Syrien: Weitere Aufrüstung der Dschihadisten?

Golfstaaten planen angeblich die Ausstattung von Milizen mit Manpads

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Der Sprecher des US-Außenministeriums Mark C. Toner hatte am Montag einige Mühe zu erklären, wie der Stand der Dinge zwischen den USA und Russland in Syrien ist. Er manövrierte zwischen zwei Polen: Das Abkommen ist so gut wie tot, auf jeden Fall weit davon entfernt realisiert zu werden, und dass es vielleicht noch eine Chance gebe, auf jeden Fall müsse jede Chance genützt werden.

Der Ball, so Toner, liege im russischen Spielfeld. Die Starthilfe, die man in Washington erwarten würde, wäre das Signal, dass syrische und russische Flugzeuge am Boden bleiben und eine Angriffspause machen.

Wie es aussieht, werden weder die russische Regierung noch die syrische diesen Schritt machen. Der russische Un-Botschafter Witali Churkin erklärte am Sonntag , dass Russland keine unilateralen Schritte mehr unternehme.

Im Kreml sah man die Erfolge der ersten Tage des Waffenruhe als Resultate der Bemühungen in Damaskus und in Moskau, wohingegen man darauf wartete, dass die USA mit ihrem Teil der Abmachung - die Absonderung der "moderaten Opposition" von der al-Nusra-Front - erfüllen würde. Dies gelang nicht.

Abdallah al-Muhaysini, al-Qaida-Ideologe des syrischen Dschihad und Kampfgenossen. Screenshot, YouTube

Dann kam der Schlusspunkt des Gewalteindämmungs-Abkommens mit dem Angriff auf den Hilfskonvoi.

Seither folgt in den westlichen Medien ein bestürzender Bericht über Bombenangriffe auf Aleppo dem anderen, hingewiesen wird auf eine katastrophale Situation, zerstörte Stadtteile, verzweifelte Helfer (immer die obskuren White Helmets, die den Gegnern der Assad-Regierung nahestehen) - "Vergleichbar mit Gräueltaten im 2.Weltkrieg, 100.000 Kinder sind in Gefahr", lauten Schlagzeilen und Zitate, die nicht nur im öffentlichen Raum wiederholt werden, sondern auch im privaten Gespräch.

Dazu gibt es seit einem Jahr einen ausgemachten Schuldigen: Russland. Wie immer formuliert das Stefan Kornelius in der SZ exemplarisch in der Manier von Erzählungen für Kinderherzen, wo das Böse und das Gute säuberlich getrennt wird:

Dies ist der Unterschied zwischen der Strategie Russlands und der USA: Washington will den Krieg eindämmen in der Hoffnung, er ließe sich schon irgendwie befrieden. Moskau will ihn für das Assad-Regime gewinnen. Washington balanciert unsicher zwischen den Lagern. Moskau hat sich für das Unrecht von Assad entschieden. Washington schreckt vor Gewalt zurück.

Stefan Kornelius

Als ob die jahrelange Bewaffnung der Opposition, die die Katastrophe herbeiführte kein Beitrag zur Gewalt wäre. Daran war Washington beteiligt, direkt und indirekt. Aber die Opposition kommt in dieser Blickverengung von Kornelius gar nicht vor. Dann wäre Wirklichkeit ja schwieriger zu vermitteln.

Dass in Syrien ein Proxy-Krieg geführt wird, interessiert Kornelius nur in Bezug auf die Konfrontation Russland und USA. Es gibt noch andere Beteiligte: die Türkei, Saudi-Arabien, Iran und die Golfstaaten, die ebenfalls wichtige Rolle spielen.

Bemerkenswert ist dazu die Bemerkung eines Aktivisten der syrischen Opposition, der eine längere Zeit als Vorzeige-Oppositionspolitiker porträtiert wurde und auch entsprechende Positionen in den Oppositionsvertretungen einnahm: Louay Hussein. Hussein, der vor dem Krieg schon in der Opposition war, in einer kommunistischen Partei, erklärte kürzlich gegenüber al-Monitor, dass die Syrer wegen der Proxy-Interessen längst keine Entscheidungshoheit mehr hätten. Was die Opposition anbelangt, geht insbesondere mit "der Revolution", welche die Dschihadisten von al-Nusra ausgerufen haben, ins Gericht.

Er erwähnt in diesem Zusammenhang auch den Hohen Verhandlungsrat, der in Saudi-Arabien als Oppositionsvertretung für die Genfer Gespräche zusammengestellt wurde, dem er auch angehörte und den er wegen des Außeneinflusses verließ, wie dem Gespräch mit al-Monitor zu entnehmen ist.

Laut einer Reuters-Meldung denken die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien gerade laut darüber nach, die bewaffneten Oppositionsmilizen, die, wie sich gezeigt hat, in der überwältigenden Mehrheit eng mit al-Nusra verflochten sind, mit Manpads auszurüsten, die gegen Flugzeuge gerichtet werden. Geht es nach Reuters, das sich auf ungenannte US-Vertreter stützt, so wäre auch in Teilen der US-Regierung eine Bereitschaft dafür da.

Die Opposition hat ein Recht, sich zu verteidigen, und sie werden nicht ohne Verteidigungsmöglichkeiten gelassen angesichts dieses Bombardements.

US-Vertreter

Möglich, dass dies nur ein Drohung ist, um den Verhandlungsprozess wieder anzuschieben. Mark Toner sprach sich in der Pressekonferenz gegen Waffenlieferungen aus. Im Außenministerium und im Weißen Haus dürfte die Bereitschaft dazu jedenfalls nicht ausgeprägt sein. Aber die andere Frage ist, wie groß der Einfluss der scheidenden Obama-Regierung auf die Partner Saudi-Arabien und Katar noch ist.

Die Situation in den angegriffenen Vierteln in Aleppo ist nach Angaben von Bewohnern grauenhaft wegen der Luftangriffe. Dabei spielen die Oppositionsmilizen keine gute Rolle, sie verhindern die Flucht.