Bayern: 56 Prozent mit ablehnender Haltung gegenüber Muslimen

Eine Studie der LMU stellt fest, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch im Seehofer-"Vor-Paradies" ein verbreitetes Problem ist

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Mehr als die Hälfte der 1.700 repräsentativ befragten Bayern zeigen eine deutlich ablehnende Pauschal-Haltung gegen Muslime. Auch bei der abwertenden Einstellung gegenüber Langzeitarbeitslosen, Roma und Sinti wie auch Geflüchteten werde deutlich, dass "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch in Bayern ein verbreitetes Problem ist", konstatiert der Soziologe Christian Ganser.

Der empirische Sozialforscher Ganser hat für die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) eine Studie durchgeführt, die er heute bei einer Pressekonferenz vorstellte (online noch nicht verfügbar). Sie orientiert sich an der Kategorie der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit", die maßgeblich von Wilhelm Heitmeyer geprägt wurde.

Was Heitmeyers Studien auszeichnet, ist, dass er schon seit vielen Jahren den Blick dafür geschärft hat, dass sozialdarwinistische Vorurteile keine Besonderheit von Randschichten sind, sondern in der Mitte der Bürger rapide zunehmen (vgl. Link auf 33857, 2010).

Auch bei der aktuellen LMU-Studie wird betont, dass Ressentiments und Vorurteile gegenüber Minderheiten in Bayern kein Randphänomen einer speziellen Gruppe seien, sondern in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt.

Die "Muslimfeindlichkeit" war bei 11 Prozent der Befragten "nicht vorhanden"

Der Haltung der Befragten gegenüber Muslimen wurde mit der Antwort auf drei Aussagen nachgespürt: "Die muslimische Kultur passt gut nach Deutschland", "Die Sitten und Bräuche des Islam sind mir nicht geheuer" und "Es gibt zu viele Muslime in Deutschland". Die Befragten konnten darauf mit fünf verschiedenen Abstufungen der Zustimmung oder Ablehnung reagieren.

"Wir sind die Vorstufe zum Paradies", Seehofer. Screenshot eines CSU-TV-Videos

Wie die Aussagen im Einzelnen genau ausfielen, kann man erst sehen, wenn die Studie veröffentlicht wird. Laut Medienangaben zur Pressekonferenz wurden die Antworten als Haltung zusammengefasst mitgeteilt. Daraus ergab sich dann, wie die SZ berichtet, folgendes Bild - und ein kleiner Rechenfehler.

Die "Muslimfeindlichkeit" war bei 11 Prozent der Befragten "nicht vorhanden", bei 34 Prozent "schwach", bei 35 Prozent "mittel" und bei 21 Prozent "stark" (ergibt 101 %).

Knapp ein Drittel der befragten Bayern zeigte eine "mittlere" oder "starke" Ablehnung von Flüchtlingen, mehr als ein Drittel zeigte diese in Bezug auf Arbeitslose sowie auf Sinti und Roma, ergänzt die Augsburger Allgemeine von der Vorstellung der Studie.

Nur 17 Prozent, so die SZ, lehnten Aussagen wie "Die Langzeitarbeitslosen machen sich auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben" völlig ab. Nur ein gutes Viertel habe Sätzen wie "Sinti und Roma sollten aus den Innenstädten verbannt werden" oder "Flüchtlinge, die hier leben, bedrohen meine persönliche Lebensweise" deutlich abgelehnt.

Generelle Ausländerfeindlichkeit findet kaum noch Zustimmung

Eingerahmt werden die vorgestellten Studienergebnisse durch Aussagen des Sozialforschers Ganser, wonach die Ergebnisse der bayerischen Studie sich nicht von gesamtdeutschen Befunden unterscheiden, der Freistaat schneide insgesamt weder besser noch schlechter ab.

Bemerkenswert ist die Beobachtung, wonach eine generelle Ausländerfeindlichkeit kaum noch Zustimmung finde. Herausgehoben wurde, dass Frauen weniger zu ablehnenden Haltungen tendierten, wie auch der Bildungshintergrund einen Einfluss hatte. Münchener waren offener als andere, wie manche Publikationen erwähnten.

Heitmeyer warnt vor "übergriffigem Kapitalismus"

Der in einem aktuellen Interview äußert sich der Soziologe Heitmeyer noch einmal zur "rohen Bürgerlichkeit", die er mit seinen Studien in die Diskussion gebracht hatte. Dabei nimmt er einen "übergriffigen Kapitalismus" in den Blick:

Wir haben auch auf das Phänomen einer "rohen Bürgerlichkeit" hingewiesen, weil wir feststellten, dass sich hinter der glatten Fassade wohlgesetzter Worte oft ein Jargon der Verachtung verbirgt. In neuerer Zeit zeigt sich auch die Tendenz, Menschengruppen nach Kriterien der Effizienz, Verwertbarkeit und Nützlichkeit zu bewerten.

Das sind Gesichtspunkte, die in der kapitalistischen Wirtschaft funktional sind. Das Fatale ist, dass sich diese Maxime in die sozialen Lebenswelten hineingefressen haben. Es ist eine der verhängnisvollsten Entwicklungen der letzten Jahren. Der Kapitalismus ist übergriffig geworden.

Wilhelm Heitmeyer