Flexibler Secu Fence um das Oktoberfest

Luftaufnahme der Theresienwiese, auf der das Oktoberfest stattfindet. Foto: Stefan Weigel. Lizenz: CC BY-SA 2.5

Zaun soll sich im Panikfall innerhalb von 50 Sekunden öffnen lassen

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Neue Oktoberfestverordnung und mehr Sicherheitskräfte

Nachdem die neuen Sicherheitsmaßnahmen am 17. August vorgestellt wurden, hat der Feriensenat des Münchner Stadtrats am 24. August 2016 einstimmig die neue Oktoberfestverordnung beschlossen.

Darin wird beispielsweise festgelegt, dass es Besuchern der Festwiese zusätzlich zu den schon bestehenden Restriktionen nicht erlaubt ist, Rucksäcke (beziehungsweise große oder schwere Taschen mit einem Fassungsvermögen von mehr als drei Litern) auf das Festgelände mitzubringen. Auf Nachfrage wurde erläutert, dass als Referenz für das Fassungsvermögen drei 1-Liter-Milchtüten herangezogen würden (vgl. Oktoberfest 2016: Rucksackverbot und Zaun).

Die Entscheidung über die Zulässigkeit liegt im Einzelnen beim Ordnungsdienst. Dieser kann in begründeten Fällen, insbesondere für den Transport erforderlicher medizinischer Geräte und Arzneimittel, Ausnahmen vom vorgenannten Verbot zulassen. Diese Taschen müssen von den Ordnungskräften mit einer "Security Check-Banderole" versehen werden. Das Mitbringen von Kinderwagen bleibt wie bisher zu manchen Zeiten erlaubt, das Schieben von Fahrrädern jedoch nur in bestimmten Randbereichen des Wies‘n-Geländes.

Um eine Panik in den Festzelten zu vermeiden ist auch in diesem Jahr der unberechtigte Einlass von Besuchern in geschlossene Festzelte untersagt. Das betrifft insbesondere den Einlass gegen Entgelt oder einen geldwerten Vorteil.

Die Polizei soll in diesem Jahr bis zu 600 Beamte im Einsatz haben. Das wären rund 100 mehr als in den vergangenen Jahren. Statt 19 Video-Überwachungskameras wie im letzten Jahr sollen 29 Kameras eingesetzt werden. Auch bei den von der Stadt München engagierten Ordnungskräften wurde aufgestockt. Statt zuvor 250 kommen jetzt 450 Ordnungskräfte zum Einsatz, die zuvor polizeilich überprüft und in Deeskalation geschult worden sein sollen.

Eingezäunte Festwiese

Zusätzlich zu den in der Oktoberfestverordnung festgelegten Maßnahmen wird in diesem Jahr das Wies'n-Gelände eingezäunt. Anders als bei sonstigen Einzäunungen, welche das Ausbrechen aus dem umzäunten Bereich verhindern sollen, will man mit dem Oktoberfestzaun ein Eindringen von möglichen Attentätern auf das Festgelände von außen verhindern.

Zum Einsatz kommt ein flexibler Secu-Fence-Zaun wie er in zahlreichen Fußballstadien eingesetzt wird. Der feinmaschige Zaun soll nicht überstiegen werden können und sich im Panikfall vom am Zaun platzierten Sicherheitspersonal innerhalb von 50 Sekunden öffnen lassen. Ob dies dann in der Praxis auch funktioniert, lässt sich zuvor nicht mit absoluter Sicherheit sagen.

An Prognosen hinsichtlich des Auftretens einer Massenpanik wagt sich aus nachvollziehbaren Gründen niemand. Und so konzentriert man sich auf gute Ratschläge, beim Auftreten einer Massenpanik, nicht zu stürzen und immer aufrecht stehen zu bleiben. Zudem solle man sich von harten Begrenzungen wie Mauern, Masten und Ähnlichem fernhalten. Dass dort die Verletzungsgefahr am größten sei, versuchte man anhand von Video-Aufzeichnungen belegen, wie sie vom Love-Parade-Unglück in Duisburg vorliegen. Am 24. Juli 2010 waren dort 21 Menschen zu Tode gekommen.

Physik statt Panik?

Aus ethischen Gründen lassen sich Massenpaniken nicht zu Forschungszwecken auslösen und dann analysieren. Somit bleiben nur Studien anhand vorhandener Videoaufzeichungen vergangener Unglücksfälle. Und die kommen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies gilt beispielsweise für eine Studie von Dirk Helbing, Soziologieprofessor an der ETH Zürich, und seiner Untersuchung des Unglücks von Duisburg.

Helbing kam zum Ergebnis, dass die vielfach vorgebrachte Erklärung einer Massenpanik als Auslöser des Unglücks falsch ist. Er fand in den gesichteten 500 Videos keine hinreichenden Belege dafür, dass die Besucher der Love Parade im Tunnel vor dem Festivaleingang die Nerven verloren hätten und sich mit Panik angesteckt und rücksichtslos verletzt hätten. Es sei nicht Panik, sondern Physik gewesen.

Ab einem gewissen Punkt, so Helbing, würden Menschenballungen so dicht, dass die in der Masse wirkenden Kräfte für den Einzelnen tödlich sein können. Werde beispielsweise eine Fläche pro Quadratmeter mit etwa sieben Personen belegt, so werde die Menschenmenge praktisch zu einer flüssigen Masse. Durch diese Masse könnten Schockwellen laufen, welchen der Einzelne hilflos ausgeliefert sei.

Die wirkenden Kräfte seien immens. Schuhe und Kleider würden den betroffenen Personen weggerissen. Zudem würde das Atmen erschwert, weil die Lungen zusammengepresst würden. Dass Ersticken in Duisburg als häufigste Todesursache festgestellt wurde, würde diese Theorie bestätigen. Somit wäre die Panik nicht Ursache der Todesfälle, sondern Folge der erkannten Lebensgefahr. Prof. Helbing war leider für eine Stellungnahme zu seiner in der Studie entwickelten Idee der physikalischen Unglücksursachen nicht erreichbar.

Sichere Wies'n?

Das Oktoberfest stand schon in der Vergangenheit vor dem Dilemma, dass man einerseits möglichst vielen Besuchern die Gelegenheit geben wollte, in geselliger Stimmung den Umsatz der Wies'n-Wirte zu mehren, andererseits Überfüllung zu vermeiden. Dies betrifft nicht nur die Zahl der Besucher, sondern auch deren Zustand

Mit der neuen Oktoberfestverordnung und den zusätzlichen Maßnahmen wie der Einzäunung des Geländes versucht die Stadt München den Wies'n-Besuchern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Ob dies letztlich zum Ziel einer sicheren Wies'n führt, lässt sich erst nach dem Ende des größten bayerischen Auftriebs beurteilen.