Keine Erde 2.0, aber eine potentiell habitable extrasolare Nachbarwelt

Künstlerische Darstellung des neu entdeckten Planeten um Proxima Centauri. Bild: ESO/M. Kornmesser

Astronomen entdecken den erdnächsten und erdähnlichsten Exoplaneten, der in einer bewohnbaren Zone liegt und theoretisch ein Hort des Lebens sein könnte

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Dem europäischen Jean-Schneider-Katalog zufolge haben bislang 3515 ferne Planeten den Sprung in den exoplanetaren Olymp geschafft. Jetzt gesellt sich ein weiterer hinzu, den man kaum mehr als ferne Welt bezeichnen kann, umkreist er doch den nur 4,22 Lichtjahre entfernten sonnennächsten Stern Proxima Centauri. Wie ein internationales Forscherteam in der aktuellen "der jüngsten Nature-Ausgabe berichtet, ist der neue Exoplanet erdähnlich und liegt in der Ökosphäre seines Systems. Könnte auf dem Gesteinsplaneten flüssiges Wasser existieren - und könnten dort extremophile Lebensformen überleben? Und könnte dorthin dereinst auch eine Robotermission starten?

Das System ist nur einen interstellaren Steinwurf von der Sonne entfernt. Mit einer Distanz von 4,34 Lichtjahren zur Erde hat sich Alpha Centauri (α Cen) als erdnächstes extrasolares multiples Sternsystem nicht nur in der Planetenforschung, sondern auch im Science-Fiction-Genre einen Namen gemacht.

Das am Südhimmel in dem Sternbild Centaurus (Zentaur) gelegene Mehrfachsystem, bestehend aus dem gelben Hauptreihenstern Alpha Cen A und dem orangefarbenen Alpha Cen B, entstand vor 6,5 Milliarden Jahre und befindet sich derweil in einer stabilen Phase. Beide Sterne weisen ungefähr die Größe der Sonne auf, wohingegen der dritte im Bunde, Proxima Centauri, als Roter Zwergstern der jüngste und mit einer Oberflächentemperatur von 3.050 Kelvin auch der lichtschwächste, dafür aber mit 4,22 Lichtjahre Entfernung (rund 40 Billionen Kilometer) de facto der erdnächste Stern ist. Über die Frage, ob Letzterer wirklich der Dritte des vermeintlichen Trios im Alpha Cen System ist, gehen gegenwärtig die Meinungen der Experten auseinander.

Die Abbildung kombiniert einen Blick zum südlichen Sternenhimmel über dem ESO 3,6 Meter Teleskop am La Silla Observatorium in Chile mit Bildern der Sterne Proxima Centauri (rechts unten) und dem Doppelsternsystem Alpha Centauri AB (unten links) vom NASA/ESA Hubble Space Telescope. Bild: Y. Beletsky (LCO)/ESO/ESA/NASA/M. Zamani

Stets im Visier der Planetenjäger

Einigkeit hingegen herrscht bei den Planentenforschern in puncto Alpha Centauri Bb, dessen Entdeckung im November 2012 im britischen Wissenschaftsmagazin Nature groß angekündigt wurde, online sogar einen Monat zuvor. Danach sollte der "erdnächste" Kandidat die ungefähre Masse der Erde haben, von seinem Mutterstern nur sechs Millionen Kilometer entfernt sein und diesen einmal in 3,236 Tagen umkreisen. Doch nach etlichen Folge-Observationen kristallisierte sich 2015 heraus, dass der vielversprechende Planetenaspirant nicht existiert. Heute geht das Gros der Astronomen davon aus, dass für die vermeintliche Entdeckung seinerzeit ein Messfehler die Ursache war.

Seitdem die Schweizer Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz vom Genfer Observatorium im Jahr 1995 bei dem Stern 51 Pegasi den ersten Exoplaneten einer noch nicht erloschenen Sonne entdeckten, war das erdnächste Sternsystem immerfort ein Thema für viele Planetenforscher. Seither wurde das multiple System von diversen Astronomenteams vornehmlich mit zwei etablierten verschiedenen Verfahren untersucht.

Michel Mayor. Mit ihm startete die Exoplanetenforschung in eine neue Ära. Bild: ESO/ Courtesy of Inamori Foundation

Einerseits mit der altbewährten Radialgeschwindigkeitsmethode, mit der Mayor und Queloz 1995 erfolgreich operierten, andererseits mithilfe der Transit-Technik, die Helligkeitsschwankungen von Sternen registriert. Kreuzt ein extrasolarer Planet die Sichtlinie seines Muttersterns, kommt es für die Dauer der Passage zu einem kleinen Amplitudenabfall in der Lichtkurve. Je nach Größe des jeweiligen vorbeiziehenden Objekts variieren die Helligkeitsschwankungen. Aus der Intensität und Dauer der dabei wiederkehrenden Muster können die Forscher noch genauer auf die Größe und Umlaufbahn des extrasolaren Planeten rückschließen.

Stellares Wackeln

Doch trotz intensiver Beobachtungskampagnen gelang es den Planetenjägern bis heute nicht, einen Transit eines Planeten bei Proxima Centauri zu erspähen, der derartige systematische Helligkeitsschwankungen produziert hätte. So nimmt es nicht wunder, dass die Astronomen sich der Radialgeschwindigkeitsoption bedienten. Bei dieser Technik messen Astronomen die minimale Bewegung eines Sterns. Infolge der Anziehungskraft seines Planeten bewegt sich ein Stern vor- und zurück und hoch und runter. Dieses minimale Taumeln nennen Planetenjäger Radialgeschwindigkeit. Just diese Taumelbewegung liefert ihnen wichtige Daten über die Größe und Umlaufbahn eines Planeten.

