Containment oder Eskalation?

US- und malaysische Marine beim Manöver. Bild: US-Verteidigungsministerium/gemeinfrei

Die geopolitischen Spannungen in Südostasien drohen zu eskalieren. Scheitert Washingtons Eindämmungsstrategie gegenüber dem machtpolitisch aufstrebenden China?

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Nach dem Zusammenbruch der kurzlebigen Waffenruhe in Syrien scheint die Weltöffentlichkeit gebannt die Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen in dem geschundenem Bürgerkriegsland zu verfolgen, die mit einer gefährlichen Verschärfung des neoimperialistischen Machtkampfes zwischen Russland und den USA einhergeht.

Während das syrische Regime seine mörderische Bombenkampagne gegen das östliche Aleppo intensivierte, der Dutzende Zivilisten in den vergangenen Tagen zum Opfer fielen, gehen die islamistischen Oppositionsmilizen zur Offensive gegen die von Regimekräften gehaltene Stadt Hama über.

Zuletzt gelang es den Islamisten, das symbolträchtige Dorf Maan zu einnehmen, wo während eines kurzfristigen Vorstoßes im Februar 2014 Dschihadisten ein Massaker an der alewitischen Bevölkerung verübten. Die syrischen Regimekräfte konnten damals das Dorf nach wenigen Tagen zurückerobern - das sie nun abermals verloren geben mussten.

Geopolitische Spannungen in Fernost

Diese Eskalation in Nahost drängt in der öffentlichen Wahrnehmung das zunehmende Säbelrasseln in den Hintergrund, das die geopolitischen Spannungen in Fernost begleitet. Dabei sind beide Konfliktherde Teil eines geopolitischen Great Game, bei dem die im imperialen Abstieg befindlichen USA eine Eindämmungsstrategie gegen "eurasische" imperiale Herausforderer aus Russland und China verfolgen.

Auf der militärnahen US-Website Defense News wurden Mitte September Strategien debattiert, wie mit der Präsenz sogenannter chinesischer "Milizschiffe" im Südchinesischen Meer umzugehen sei, wobei eine konfrontative Strategie der öffentlichen Bloßstellung propagiert wurde. Laut Defense News hat Peking eine hunderte, formell zivile Schiffe umfassende "quasi-militärsche organisierte Seemiliz" aufgestellt, die der chinesischen Armeeführung direkt unterstellt sein soll.

Die informelle Miliz werde von Peking benutzt, um bei den schwelenden Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen, indem die Schiffe bei Konfrontationen eingesetzt werden. Als Beispiel führten Defense News einen 2009 zurückreichenden Vorfall an, bei dem ein US-Spionageschiff im nördlichen Südchinesischen Meer von zwei chinesischen Trawlern bedrängt wurde.

Die maritime chinesische Miliz, die öffentlich herauszufordern im Umfeld des US-Militärestablishments diskutiert wird, bildet wahrlich nicht den einzigen potenziellen Funken, der das geopolitische Pulverfass im Südchinesischen Meer hochgehen lassen könnte. Ende September kündigte Peking an, eine Drohnenflotte aufzubauen, um seine Gebietsansprüche in dem strategisch wichtigen Gewässer zu untermauern.

Die unbemannten Fluggeräte sollen vor allem über die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer wachen, die sowohl von China wie auch von Japan beansprucht werden. Zudem werden die chinesischen Drohnen bei der Überwachung der von Peking beanspruchten Territorien im Südchinesischen Meer zum Einsatz kommen, die ohnehin seit August von einem hochauflösenden chinesischen Satelliten permanent kontrolliert werden.

Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer

Durch das Südchinesische Meer verläuft eine der wichtigsten Seehandelsrouten der Welt, auf der jährlich Waren im Wert von fünf Billionen US-Dollar befördert werden. Zudem soll die Region über Ressourcenvorkommen und große Fischbestände verfügen. Neben den Streitigkeiten zwischen Japan und China im Ostchinesischen Meer (Senkaku-Inseln) haben auch Vietnam, die Philippinen, Malaysia und Taiwan Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer angemeldet.

Die umstrittene Meereszone erstreckt sich zwischen China im Norden, Vietnam im Westen, den Philippinen im Osten und Malaysia im Süden. China beansprucht rund 80 Prozent des Südchinesischen Meers für sich, wobei die Führung in Peking inzwischen dazu überging, ihre Ansprüche durch die Errichtung von Bohrtürmen, die Aufschüttung von Inseln samt Häfen und Flugplätzen, sowie die Stationierung von Militäreinheiten zu untermauern.

