AKUT im Visier der AKP

Such - und Rettungsaktion nach dem Erdbeben in Van, Oktober 2011. Bild: AKUT/CC BY-SA 3.0

Der Vorsitzende des türkischen Such- und Rettungsvereins wagt eine kritische Äußerung zu Erdoğans Neu-Lausanner-Landkarte

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"Wir müssen überall dort hingehen, wo unsere Vorfahren gewesen sind", sagte Erdoğan schon 2012. Es ist seit langem bekannt, dass Präsident Erdogan ein großer Anhänger des Osmanischen Reiches ist. Er möchte die Türkei wieder zu jenem glanzvollen Imperium ausbauen, welches in früherer Zeit von Osteuropa über den Schwarzmeerraum bis nach Persien reichte und sich im Süden auf die arabische Halbinsel und Ägypten erstreckte.

Während eines Treffens mit Dorf- und Gemeindevorstehern bezeichnete er den Lausanner-Vertrag als eine Niederlage und nicht als einen Sieg. Kritiker, die diese Ausrichtung für falsch halten, werden kaltgestellt. Dies bekam nun auch der türkische Such- und Rettungsverein AKUT zu spüren.

Die renommierte Gruppe, die 1999 über die Türkei hinaus bekannt wurde, weil sie beim Erdbeben 1999 als einzige türkische zivilgesellschaftliche Organisation bei der Rettung von Erdbebenopfern herausragend gearbeitet hatte, ist nun auch im Visier der AKP-Regierung. Der Vorsitzende von AKUT, Nasuh Mahruki, hat sich über Twitter an die türkische Öffentlichkeit gewandt und um Unterstützung gebeten.

Dem Verein wurde das Nutzungsrecht für das Gebäude ihrer Zentrale, das ihnen der damalige Ministerpräsident Ecevit als Dank für ihren Einsatz beim schweren 1999er Erdbeben für 50 Jahre überlassen hatte, entzogen.

Der Grund dafür war eine kritische Äußerung des Vereinsvorsitzenden Nasuh Mahruki bei einer Fernsehdiskussion zu Erdogans Infragestellung des Lausanner Vertrags in Bezug auf die griechischen Ägäis-Inseln. Der Verein ist als Nichtregierungsorganisation in der Türkei ein von weiten Kreisen sehr geachteter Verein. Es galt als "schick", ihn zu unterstützen. Warum Erdogan den Lausanner Vertrag in Frage stellt, hat seinen Ursprung im Nationalpakt (Misak-ı Millî) von 1920.

Dieser sollte die Grenzen des neuen türkischen Nationalstaates aufzeigen. Dazu gehörten neben der heutigen Türkei auch Mossul, Thrakien, Aleppo und Batumi (Grenzstadt von Georgien). Alle Gebiete, wo die nicht-arabische, muslimische Bevölkerung die Mehrheit hatte, sollten zum türkischen Nationalstaat gehören (Erdogan meldet Anspruch auf Mosul an).

Dies umfasste neben den griechischen Inseln auch die irakischen kurdischen Gebiete der heutigen Autonomieregion von Barzani - also von Mossul bis nach Kirkuk-, sowie Nordsyrien bis nach Aleppo. Darauf zielen Erdogans Träume eines Großtürkischen Reiches ab.

Der Lausanner Vertrag von 1923 hingegen legte die heutigen Grenzen der Türkei fest. Von daher betrachten die türkischen Nationalisten den Lausanner Vertrag als Niederlage, während die Kemalisten in der Tradition Atatürks ihn als Erfolg betrachteten.