Götterdämmerung der Kohle

Braunkohlekraftwerk Niederaußem bei Köln. Bild: Harald Hillemanns/CC-BY-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Abschreibungen, die Versorgung gefährdenden Kohlekraftwerken und schöpferischer Zerstörung

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Den großen Stromkonzernen wird offensichtlich das Geschäft mit ihren Kohlekraftwerken verhagelt. Die E.on-Abspaltung Uniper hat dieser Tage einen Milliardenverlust bekannt gegeben.

Wie das "Managermagazin" am Montag schreibt, geht der Verlust vor allem auf Abschreibungen auf die alte Kraftwerksflotte zurück. 3,9 Milliarden Euro betrage der Nettoverlust. Das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen habe allerdings immer noch 1,5 Milliarden Euro betragen. Ansonsten gingen aber auch die Erträge aus dem Stromgeschäft zurück, das heißt, die alten Kraftwerke werfen nicht mehr genug ab.

Das dürfte auf den Börsenwert drücken. Noch gehört Uniper gänzlich zu E.on, aber demnächst werden 53 Prozent der Aktien unter den E.on-Aktionären verteilt. Der Rest soll in einigen Jahren an der Börse oder anderweitig verkauft werden. Ob die alten Kohlekraftwerke noch einen Abnehmer finden, bleibt abzuwarten. Vielleicht ja, wenn auch in Zukunft die Stilllegung überflüssiger Altanalgen subventioniert wird, wie es die Bundesregierung mit einigen Braunkohleanlagen macht.

Ausstiegspläne

Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen ist sicherlich nicht traurig, dass sich viele Kohlekraftwerke nicht mehr rentieren. Er hatte kürzlich gefordert Kohle- und Atomkraftwerke vorzeitig abzuschalten. Das würde Kosten für die Entsorgung des radioaktiven Mülls vermeiden und die EEG-Umlage entlasten. Die wird nämlich durch die niedrigen Börsenstrompreise in die Höhe getrieben, die wiederum das Ergebnis von schwerfälligen AKW und Kohlekraftwerken sind. Diese Drücken auch in Zeiten großen Angebots ihren Strom ins Netz, weil sie aus technischen Gründen nicht auf die schwankende Nachfrage reagieren können.

Passend dazu hat die Bundestagsfraktion der Grünen zu Beginn der Woche einen Zehn-Punkte-Plan zum Ausstieg aus der Kohlenutzung bis zur Mitte des übernächsten Jahrzehnts vorgelegt. Erster Schritt wäre demnach das Verbot für die Aufschließung neuer Tagebaue. Außerdem soll der europäische Emissionshandel wieder Zähne bekommen. Soll heißen, die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass die CO2-Zertifikate erheblich verteuert werden, um die Wettbewerbsposition der besonders klimaschädlichen Kraftwerke zu verschlechtern.

Zentralisierung gefährdet die Versorgung

Die Befürworter der Kohlekraftwerke argumentieren ja gerne, dass diese zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit notwendig seien. In Russland hat Anfang der Woche ein Unfall in einem großen Kohlekraftwerk demonstriert, wie weit es mit diesem Argument ist und welche Nachteile eine in wenigen Großanlagen zentralisierte Stromversorgung haben kann. Das russische Nachrichtenmdium "Sputnik" berichtet von einem Unfall in einem Kraftwerk im Ural, dessen Auswirkungen bis an den Baikalsee und ins Altaigebirge zu spüren sei. Millionen Menschen in den Großstädten Sibiriens mussten mit eingeschränkter Stromversorgung rechnen.

Über den erneuten Temperaturrekord im Juli haben wir ja bereits berichtet. Inzwischen hat Tim Osborn von der kleinen aber international bekannten Climate Research Unit der University of East Anglia die neuesten Werte in seine Darstellungen der globalen und hemisphärischen Zeitreihen eingearbeitet. Herausgekommen ist dabei unten stehende Grafik.

Bild Tim Osborn CRU University of East Anglia

Hier sind die Daten zur Abwechslung einmal als gleitender Mittelwert dargestellt. Jeder Datenpunkt bildet den Mittelwert der vorangehenden zwölf Monate ab. So wird die aktuelle Erwärmung besonders hervorgehoben. Natürlich kann man nicht wissen, wie es danach weitergeht - man sollte sich stets davor hüten, Zeitreihen zu extrapolieren -, aber am wahrscheinlichsten erscheint derzeit, dass die Kurve ähnlich wie nach dem Peak 1998/99 wieder etwas abfallen wird. Der Grund: Wie der letzte 98/99er-Peak wurde der gegenwärtige durch ein besonders starkes El-Niño-Ereignis im äquatorialen Pazifik verursacht. Dass sich die globale Temperatur in den nächsten Monaten analog zum Verlauf 1999 entwickelt, ist daher naheliegend.

