Streit unter deutschen Patrioten

Am 3.10.1990 in Berlin: Hunderttausende waren dabei, als vor dem Reichstag die schwarz-rot-goldene Bundesfahne gehisst wurde. Bild: Peer Grimm, Deutsches Bundesarchiv (183-1990-1003-400). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Wenn Rechte die Einheitsfeier in Dresden stören, darf nicht vergessen werden, dass ihre Wurzeln in den Herbst 1989 reichen

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Der Grünenpolitiker Matthias Oomen hat mit einem Scherz nicht nur die rechte Szene, sondern alle deutschen Patrioten aufgebracht. Dabei hat er den Fund einer Fliegerbombe mit den Worten kommentiert: "DD Fliegerbombe. Das lässt ja hoffen Do! It! Again!"

Damit erinnerte er an den Slogan "Bomber Harris do it again", mit dem in den 1990er Jahren antideutsche Antifas gegen die deutschen Verhältnisse anstänkern wollten. Damals gehörte der Publizist Jürgen Elsässer zu den Unterstützern der Parole. Dafür muss er bei seinen jetzigen politischen Gesinnungsgenossen wohl noch Abbitte leisten, schließlich greift er in seinem Querfrontmagazin Compact jetzt Oomen besonders heftig dafür an, dass er noch an eine Zeit erinnert, wo die Kritik an Deutschland noch zu den Medienereignissen gehörte. Das hat sich mittlerweile geändert. Im Jahr 2016 gab es auch in Dresden vom Bündnis "Nationalismus ist keine Alternative" organisierte Proteste gegen die Einheitsfeier und ihre rechten Kritiker.

Wenn zivilgesellschaftliche Organisationen vom fehlenden Anstand statt von Rassismus sprechen

Doch medial wurden die Pöbeleien einiger hundert Rechter aus dem Umfeld der zerstrittenen Pegida-Bewegung wahrgenommen, die Merkel, Gauck und andere geladenen Gäste als Volksverräter beschimpften und mit Trillerpfeifen auspfiffen. Während selbst das zivilgesellschaftliche Bündnis Atticus, statt von Rassismus und rechten Populisten zu sprechen, nur monierte, dass Respekt und Anstand immer weniger Geltung besitzen würden, erwähnte die Zeit immerhin, wer auch am 3. Oktober die eigentlichen Opfer deutscher Patrioten waren: "Ein dunkelhäutiger Mann, der zum Gottesdienst wollte, wurde mit "Abschieben"-Rufen empfangen." Schon im Vorfeld der turnusmäßig rotierenden Einheitsfeierlichkeiten wurde diskutiert, ob es klug ist, diese in Dresden, der Stadt von Pegida, zu begehen oder abzusagen. Besonders nach den Anschlägen gegen eine Moschee und ein Kongresszentrum, die zunächst linken Gruppen untergeschoben werden sollten, wurde die Kritik am Austragungsort Dresden lauter.

Einheitsfeier selber ist das Problem und nicht nur der Ort

Doch selbst die Gegner dieses Ortes stellten nicht die Einheitsfeierlichkeiten in Frage, sondern beeilten sich zu betonen, dass man eigentlich niemand das Feiern vermiesen soll. Genau darin liegt das Problem.

Am 3.Oktober wird nämlich genau jene "Wir sind ein Volk-Bewegung" gefeiert, die im Herbst 1989 mit schwarzrotgoldenen Fahnen und Deutschland-Deutschland-Rufen von Sachsen ausgehend die Straßen und Plätze der ehemaligen DDR überrollten. Schon damals waren die wenigen Menschen, die nicht ins deutsche Reinheitsgebot passten, beispielsweise Vertragsarbeiter aus Vietnam, Angola oder Mozambique, zur Zielscheibe der deutschen Patrioten geworden.

Opfer dieser deutschen Patrioten wurden auch schnell die Kräfte in der DDR-Opposition, die gegen die autoritäre SED-Herrschaft auf die Straße gingen und für eine demokratische DDR, aber nicht für eine Wiedervereinigung kämpften. Das Wort von den Wandlitzkindern machte schnell die Runde, weil manche dieser Oppositionellen aus Familien kamen, die nach dem 2. Weltkrieg in der DDR eine neue Republik aufbauen wollten.

Die Patrioten wurden im Herbst 1989 nicht nur mit Fahnen und Infomaterial aus der BRD gesponsert. Daran beteiligten sich auch rechte Parteien wie die Republikaner, die durchaus als AfD-Vorläufer gelten können. Aber auch die Unionsparteien hatten ein großes Interesse, in Ostdeutschland eine nationalistische Bewegung aufzubauen, die statt einer erneuerten DDR den schnellen Anschluss an die BRD favorisieren.

Seit Ende Oktober 1989 wird dafür systematisch Stimmung gemacht. Dafür gehen die Unionsparteien das Bündnis mit der ultrarechten Deutschen Sozialen Union ein, von deren Kadern der ersten Stunde sich viele in weiteren rechten Kleinstgruppen und heute in der AfD wiederfinden.

Wenn am 3. Oktober die deutsche Einheit gefeiert wird, dann wird auch der Sieg über die DDR-Opposition gefeiert, die genau diese Einheit abgelehnt hatte. Der Runde Tisch der DDR hatte unter maßgeblicher Federführung dieser Gruppen den BRD-Parteien verboten, sich in den Wahlkampf für die Volkskammer im März 1990 einzumischen. Von allen BRD-Parteien wurde dieser Beschluss ignoriert.

Wenn heute oft behauptet wird, die Einheitsfeiern wären eine Sache der DDR-Opposition, wird nur deutlich, wie gründlich die deutschen Patrioten gesiegt haben. Sie haben die Geschichte der DDR-Opposition der ersten Stunde und ihrer Ziele weitgehend verdrängt. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass sich manche von ihnen dem Sog zur Einheit nicht versagten konnten oder wollten und stillschweigend ihre ursprünglichen Ziele revidierten. Doch es gibt noch immer kleine Gruppen der DDR-Opposition, die an den Ursprungszielen festhalten. Für sie ist der 3. Oktober kein Feiertag, sondern der Endpunkt einer Niederlage.