Nordirak: Die kurdische Autonomieregion in der Krise

Masoud Barzani im April 2016. Bild: DoD

Barzani, Boss der autonomen Region Kurdistan im Irak, unterstützt von der Bundesregierung, boxt alle politischen Alternativen weg

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Die kurdischen Peschmerga-Milizen sind sich im Umgang mit der PKK uneins. Der amtierende Präsident der autonomen Region Kurdistan im Irak, Masoud Barzani, und seine auch von der Bundeswehr unterstützte Peschmerga-Fraktion möchten die PKK im Kandil-Gebirge am liebsten los werden. Allerdings kämpfen die Perschmerga bei Kirkuk, im Süden des Autonomiegebietes, kämpfen zusammen mit der PKK gegen den IS.

Die Haltung Barzanis gegenüber der PKK lässt wenig Fragen offen. Seine Partei, die KDP (Demokratische Partei Kurdistans), schließt Büros von kurdischen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Sie passen nicht zur politischen Ausrichtung des konservativen Barzani, weil sie mit Rojava, der nordsyrischen demokratischen Föderation, sympathisieren. Die in Rojava dominierende Partei PYD ist Barzani ein Dorn im Auge, er sieht in ihr vor allem einen Ableger der PKK.

Seine Abneigung gegen die demokratische Autonomieregion in Syrien demonstriert er immer wieder mit der Schließung der Grenze zwischen der von ihm beherrschten Autonomie-Region im Irak und der nordsyrischen demokratischen Föderation Rojava.

Währenddessen spitzt sich die ökonomische Krise in der Region dramatisch zu. Auch deshalb wird immer mehr Kritik an der Politik Barzanis laut. Die KDP reagiert darauf mit Repressionen.

Türkische Luftwaffe greift Ziele im Nordirak an

Mitte September bombardierte die türkische Luftwaffe erneut Ziele der PKK im Kandil-Gebirge. Irakisch-kurdische Behörden sowie zentrale Regierungsbeamte in Bagdad kritisierten daraufhin zum wiederholten Male die Türkei: Solche grenzüberschreitenden Aktivitäten gegen die PKK würden die territoriale Souveränität des Irak verletzen.

Der irakische Außenminister Ibrahim al-Jaafari erklärte in einer Pressemitteilung, dass die irakische Regierung es der Türkei nicht erlauben werde, auf irakischem Boden so zu intervenieren, wie sie es in Syrien tue. Er forderte die türkische Regierung auch auf, ihre Truppen aus dem nahe Mosul gelegenen Baschika-Lager abzuziehen.

Dies hatte der irakische Ministerpräsident al-Abadi auch schon im Juni gefordert:

Bagdad lehnt die Teilnahme türkischer Soldaten an der Befreiungsoperation in Mosul ab

All das ignoriert die Türkei seit Monaten. Sie besteht darauf, an der geplanten Mosul-Offensive gegen den IS teilzunehmen. Im Irak werden als Grund Hintergedanken der Türkei vermutet: Seit 1918 erhebt sie Anspruch auf Mosul.

1924 entschied dann der damalige Völkerbund, dass Mosul aufgrund der mehrheitlich kurdischen Bevölkerung dem Irak zugeteilt würde. Dagegen protestierte die Türkei. Erst im Juni 1926 akzeptierte sie in einem Vertrag mit Großbritannien die Zugehörigkeit Mosuls zum Irak. Bis heute versucht die Türkei allerdings, Einfluss auf diese Region zu nehmen.

Peschmerga aus Kirkuk kämpfen mit den PKK-Einheiten gegen den IS

Westa Resul, Kommandant der Peshmerga an der Kirkuk-Front, kritisierte am vergangenen Montag den turkmenischen irakischen Parlamentsabgeordneten Erşet Salih. Salih hatte die PKK-Einheiten in Kirkuk als "Terror- und Besatzungsmacht in Kirkuk" bezeichnet. Sie würden die kurdisch-turkmenischen Beziehungen in der Region gefährden, warf ihnen der Turkmenenführer vor.

Erșet Salih ist Vorsitzender der ITF (Iraqi Turkmen Front - Front irakischer Turkmenen), einem Bündnis verschiedener irakisch-turkmenischer Parteien, die enge Beziehungen zur Türkei unterhalten und von dort militärisch und finanziell unterstützt werden.

Der Kommandant der Peshmerga , Westa Resul, erklärte demgegenüber, dass sich die in Kirkuk stationierten PKK-Einheiten auf Bitten des Gouverneurs Necmettin Kerim dort befänden - um gegen den IS zu kämpfen.

Kräfte, die dazu beigetragen haben, eine internationale Koalition für den Kampf gegen den IS zu organisieren, und innerhalb dieser nun gegen den IS kämpfen, kann man nicht als terroristisch hinstellen. Diejenigen, die diese Behauptung aufstellen, sind die Terroristen.

Westa Resul

Die Einheiten hätten hunderte Kilometer zurückgelegt, um an den härtesten Fronten in Wehdê, Mattar und Dakuk kämpfen, ergänzte Resul.

Erbil, Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Bild: jan kurdistani/CC BY-SA 2.0

Barzanis Herrschaft: Jede Alternative wird rigoros weggedrückt

Masoud Barzanis Amtszeit als Präsident der Kurdischen Autonomieregion (KRG) ist schon seit dem 19. August 2015 abgelaufen. Wahlen haben seitdem nicht stattgefunden. Die anderen, im kurdischen Parlament vertretenen Parteien, die PUK und Gorran, sind im Parlament in Erbil in Barzanis Herrschaftsbereich zunehmenden Repressionen ausgesetzt. (vgl. Barzani plant Referendum für einen unabhängigen kurdischen Staat). Der Parlamentssprecher, der zur Gorran Partei gehört, darf z.B. seit einem Jahr nicht in die kurdische Hauptstadt reisen.

Barzani sorgt jedoch nicht nur bei den politischen Parteien dafür, dass kein Widerstand aufkeimt, sondern auch bei zivilen Organisationen, deren Ausrichtung ihm nicht genehm ist. Anfang Juni 2016 haben Sicherheitskräfte der kurdischen Regionalregierung das Kurdische Zentrum für Frauenangelegenheiten (REPAK) in Erbil gestürmt, das Büro geschlossen und die Mitarbeiterinnen aus der Stadt verbannt. Die drei Frauen wurden nach der Durchsuchung der Räume von den Sicherheitskräften an die Stadtgrenze gefahren und hinter dem Checkpoint mitten auf der Straße nach Kirkuk abgesetzt. Mittlerweile befinden sie sich in Suleymaniye.

Um neun Uhr morgens haben schwerbewaffnete Sicherheitskräfte unser Büro betreten. Ohne uns irgendwelche Dokumente vorzuzeigen, haben sie uns aufgefordert mitzukommen. Uns wurde trotz beharrlicher Fragen keinerlei Grund genannt. Sofort wurden unsere Ausweise und unsere Handys beschlagnahmt, damit wir niemanden informieren. Obwohl ich gesagt habe, dass ich deutsche Staatsangehörige bin und das Konsulat informieren möchte, wurde mir dies verwehrt.

Meral Cicek,Vorsitzende des Frauenzentrums REPAK in Erbil

Das Frauenzentrum REPAK gab es seit 2014. Es bemühte sich um die Vernetzung kurdischer Frauen in den Ländern des Nahen Ostens und Europas. Gleichzeitig war es auch eine zentrale Anlaufstelle für Journalistinnen und Journalisten und Delegationen bei Reisen nach Rojava/Nordsyrien oder ins Shengal-Gebiet, dem Hauptsiedlungsgebiet der Eziden.