China ohne Appetit

Und was ist sonst noch so passiert? Die Installation neuer Solaranlagen geht in Deutschland - ganz im Gegensatz zum Rest der Welt - immer weiter zurück. Im Juni 2016, der letzte Monat aus dem die Bundesnetzagentur Zahlen veröffentlicht hat, kamen nur 119,4 Megawatt (MW) neue Leistung hinzu. Darin sind sogar noch einige Nachmeldungen enthalten, das heißt, die tatsächliche Zahl der Neuinstallationen lag niedriger.

Der Ölpreis bleibt derweil aufregend. Seit Anfang des Monats ist er um rund 20 Prozent auf Werte zwischen gut 47 (WTI) bis fast 50 US-Dollar pro 159-Liter-Fass (Brent) gestiegen, ließ Anfang der Woche jedoch wieder etwas nach. Windenergie in den USA scheint hingegen nur eine Richtung zu kennen - abwärts. Seit 2009 sind ihre Kosten um rund 60 Prozent zurückgegangen. Eine Kilowattstunde kann jenseits des großen Teiches inzwischen mit neuen Anlagen für 3,2 bis 7,7 US-Cent ins Netz eingespeist werden. Das berichtet die American Wind Energy Association. Der Grund dafür seien größere und höhere Anlagen sowie verbesserte Methoden bei Herstellung und Aufbau. Für weiteres Wachstum der US-Windindustrie scheint derweil gesorgt: Der Bundesstaat New York hat gesetzliche Ökostromziele fixiert. 2017 soll der Anteil von Sonne, Wind & Co. 26, 2021 30, und 2030 50 Prozent betragen.

Derweil scheint sich der Solarausbau in China zu einer wahren Achterbahn zu entwickeln. Die in Hongkong erscheinende "South China Morning Post" berichtet, dass nach unbestätigten Angaben in der ersten Jahreshälfte enorme 20 Gigawatt (GW) neuer Solarleistung installiert worden seien. Das wäre ein Zuwachs von knapp 160 Prozent gegenüber den vollen zwölf Monaten des Vorjahres. Grund war eine deutliche Kürzung der Einspeisetarife für Strom aus Neuanlagen, die am 1. Juli in Kraft trat. Für den Rest des Jahres und das kommende Jahr wird nun allerdings ein Rückfall auf die Hälfte erwartet.

Offen ist allerdings, ob das auch den Wünschen der Regierung entspricht oder diese versuchen wird, den Markt zusätzlich zu stimulieren. Unter anderem gilt es das Planziel 150 GW Solarleistung bis 2020 zu erreichen. Außerdem könnte ein Rückgang des Inlandabsatzes erneut die chinesischen Anlagenhersteller in Schwierigkeiten bringen. Andererseits könnte dies auch zu einem neuen Preiskampf führen und weltweit die Anlagenpreise weiter nach unten drücken.

Kehrseiten

Fragen über Fragen. Fürs erste jedenfalls entwickelt sich Chinas Energiebedarf weitaus weniger stürmisch als in den ersten 14 oder 15 Jahren des Jahrtausends. Die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtet, dass im ersten Halbjahr zwar Chinas Energieimporte (Kohle, Erdöl und Erdgas) zugelegt haben, zuletzt im Juli aber wiederzurückgegangen seien.

Schlechte Aussichten also für die großen Rohstoffexporteure wie Russland oder Australien, und schlechte Nachrichten auch für die Ölmultis. Die Agentur "Bloomberg" schreibt von einbrechenden Gewinnen und einer wachsenden Verschuldung. Mit zusammen 138 Milliarden US-Dollar hätten die Branchenriesen ihre Verbindlichkeiten seit 2014 verdoppelt und seit 2008 verzehnfacht. Allein die Dividendenzahlungen blieben konstant oder würden gar noch ansteigen, wie im Falle Exxons.

Von steigenden Löhnen ist hingegen nichts zu hören. Die Beschäftigten leiden eher unter den Entlassungswellen. Eventuell kommt für sie der große Knall erst noch, wenn diese sich aufblähende Blase platzen sollte, bevor die Ölpreise wieder richtig anziehen. Dann ginge wohl der eine oder andere Konzern zu Bruch und würde dabei sicherlich größere Schockwellen in die Volkswirtschaften aussenden.

Da dann aber Förderanlagen vom Markt verschwinden würden, würde das Öl für die verbleibenden Unternehmen zum noch größeren Geschäft, sobald die Weltwirtschaft wieder an Fahrt aufnähme. Schöpferische Zerstörung hat der Ökonom Joseph Schumpeter diesen Prozess genannt. Weniger euphemistisch könnte man auch von der Kehrseite der Marktwirtschaft sprechen, sozusagen von der Auskehrseite, denn bezahlen müssen immer die Arbeiter und Angestellten, die auf der Straße landen.