Pastafari im Parlament

Interview mit dem österreichischen Religionskritiker Niko Alm, der für die neue Partei NEOS in den Nationalrat einzieht

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Niko Alm ist der bekannteste Religionskritiker Österreichs. Er setzte unter anderem durch, dass er in seinem Führerscheinfoto als Anhänger der Kirche vom Fliegenden Spaghettimonster ein Nudelsieb auf dem Kopf tragen darf, wie ernsthaft Gläubige ein Kopftuch, organisierte eine Initiative gegen staatliche Privilegien der katholischen Kirche und engagierte sich gegen die Beschneidung von Religionsunmündigen. Außerdem ist er der (nach dem Parteivorsitzenden Matthias Strolz) bekannteste Parlamentsabgeordnete der Partei "Das Neue Österreich" (NEOS), die bei der Wahl am 29. September auf Anhieb 4,9 Prozent der Stimmen erreichte und damit in den österreichischen Nationalrat einzog.

Herr Alm, wenn Sie nur ein Adjektiv zur Verfügung hätten, wie würden Sie ihre Partei dann beschreiben?

Niko Alm: Liberal.

Wie die deutsche FDP?

Niko Alm: Ja und nein. Es gibt viele liberale Parteien, die sich aber in inhaltlicher Ausprägung und vor allem Personal sehr unterscheiden. Natürlich gibt es eine Nähe zur FDP, aber NEOS als österreichische FDP zu bezeichnen, wäre sehr falsch.

Warum konkret falsch?

Niko Alm: Die Historie von NEOS ist eine ganz andere. Nach dem ersten Aufflackern eines politischen Liberalismus in den 90er Jahren durch das Liberale Forum ist das jetzt ein zweiter Anlauf. Aber ohne die geschichtliche Kontinuität einer FDP. In Österreich waren die Liberalen versprengt in anderen Parteien zu finden: Grüne, LIF, ÖVP, aber auch SPÖ und Piraten. Die Protagonisten bringen damit auch zum Teil andere parteipolitische Prägungen mit – was ich übrigens als Vorteil sehe.

Der Vorsitzende von NEOS war früher bei der christdemokratischen ÖVP, Sie sind der bekannteste Kirchenkritiker Österreichs. Arbeiten Sie gut zusammen?

Niko Alm: Ausgezeichnet! Die Differenzen bewegen sich in einem schmalen Bereich: Matthias Strolz ist trotz ÖVP-Vergangenheit (als Mitarbeiter, nicht als Mandatar) weit davon entfernt katholischer Fundamentalist zu sein. Ich trete für Laizität ein, das heißt, ich adressiere ein Demokratie-Defizit und kritisiere das Verhältnis Staat/Religion und damit mitunter Religionsgesellschaften, nicht aber Menschen und deren persönlichen Glauben. Eine Zusammenarbeit mit Menschen, die nicht wie ich nicht glauben, ist selbstverständlich völlig unproblematisch für mich. Als Arbeitgeber habe ich in meinem Unternehmen ja auch Gläubige.

Niko Alm. Foto: © Nicole Heiling.

Haben Sie schon Pläne für Anträge, die Sie im Nationalrat einbringen werden?

Niko Alm: Welche Anträge die ersten sein werden, weiß ich noch nicht. Meine Kernthemen bei NEOS sind Start-Ups und Netzpolitik.

Was wollen Sie in diesen beiden Bereichen bewegen?

Niko Alm: Die Initiativen für Start-Ups umfassen Maßnahmen, die Gründung und Betrieb von kleinen und Ein-Personen-Unternehmen erleichtern. Österreich ist ein unternehmerunfreundliches Land. Wir wollen unnötige Hindernisse in den ersten schwierigen Phase nach der Unternehmensgründung wegräumen: Streichung der Mindestkörperschaftsteuer, der Gesellschaftsteuer, Streichung der Lohnnebenkosten für den ersten Mitarbeiter. Außerdem wollen wir, dass privates Kapital als Investition gegenüber Fremdkapital nicht diskriminiert wird. Wir wollen private Investitionen in Unternehmen begünstigen. Gerade für innovative Start-Ups.