Messen lässt sich dieser Effekt mithilfe von Spektrografen, die das Licht in seine farblichen Bestandteile und Spektrallinien zerlegen. Nach dem Dopplerprinzip staucht sich dabei das Licht des Sterns. Bewegt er sich auf die Erde zu, verschieben sich die Spektrallinien ins blaue Licht des optischen Spektrums, im umgekehrten Fall ist eine Rotverschiebung zu sehen. Dabei entstehen charakteristische Muster von tausenden von schmalen, dunklen Linien.

Transit - ein Planet zieht vor einem Stern vorüber (künstlerische Darstellung). Bild: CNES

Pale Red Dot

Einer, der sich von den vorangegangenen erfolglosen Observationen des erdnächsten Sonnensystems nicht beirren ließ, war Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary University of London. Im Jahr 2013 war es dann so weit. Mithilfe des HARPS-Spektrografen (High Accuracy Radial Velocity Planet Searcher) und dem 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf La Silla in Chile wurde er bei Proxima Centauri tatsächlich fündig und registrierte Taumelbewegungen, die auf die potenzielle Existenz von Planeten mit Umlaufzeiten von 11,2 Tagen, 13,6 Tagen und 18,3 Tagen hindeuteten.

Der HARPS-Spektrograf. Bild: ESO

Um nicht dasselbe Fiasko wie bei Alpha Cen Bb zu er- und durchleben, etablierte er ein striktes Observationsprogramm, das er in Anlehnung an Carl Sagans Begriff "Pale Blue Dot" (mit dem "bleichen blauen Punkt meinte Sagan die Erde) "Pale Red Dot" nannte.

Die ersten Hinweise auf einen möglichen Planeten von 2013 waren nicht überzeugend. Seither haben wir mit Hilfe der ESO und anderen Partnern hart daran gearbeitet, weitere Beobachtungen durchführen zu können. Die Planung für unser nun durchgeführtes ‚Pale Red Dot‘-Projekt dauerte fast zwei Jahre

Anglada-Escudé

Um die Öffentlichkeit für sein Projekt zu sensibilisieren, machte er seine "Pale Red Dot"-Webseite für jedermann zugänglich und ergänzte diese mit erklärenden Blogbeiträgen. Unter Berücksichtigung alter Messdaten von Spektren aus dem System, die Martin Kürster vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) mitsamt Kollegen eine Dekade zuvor aufgenommen hatte, nahm Anglada-Escudé mit dem HARPS-Spektrografen, dem 3,6-Meter-ESO-Teleskop und diversen kleineren Teleskopen das erdnächste Sternsystem zwischen dem 18. Januar und dem 30. März 2016 erneut ins Visier.

Proxima b nur Planeten-Kandidat

Nach zahlreichen Nachmessungen und dem wiederholten Vergleich mit alten Messdaten waren sich die Astronomen sicher, dass kein stellares Störsignal die Messergebnisse verfälscht hatte. Die Wahrscheinlichkeit hierfür bezifferten diese auf eins zu zehn Millionen.

Tatsächlich besteht bei aktiven Roten Zwergen wie Proxima Centauri stets die Gefahr, dass die Anwesenheit eines Planeten infolge der dort vorherrschenden stellaren Aktivitäten (Flares, Sternflecken) vorgetäuscht werden kann. Um dieses Risiko zu minimieren, observierten die Astronomen mit dem ASH2-Teleskop am San Pedro de Atacama Celestial Explorations Observatory in Chile sowie mit dem Las Cumbres Observatory Global Telescope-Netzwerk auch die Veränderungen in der Helligkeit von Proxima Centauri.

Bereits in unseren alten Messungen zeigte sich ein Signal, das einem Planeten mit Umlaufdauer 11,2 Tagen entspricht

erinnert sich Martin Kürster, der im Zeitraum von 2000 bis 2007 selbst nach Begleitern von M-Sternen gesucht hatte und dessen Daten für die Entdeckung von Proxima b sehr hilfreich waren.

Aber es ist allein mit unseren Daten nicht möglich zu entscheiden, ob das Signal tatsächlich von einem Planeten stammt oder durch eine zufällige Kombination von Störeinflüssen entstanden ist. Kombiniert man unsere Daten dagegen mit den neuen Messungen, dann bestätigt sich, dass die Pale-Red-Dot-Kampagne tatsächlich einen echten Planeten gefunden hat.

Radialgeschwindigkeitsmessungen von Beobachtungen aus 16 Jahren, gefaltet mit der 11,2-Tage-Periode des Planetenkandidaten. Verschiedene Symbole unterscheiden die Daten der Pale-Red-Dot-Kampange (PRD), HARPS-Beobachtungen vor 2016, sowie die früheren Daten von UVES. Bild: Guillem Anglada-Escudé et al., School of Physics and Astronomy, Queen Mary University of London, UK / Max-Planck-Institut für Astronomie

Der federführende Nature-Autor und Leiter der Studie Guillem Anglada-Escudé, der Proxima b derweil vorsichtig nur als "Planeten-Kandidaten" spezifiziert, dessen Existenz noch von weiteren unabhängigen Quellen verifiziert werden müsse, neigt grundsätzlich zu einer vorsichtigen Vorgehensweise.

Ich habe die Beobachtungsdaten an jedem Tag der 60 Nächte unserer 'Pale Red Dot'-Kampagne auf ihre Stimmigkeit überprüft. Die ersten zehn Tage waren dabei bereits vielversprechend, die ersten zwanzig entsprachen unseren Erwartungen, und nach 30 Tagen war das Ergebnis so sicher, dass wir uns daranmachten, den entsprechenden Fachartikel zu entwerfen!