Türkei: Bürgermeister von Diyarbakir verhaftet

Amnesty international und Human Rights Watch (HRW) erheben erneut schwere Foltervorwürfe gegen die Türkei

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Aufgrund einer PKK-Untersuchung veranlasste die türkische Staatsanwaltschaft die Verhaftung der international bekannten Co-Bürgermeisterin Gültan Kışanak und des Co-Bürgermeisters Fırat Anlı in der kurdischen Metropole Amed (Diyarbakir). Wie in allen 97 HDP-regierten Städten und Gemeinden teilen sich jeweils ein Mann und eine Frau im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit die Führungspositionen.

Kışanak wurde bei ihrer Rückkehr aus Ankara am Flughafen von Amed festgenommen. Sie nahm in Ankara an einem Ausschuss teil, der sich mit dem gescheiterten Putsch beschäftigte. Anlı, der zweite Co-Bürgermeister, wurde in seiner Wohnung festgenommen. Das Gebäude der Stadtverwaltung wurde von Spezialeinheiten gestürmt und durchsucht.

Die AKP-Regierung geht derzeit massiv gegen die kurdischen Stadtverwaltungen vor (vgl. Auch Telepolis berichtete von der Absetzung der kurdischen Bürgermeister und der anschließenden Zwangsverwaltung von mehr als 25 Kommunen. Die Festnahmen von renommierten Politikern wie Kışanak und Anlı leiten allerdings eine neue Stufe der Repressionspolitik des türkischen Staates ein.

Zu befürchten ist eine neue Welle der Eskalation. Denn viele Bürger und Bürgerinnen stehen hinter den Bürgermeistern der kurdischen Metropole, weil sie auch in den schwersten Stunden der Auseinandersetzungen auf Seiten der Bevölkerung waren und versucht haben, die Situation zu managen.

Unterdessen mehren sich die Foltervorwürfe im Polizeigewahrsam. Nach Amnesty International bemängelt nun auch Human Rights Watch (HRW) Folter und Misshandlungen in der Türkei während des anhaltenden Ausnahmezustands. Die Menschenrechtler dokumentierten beispielhaft 13 Fälle von Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam nach dem Putschversuch vom 15. Juli.

Mit den Erlassen zum Ausnahmezustand dürfen Verdächtige 30 statt vier Tage in Polizeigewahrsam festgehalten werden, bis sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen. Außerdem darf ihnen bis zu fünf Tagen der Kontakt zu einem Anwalt verwehrt werden.

Das ZDF berichtet über die von HRW dokumentierten Foltervorwürfe im Polizeigewahrsam in der Hauptstadt Ankara, in Istanbul, Urfa und Antalya. Ein Häftling in Istanbul sagte seinem Anwalt: "Sie rissen mir die Kleider vom Leib und zerrissen sie. Sie drohten mir, während sie meine Sexualorgane quetschten und schlugen mich auf widerwärtige Weise. Einer sagte: Ich habe deine Mutter hierher gebracht und vergewaltige sie vor dir, wenn du nicht redest."