Ein paar Punkte zur Netzpolitik:

  • Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung bis hin zum Aussetzen derselben, auch wenn damit Strafzahlungen verbunden sind.
  • Netzneutralität gesetzlich verankern.
  • Datenrecht, also den Schutz persönlicher Daten vor allem auch vor dem Zugriff ausländischer Geheimdienste.

Wie wollen Sie die Steuer- und Lohnnebenkostensenkungen gegenfinanzieren?

Niko Alm: Wir haben dazu Berechnungen angestellt, wonach diese Entlastungen bei ca. 40.000 neuen Arbeitsplätzen aufkommensneutral sind. Mehr Menschen im Erwerbsleben bedeutet auch ein höheres Steueraufkommen beziehungsweise eine Reduktion der Abgaben auf der einen Seite wirkt natürlich auch gewinnerhöhend auf der anderen Seite und führt zu einer höheren Körperschaftsteuer. Der Grundgedanke ist aber: Wir wollen lieber hunderte Ein-Personen-Unternehmen und kleine und mittlere Unternehmen stimulieren, Menschen anzustellen, als Konzerne oder Großbetriebe punktuell zu fördern, damit diese Arbeitsplätze schaffen.

Wo würden Sie sparen, wenn das Steueraufkommen durch neue Arbeitsplätze doch nicht zum Ausgleich reicht?

Niko Alm: Zunächst einmal würden diese Maßnahmen zeitlich befristet eingeführt, sodass hier das Risiko des Nichtfunktionierens gedeckelt ist. Wenn es funktioniert, kann ja verlängert werden. Einsparungspotenzial gibt es dennoch genug: in der Verwaltung generell beziehungsweise in den Sozialversicherungen, die im äußersten Fall auch in einer einzigen zusammengefasst werden können.

Was hat NEOS allgemein noch für politische Pläne?

Niko Alm: Die zwei wichtigsten Punkte in unserem Wahlkampf sind unserer Meinung nach auch die dringendsten für das Land: Bildung und Pensionen. Die Debatten, wie das Bildungssystem zu verbessern ist, führen nur in Sackgassen und zu ideologischen Auseinandersetzungen wie Gesamtschule ja/nein. Wir wollen Schulautonomie und einen Mindeststandard in Form einer Mittleren Reife. Rund 25% funktionale Analphabeten nach der Pflichtschule sind kein Wert, auf den wir stolz sein können, sondern ein Handlungsauftrag.

Bei den Pensionen werden die Menschen in scheinbarer Sicherheit gewiegt, dass unser System finanzierbar bleibt. Die Menschen werden älter, der Anteil der Erwerbstätigen sinkt. Männer und Frauen müssen im gleichen Alter, aber jedenfalls später in Pension gehen. Und der Übergang zu diesem neuen Pensionsalter sollte jetzt einsetzen.

Vor der Wahl hörte man im Zusammenhang mit NEOS viel von mehr direkter Demokratie. Was gibt es da für Vorhaben?

Niko Alm: Hier gibt es mehrere Punkte, von denen ich zwei herausgreifen möchte: Wir wollen ein stärkeres Persönlichkeitswahlrecht mit mehr direkt gewählten Mandataren und wir planen partizipative Mechaniken ähnlich wie Liquid Feedback und Liquid Democracy bei den Piraten, von denen wir hier auch lernen können und wollen.

Was meinen Sie: Gibt es auch in Deutschland Bedarf nach einer Partei wie NEOS?

Niko Alm: In Deutschland sehe ich mittlerweile auch den Bedarf nach einer Partei wie NEOS. Proteststimmen, wie es sie in Österreich für das Team Stronach gab, landen derzeit offensichtlich bei der AfD. Die FDP sind wie die Grünen im Sinkflug. Das liberale, weltoffene Potenzial ist sicher vorhanden. Das politische Angebot aber nicht ausreichend. Wir haben aber nicht vor zu expandieren!

Letzte Frage: Sie sind ja eigentlich Musikjournalist. Haben Sie noch einen aktuellen Hörtipp für unsere Leser?

Niko Alm: Mein Musikjournalismus ist doch schon einige Zeit her, aber ich versuche mich aktuell zu halten. Derzeit rotieren bei mir die neuen Platten von Nine Inch Nails, Rival Schools, Dillinger Escape Plan und sonst immer wieder Anti-Flag und Laibach.

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