Wie Sahra Wagenknecht dank ZDF zur "Putinistin" wurde

Foto: Peter Bürger

Die Friedensbewegung hat angesichts des vorherrschenden Kriegskurses einen schweren Stand - eine Nachlese zur Berliner Demonstration "Die Waffen nieder!"

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Die Berliner Friedensdemonstration vom vergangenen Samstag hat in den Augen der meisten Medien nicht stattgefunden. Die links, humanistisch und christlich geprägten Reden zu Auftakt und Schlusskundgebung sind ausnahmslos im Netz veröffentlicht. Sie wurden jedoch in der sehr spärlichen Berichterstattung weithin ausgeblendet.

Foto: Peter Bürger

Bei der aktuellen Feindbildproduktion sind Proteste gegen die militarisierte Politik in Deutschland und differenzierte Sichtweisen von Vertretern der Friedensbewegung nicht dienlich. In Moskau, so zeigen es immer mehr Titelfotos, sitzt der Kriegsdämon. Es kann und darf gar nicht anders sein: Die Friedenstauben hierzulande sind auch heute noch alle moskauhörig.

Im Gegensatz zum Online-Auftritt des linken "Neuen Deutschland", in dem friedensbewegte Proteste von NATO-Gegnern inzwischen auch nur noch unter "fernerliefen" und mit wenig Liebe abgehandelt werden, hat das ZDF zumindest einen Ausschnitt aus der Berliner Rede von Sahra Wagenknecht gebracht. Hier nun begegnet uns ein Lehrstück sondergleichen, das den schweren Stand der Friedensbewegung im öffentlichen Diskurs offenbar macht.

Es sei zynisch, so kritisierte Wagenknecht in Berlin, Flüchtlinge zurückzuschicken nach Afghanistan, wo ein Endloskrieg unter deutscher Beteiligung jede Aussicht auf friedliche Lebensverhältnisse verbaut hat. Der Krieg selbst sei das Verbrechen, denn Bomben aller beteiligten Parteien würden in Syrien Menschen ermorden.

Gleichwohl müsse man die selektive moralische Entrüstung von erprobten NATO-Angriffskriegern, zu deren Vorzugspartnern die Waffenlieferanten der Kriegs-Islamisten gehören, als Heuchelei demaskieren. Wie das ZDF sich diese prinzipielle Antikriegs-Botschaft so zurechtschneidet, um Sahra Wagenknecht im Fernsehen als einseitige "Putinistin" vorführen zu können, zeigt ein "Team Sahra" mit einem Video im Internet auf.

Foto: Peter Bürger

Ein Vertreter der alten bundesrepublikanischen Sozialdemokratie wie Erhard Eppler hat 75 Jahre nach Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion an das Erbe Willy Brandts und "Gorbatschows Traum vom Europäischen Haus" erinnert. Auf der Berliner Demonstration wurde dieses Anliegen mit denkbarem Nachdruck vorgetragen vom ehemaligen Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten Michael Müller (SPD), der Vorsitzender der "Naturfreunde" und gewiss kein rechter "Eurasien"-Phantast ist.

Leider kommen auch die sozialdemokratischen Friedensfreunde im öffentlichen Stimmungsbild so gut wie nicht vor. Beim diesjährigen Ostermarsch Rhein-Ruhr hat z.B. der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) unter viel Beifall aus allen Lagern eine bemerkenswerte Rede gehalten: gegen Waffenlieferungen, für nachhaltige - nichtmilitärische - Strategien und für eine Kooperation von Europa, Russland und USA. Weder die Friedens-Botschaft dieses sozialdemokratischen Atomwaffengegners noch der unerwartet gute Besuch des Ostermarsches kamen dann im Medienecho zur Sprache.

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Angesichts der Massenproteste gegen die selektiven "Freihandels"-Regime und der Friedensdemonstration im Rheinland wenige Tage zuvor ist es bemerkenswert, dass 8.000 Leute in Berlin dem Aufruf "Die Waffen nieder!" gefolgt sind. Die Veranstalter haben aus meiner Sicht ihre Hausaufgaben gemacht. Dass mehr Sozialdemokraten und Grüne als sichtbare Unterstützer zurückzugewinnen sind, daran ließen sie schon im September auf ihrer Pressekonferenz keinen Zweifel.

Die Abgrenzung gegen Rechtspopulisten fiel ebenfalls schon im Vorfeld eindeutig aus. Das "Hoch" auf die "Internationale Solidarität" war während der Demonstration und bei der Rede von Kuvvet Ihsan Lordoglu (Initiative "Akademiker für den Frieden" in der Türkei) schwer zu überhören.

Foto: Peter Bürger

Die unverdrossene Berliner Friedensarbeiterin Laura vom Wimmersperg wird schon wissen, dass das Medienecho auch bei 30.000 Teilnehmenden nicht nennenswert anders ausgefallen wäre. In Berlin gab es Demonstrationsabschnitte mit beschwingter Musik und sehr guter Laune. Davon darf es beim nächsten Mal ruhig noch mehr geben. Ein kleines handgemaltes Transparent, mit einem Lächeln am Straßenrand dargeboten, geht mir nicht aus dem Kopf. Es zeigte die Erde: "It’s a planet - not an empire."