Syrien-Konferenzen: Den Druck auf Russland erhöhen, die Opposition stärken

Der britische Außenminister Boris Johnson gibt den Beißer. Er kritisiert den mangelnden Willen im Westen zu militärischen Interventionen

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Über Wochen wurde die Öffentlichkeit in den USA, in Großbritannien, in Frankreich, Italien und in Deutschland mit herzzerreißenden Bildern von blutenden Kindern, die aus Trümmern gerettet wurden, konfrontiert. Täglich wurde die Zerstörung in Aleppo vor die Augen der im Wohlstand Lebenden vorgeführt, ganze Häuserzeilen, die zu Schutt zerfallen sind. Der moralische Fingerzeig in den westlichen Medien deutete stets auf die beiden Verantwortlichen, die syrische Regierung und Russland.

Kämpfer der Jabhat al-Sham mit einem TOW. Die Miliz gehört, wie rechts oben im Signet zu erkennen, der Kampfallianz Fatah Halep an. Trotz der damit einhergehenden Zusammenarbeit mit radikalen Dschihadisten/Salafisten stimmt die CIA Waffenlieferungen an diese Gruppe, die eng mit Ahrar al-Sham verknüpft ist, zu. Fatah Halep arbeitet auch mit al-Nusra zusammen

Das erhöht im Publikum den Druck, dass endlich etwas unternommen wird, von Politikern wird Entschlossenheit erwartet. So gab es in der Öffentlichkeit trotz des Wissens über die verhakten Abläufe in der Mördermaschinerie des syrischen Krieges doch eine vage Hoffnung, dass sich bei den beiden internationalen Treffen zu Syrien am Wochenende, in Lausanne und danach in London, ein Ausweg aus der Sackgasse zeigen würde.

Kerry: Nur "Brainstorming"

Dem war aber nicht so. Das Treffen in Lausanne war nur "Brainstorming", sagte Kerry: Das Meeting habe "Ideen produziert, aber keine Vereinbarungen". In Lausanne traf Kerry mit dem russischen Außenminister Lawrow sowie den Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Iran, Katar, der Türkei und Ägypten zusammen, zugegen war auch der UN-Sonderbeauftragte Staffan De Mistura.

"Das Treffen brachte kein Ergebnis, weil die Teilnehmer keinen Konsens darüber erzielen konnten, wie die Waffenruhe erneuert werden könnte", fasst die russische Sputnik-News zusammen.

In London traf der US-Außenminister Sonntag dann auf konsentierende Kollegen. Der französische, der deutsche und der britische Außenminister teilen grundlegend die Ansicht, dass die Eindämmung der Gewalt in Syrien bei der syrischen Armee und bei der russischen Luftwaffe anzusetzen habe. Die politische Grundausrichtung war klar, aber auch dort hatte man kein Konzept für eine Strategie, die die Erwartung einlösen könnte, die Medien und Politiker der Öffentlichkeit eingeflößt hatten: die Not in Aleppo lindern.

Wie das gehen soll, dafür gibt es aus einem einfachen Grund keine neuen Ideen: Der Westen ist sich darüber einig, dass Assad und Putin in Aleppo nicht unterstützt werden sollen. Also lässt man die von al-Qaida-Abspaltungen dominierten Milizen völlig ungestört und hilft ihnen über Stellvertreter. Indessen singt man weiter den Gassenhauer von den bösen Russen und der bösen syrischen Regierung.

Druck, Druck und nochmals Druck

Das Sprachrohr gab der britische Außenminister Boris Johnson. Er kritisierte die Teilnehmer dafür, dass sie, "um es gelinde zu sagen, in den westlichen Hauptstädten keinen Appetit auf militärische Operationen in Syrien haben", plädierte - im Duett mit John Kerry - für zusätzliche Sanktionen gegen Russland und Syrien und forderte Druck, Druck und nochmals Druck auf Russland.

Ich bin davon überzeugt, dass die stärkste Waffe, die wir im Moment haben, unsere Fähigkeit ist, Präsident Putin und den Russen (!) die Konsequenzen dessen spüren zu lassen, was sie tun. (…) Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir vorschlagen, extra Sanktionen gegen das syrische Regime und ihre Unterstützer, dazu Maßnahmen, um diejenigen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich sind, vor den Interanationalen Strafgerichtshof zu bringen. (…) Alles dies wird den Verbrechern wehtun und so sollten jetzt darüber nachdenken.

Boris Johnson

Man kann sich darauf gefasst machen, dass es auch in den nächsten Wochen weiter grausige Kriegsbilder aus Aleppo geben wird. Der Druck der öffentlichen Meinung in den westlichen Medien wird hochgehalten werden - mit gewohnt einseitigem Fokus.

Aussagen wie etwa von Theo Padnos, der längere Zeit Geisel von al-Nusra/al-Qaida in Aleppo war und der in deutlichen Worten beschreibt, dass die Terroristen die Opposition in Aleppo völlig dominieren und Politiker wie die Berichterstattung im Westen hier eine Ahnungslosigkeit sondergleichen an den Tag legen, werden weiterhin im Hintergrund bleiben, um den Druck auf Russland und Syrien hochzuhalten.

Über die Offensive in Mossul weitere Dschihadisten nach Syrien treiben

Auch die heikle Frage, warum man es nicht schafft, die "nicht so radikale" Opposition von den Dschihadisten zu separieren, wird weiter heruntergespielt, weil es den mangelnden Willen dazu in der Koalition gegen Baschar al-Aassad anzeigt. Diese Kriegsverbrecher werden stattdessen weiter mit Waffenlieferungen unterstützt. Es gibt keine Trennungen von den Allianzen mit al-Nusra, stattdessen schließen sich ihr immer mehr Gruppen an.

Über Stellvertreter wird mit allen Mitteln versucht, es der syrischen Regierung und Russland so schwer wie möglich zu machen, einen militärischen Erfolg zu erzielen. Dass nun über die Mosul-Offensive mit maßgeblicher Beteiligung der USA und Frankreich Dschihadisten nach Syrien fliehen, um dort die Schlachtfelder zu verstärken, ist ganz im Sinne dieser Strategie.