitplan herhinkt, wo sogar fraglich ist, ob das Projekt überhaupt fertiggestellt wird, hat man eigentlich genug Argumente, das Projekt im britischen Hinkley Point zu begraben. Selbst die ungelöste Endlagerfrage und die dafür ungeklärten extremen Kosten muss man dabei nicht anführen.

In Britannien kommt es sogar noch viel schlimmer, weshalb auch der Standard aus Wien kommentiert, dass es schlicht "ökonomischer Wahnsinn" ist. Verwiesen wird auf die extremen Baukosten, die schon jetzt auf 21,4 Milliarden Euro beziffert werden. Schaut man sich an, was in Flamanville und Olkiluoto abgeht, darf man kaum damit rechnen, dass es dabei bleibt. Ursprünglich sollte der EPR in Finnland nur drei Milliarden kosten, mindestens die dreifache Summe wird er real kosten. Iin Frankreich sollen es sogar mindestens 10,5 werden. Zählt man die bisher geschätzten Kosten für diese beiden Reaktoren zusammen, hat man den Preis, den man für die beiden Meiler in Großbritannien nun budgetiert.

Am AKW Hinkley Point sollen die neuen Reaktoren gebaut werden. (Bild: Bild: Richard Baker/CC-BY-SA-2.0 )

Doch beide Reaktoren sind nicht fertiggestellt und können sogar noch viel teurer werden. In Flamanville ist unklar, ob der Druckbehälter extrem teuer ausgetauscht werden muss. Denn über "Anomalien" in der Normandie kam der Skandal um gefälschte Sicherheitszertifikate durch den staatlichen Kraftwerksbauer Areva ans Licht, der zwischenzeitlich zur Abschaltung eines Reaktors in Fessenheim führte.

AKW-Bau nur mit massiverSubventionierung möglich

Die britische Regierung hat am Donnerstag grünes Licht für Hinkley Point nur deswegen gegeben, weil man diese extremen Kosten dem Verbraucher und Steuerzahler aufbraten kann und weil andere Interessen damit verbunden sind. Doch letztlich wird dieses Atomkraftwerk dafür stehen – wenn es denn tatsächlich umgesetzt wird -, dass das Märchen vom angeblich billigen Atomstrom definitiv beerdigt ist. Für den Verbraucher wird das jedenfalls ein sehr teurer Spaß. Das wissen auch Atomkraftwerksbetreiber, die sich wie Iberdrola in Großbritannien erneuerbaren Energien zuwenden, weil "Atomkraftwerke wirtschaftlich nicht tragbar sind".

Hinkley Point ist ein Paradebeispiel dafür, dass nur massive Subventionierung einen Neubau ermöglicht. Die Meiler werden nur errichtet, weil London den französischen EDF-Konzern und dem chinesischen Staatskonzern CGN einen mit der Inflation steigenden Preis zur Abnahme des Stroms von anfänglich 92.50 Pfund (fast 109 Euro) pro Megawattstunde garantiert. Das ist das Doppelte des heutigen Marktpreises! Man hat es also mit einer enormen Subventionierung von EDF und CGN zu tun, die von der EU-Kommission schon genehmigt wurde, wogegen allerdings Österreich und einige Ökostromversorger klagen.

Die neue britische Regierungschefin, die noch im Juli starke Bedenken hatte und die Entscheidung deshalb verschob, will es sich ganz offensichtlich wegen des Brexit und den angestrebten engen Wirtschaftsbeziehungen zu China und der europäischen Gemeinschaft mit Frankreich und China nicht verscherzen. Ökonomisch, das weiß auch Theresa May, ist das Projekt Wahnsinn. Und es trägt nicht einmal zur Versorgungssicherheit bei, wie Flamanville und Olkiluoto zeigen.

Es geht auch um das Überleben der französischen Atomkraftwerksindustrie

Doch May klangen wohl noch immer die Worte des chinesischen Botschafters in den Ohren, der mit Blick auf das Projekt schon von einem "kritischen historischen Augenblick" in den Beziehungen des Königreichs zu China gesprochen hatte, als sie im Juli die Überprüfung des Projekts angeordnet hatte.

Klar ist auch, dass es auch ums Überleben der französischen Atomkraftwerksindustrie geht. Nun wird die französische Regierung in den Brexit-Verhandlungen deutlich zurückhaltender sein, zuvor wollte sie noch Härte zeigen. Es ist aber bekannt, dass der EPR-Bauherr Areva längst pleite ist und aufgespalten werden muss. Die Lasten werden zu einem guten Teil der EDF aufgehalst, die sich zu 85% in Staatshand befindet, aber ebenfalls schon hoch verschuldet ist.

Und auch dort ist das Projekt trotz der Milliardensubventionen umstritten. Denn es birgt trotz allem enorme Risiken, wie man an den übrigen EPR-Baustellen sehen kann. Deshalb war schon der EDF-Finanzchef Thomas Piquemal aus Protest gegen Hinkley Point zurückgetreten und hatte vor einem finanziellen Abenteuer gewarnt, das die EDF in "eine ähnliche Situation wie Areva" bringen könnte.

Im Juli, als die EDF grünes Licht für Hinkley Point gab, trat auch das Verwaltungsrats-Mitglied Gérard Magnin zurück, weil er den Kurs des Unternehmens nicht weiter unterstützen könne. Beide ehemaligen Führungskräfte sind sich dabei sogar einig mit der kommunistischen Gewerkschaft CGT. "Zu behaupten, dass Hinkley Point die Nuklearbranche retten wird, ist intellektueller Betrug und ein politischer Fehler", meint diese. Jetzt verweisen sie zudem darauf, dass die Briten zusätzliche Bedingungen aufgestellt hätten, womit die Risiken noch steigen dürften.