Ansprüche im Südchinesischen Meer; das Gebiet der Spratly-Inseln ist separat markiert. Bild: Wikipedia/VOA/gemeinfrei

Diese geopolitischen Spannungen können sich sehr schnell in Gewaltakten entladen. So haben chinesische Schiffe jüngst ein vietnamesisches Fischerboot in der Nähe der umstrittenen Paracel-Inseln gerammt und versenkt. Gefährliche Zwischenfälle werden auch immer wieder bei Spionageflügen US-amerikanischer Flugzeuge gemeldet.

Zuletzt musste Peking eine Niederlage im maritimen Territorialstreit mit den Philippinen hinnehmen, als ein internationales Schiedsgericht in Den Haag die chinesischen Gebietsansprüche zurückwies. Peking weigerte sich, den Richterspruch zu akzeptieren.

Spannungen zwischen China und Vietnam

Insbesondere die Spannungen zwischen China und Vietnam haben in der Region ein brandgefährliches Niveau erreicht. Peking sprach von einem "schrecklichen Irrtum" Hanois, als publik wurde, dass die vietnamesischen Streitkräfte ein avanciertes Raketensystem auf die umstrittenen Spratly-Inseln positionierten. Die modernen Raketen aus israelischer Fertigung könnten somit die neu errichteten chinesischen Militäreinrichtungen in dem umstrittenen Seegebiet ausschalten.

Der Erwerb dieses modernen Raketensystems war Hanoi nur aufgrund der engen Zusammenarbeit möglich, die Vietnam mit einem einstigem Todfeind sucht: mit den USA. Durch eine enge geopolitische Kooperation mit Washington will Vietnam in der Lage sein, den ambitionierten machtpolitischen Ansprüchen Pekings entgegentreten zu können.

Während des Vietnamkriegs waren zwar China und Vietnam verbündet, doch die Beziehungen beider Staaten sind seit dem kurzen vietnamesisch-chinesischen Grenzkrieg von 1979 stark belastet. Den Aufstieg der Wirtschaftsmacht China, die nun sich anschickt, auch geopolitisch die Region zu dominieren, will Vietnam mittels eines Bündnisses mit den USA entgegenwirken. Auch der chinesisch-indische Antagonismus wird inzwischen von Hanoi mittels extensiver Bündnisdiplomatie bemüht, um ein geopolitisches Gewicht zu China zu schaffen.

USA und Japan

Eine ähnliche, strikt anti-chinesische Motivation treibt auch die militärische Kooperation zwischen den USA und Japan an. Die japanische Führung ist nun bereit, gemeinsam mit US-Streitkräften im Südchinesischen Meer Präsenz zu zeigen. Japanische Kreigsschiffe sollen gemeinsam mit amerikanischen Verbänden in den umstrittenen Seegebiet "Trainingspatrouillen" und Seeübungen durchführen.

Zudem hat Tokio angekündigt, militärische Unterstützung Ländern wie "den Philippinen und Vietnam" zukommen zu lassen, wie der japanische Verteidigungsminister Tomomi Inada Mitte September anlässlich einer Visite in Washington ausführte. Inada machte zudem klar, dass dieses Vorgehen aufs Engste mit der geopolitischen Strategie der USA in der Region verzahnt ist, als er die Verlegung von rund 60 Prozent der Marine und der Luftwaffe der Vereinigten Staaten in den asiatisch-pazifischen Raum bis 2020 begrüßte.

An der militärischen - wie auch handelspolitischen - Kooperation der USA mit beiden Staaten wird die geopolitische Strategie des Containment, des "Eindämmens", des wachsenden chinesischen Einflusses deutlich, die Washington gegenüber Peking verfolgt. Mittels der militärischen Aufrüstung und und einer Pazifischen Freihandelszone (TTP - Trans Pacific Partnership) soll um China im pazifischen Raum eine Kette von US-alliierten Staaten gezogen werden, die eine machtpolitische Expansion Pekings blockieren.

Die Auseinandersetzungen zwischen China und den Staaten der Region um das Südchinesische Meer bilden für Washington somit den praktischen Hebel, um die Allianzbildung im amerikanischen Sinne zu forcieren. Der "Pivot to Asia", den die Obama-Administration ausrief, hatte primär diese anti-chinesische Zielsetzung.