Wir haben da mal was vorbereitet

Noch bevor die Koalitionsverhandlungen begonnen haben, stellt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ihr Reformprogramm für die künftige Regierung vor

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl könnte sich lange hinziehen. Für den Freitag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ein erstes Sondierungsgespräch mit der SPD vereinbart, am Montag folgt ein ähnliches Treffen mit den Grünen - Ausgang ungewiss. Der Entwurf eines künftigen Reformpakets liegt trotzdem schon vor. Es trägt den Titel "Chance 2020 - Mit sozialer Marktwirtschaft für ein gerechtes und leistungsfähiges Deutschland" und stammt von der Initiative Neue Soziale Martkwirtschaft (INSM). Maßgeblich mitgeschrieben hat an dem Papier niemand geringeres als Gerhard Schröders (SPD) Ex-Superminister Wolfgang Clement (ehemals SPD).

"Deutschland braucht, Deutschland kann und Deutschland will Reformen." Das zumindest ist die These der INSM, die sie mit einer selbst in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage über die Wünsche der Deutschen ermittelt hat. Demnach antworteten 85 Prozent der befragten Wahlberechtigten genau eine Woche nach der Bundestagswahl auf die Frage, wie mutig oder zurückhaltend die neue Bundesregierung in ihren Reformen bei der Vorbereitung auf künftige Probleme sein sollte, mit "sehr mutig" oder "mutig". Als wichtigste Themen wurden die Bereiche Rente, Bildung, Gesundheit und Arbeitsmarkt genannt.

In welche Richtung die mutigen Reformen aus Sicht der Menschen gehen sollten, sagt die Umfrage der INSM freilich nicht aus. Dennoch versucht die arbeitgebernahe Lobbygruppe die Umfrage als Rückenwind für ihr Reformpaket darzustellen. Und das hat es in sich. Ausgangspunkt des Programms "Chance 2020" ist Gerhard Schröders Agenda 2010, die der einstige Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement maßgeblich mit vorangetrieben und umgesetzt hat. INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr ist deshalb überzeugt, dass Clement "weiß, wovon er spricht". Der ehemalige Sozialdemokrat Clement ist auch für Chance 2020 maßgeblich verantwortlich.

An den Vorstellungen der Bevölkerung vorbei

Wie weit auseinander die Vorstellungen der Bevölkerung und der INSM liegen, zeigt das Beispiel Mindestlohn. Die INSM spricht sich in ihrem Reformpaket deutlich gegen dessen Einführung aus - ganz egal, ob es sich um einen von der Politik oder von Arbeitgebern und Gewerkschaften festgelegten Mindestlohn handelt. Ein Mindestlohn reduziere die Zahl der Arbeitsplätze und erschwere den Einstieg in Arbeit, so die INSM. Um den Lebensstandard der Menschen zu sichern, solle es vielmehr staatliche Transfers, finanziert aus Steuermitteln, geben.

An den Vorstellungen der Bevölkerung geht das vorbei: 85 Prozent sprechen sich für einen gesetzlichen Mindestlohn aus, die Mehrheit von ihnen wünscht ihn sich in Höhe von 10 Euro. Auch die Mehrheit der Manager in Deutschland hat mittlerweile Gefallen an dem Modell gefunden.

Clement spricht sich auch gegen eine Regulierung der Leiharbeit aus. Die Reformen der Agenda 2010 müssten beibehalten werden. Wer die Leiharbeit zurückdrehen will, der müsse die Verantwortlichkeit für steigende Arbeitslosigkeit übernehmen, so der Vorsitzende des INSM-Kuratoriums.

Dem demographischen Wandel will Clement mit einer Rentenreform begegnen. Grundlage dafür ist die Rente mit 67 - für Clement ein "Muss, an dem die Politik nicht mehr rütteln darf". Zusätzlich soll künftig das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Steigt die Lebenserwartung, soll nach dem Willen der Reformer von der INSM also automatisch auch das Renteneintrittsalter mitsteigen. Zudem soll es den Unternehmern leichter gemacht werden, Menschen über das Renteneintrittsalter hinaus zu beschäftigen. In der derzeitigen Regelung sieht Clement "eine Form von Altersdiskriminierung".