Strompreis auf dem Weg nach unten

Der Preis für Stromlieferungen für das Jahr 2016 (rot), darunter für 2013. Die Käufer gehen offensichtlich davon aus, dass der Strom immer billiger wird. Nur nach der Reaktor-Havarie in Fukushima Anfang März 2011 änderte sich diese Erwartung vorübergehend. Bild: EEX

Die Energie- und Klimawochenschau: An der Strombörse geht es weiter abwärts, während der Industrie die Strompreise zu hoch sind und Deutschland weiter eine Reform des Emissionshandels blockiert

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In der Bundeshauptstadt laufen die ersten Vorgespräche zu Bildung einer neuen Koalition, aber alle Berichte darüber bleiben auffällig inhaltsleer. Die Diskutanten verabreden Stillschweigen, und die Mikrofonhalter geben sich mit Belanglosigkeiten über Atmosphärisches zufrieden.

Dabei hätten wir doch zum Beispiel gerne gewusst, wie es denn nun mit Merkels angekündigtem zügigem Umbau der Energiewende aussieht. Kommt jetzt der große Angriff auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)? Oder wird wegen Fehlens eines dafür geeigneten Koalitionspartners vorerst die Taktik der vielen Nadelstiche fortgesetzt?

Die Gegner des EEG scheinen indes weiter munter an allerlei Strippen zu ziehen. Das legt unter anderem ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nahe, die über vertrauliche Papiere aus der EU-Kommission in Brüssel schreibt. Demnach erwägt der Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia die Vergütungsregeln als Verstoß gegen das Wettbewerbsgebot der EU stehend einzustufen. Stattdessen tendiere er dazu, so die FAZ, die Einführung von Marktprämien zu fordern.

Ob es bloßer Zufall ist, dass ähnliche Forderungen auch von hiesigen Energiekonzernen, Industrieverbänden und dem scheidenden FDP-Wirtschaftsminister erhoben werden? Der Umstieg auf Marktprämien würde bedeuten, dass sich die Erzeuger selbst um die Vermarktung kümmern müssen und nicht mehr mit festen Preisen rechnen können. Stattdessen gebe es zum Beispiel einen festen Aufschlag auf den Börsenpreise, von dem sie damit abhängig würden. Es liegt auf der Hand, dass ein solches System vor allem kleinere Erzeuger schon allein wegen des damit verbundenen bürokratischen Aufwands abschrecken muss. Aber vielleicht wäre das ja genau der erwünschte Effekt.

Weniger Wind

Etwas Erleichterung dürfte den Gegnern der Energiewende derweil das Wetter bringen. 2013 erweist sich bisher als ein deutlich schlechteres Windjahr als 2012. Trotz weiteren Ausbaus der installierten Leistung blieb der Ertrag in den ersten drei Quartalen hinter den jeweiligen Vormonatswerten zurück, wie der Informationsdienst IWR berichtet. Demnach lieferten Windkraftanlagen von Januar bis September insgesamt 29,9 Milliarden Kilowattstunden, was 8,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum war. Die Solarstrom-Produktion stieg hingegen um 6,2 Prozent auf 26,2 Milliarden Kilowattstunden, konnte aber das Minus beim Wind nicht ganz wett machen.

Obwohl also etwas weniger Ökostrom als im Vorjahr an der Börse gehandelt wurde, sanken dort die Preise weiter. Im Durchschnitt der ersten drei Quartale 2013 kostete der Grundlaststrom lediglich 3,79 Cent pro Kilowattstunde, wie aus den Daten der Leipziger Börse hervorgeht.

Im Vergleich zu den ersten neun Monaten 2012 war das ein Rückgang um zwölf Prozent. In den letzten Monaten hat der Preis wieder ein wenig angezogen, liegt aber immer noch unter dem Vorjahresniveau. Im September kostete der Grundlaststrom durchschnittlich 4,17 Cent pro Kilowattstunde, immer noch 6,6 Prozent weniger als im September 2012.

Der Preis für Stromlieferungen für das Jahr 2016 (rot), darunter für 2013. Die Käufer gehen offensichtlich davon aus, dass der Strom immer billiger wird. Nur nach der Reaktor-Havarie in Fukushima Anfang März 2011 änderte sich diese Erwartung vorübergehend. Bild: EEX

Börsenstrompreis sinkt

Was dabei besonders interessant ist: Offensichtlich gehen die Stromhändler davon aus, dass diese Entwicklung weiter anhalten wird. Während die EU-Energiekommissar Günther Oettinger – ein seit langem eng mit den großen Energiekonzernen verbundener Politiker – die Deindustrialisierung Deutschlands herbei fantasiert, die von zu hohen Strompreisen ausgelöst wird, können sich die Großabnehmer an der Börse derzeit mit Kontrakten für Stromlieferungen im Jahre 2016 eindecken, die sie lediglich rund 3,8 Cent pro Kilowattstunde kosten.

Vor drei Jahren waren die Futures für 2016 fast 70 Prozent teurer, wie die obige Grafik zeigt. Die graue Linie dort gibt den Preis für Futures für 2013 wieder. Sie zeigt, dass auch diese deutlich teurer waren. Wer sich damals an der Börse mit langfristigen Verträgen für 2013 eingedeckt hat, machte ein ausgesprochen schlechtes Geschäft. Hätte er abgewartet und den Strom direkt gekauft, hätte er erheblich weniger bezahlt. Die Klagen der Industrie über steigende Strompreise haben also wenig Substanz.

Strom billiger, Umlage teurer

Mehr Grund zum Klagen haben da schon die kleinen Gewerbetreibenden und die privaten Stromkunden, die die EEG-Umlage in voller Höhe bezahlen müssen. Derzeit liegt sie bei 5,277 Cent pro Kilowattstunde, wird aber zum 1. Januar aller Voraussicht nach weiter angehoben. In den nächsten Tagen müsste ihre neue Höhe von der Bundesnetzagentur bekannt gegeben werden.

Die Umlage deckt bekanntlich die sogenannten Differenzkosten ab, das heißt, die Differenz zwischen Einspeisevergütung und aktuellem Börsenpreis. Da der Strompreis aber immer weiter absackt, erhöhen sich die Differenzkosten, und zwar ohne dass mehr für den Ökostrom gezahlt würde.

Diese Regelung wurde übrigens zum 1. Januar 2010 auf Initiative der Netzbetreiber eingeführt. Bis dahin hatten die vier großen Übertragungsnetzbetreiber den Strom nicht an der Börse vermarktet, sondern ihn zu einem einheitlichen Durchschnittspreis an die Betreiber der Verteilernetze verkauft. Entsprechend ist seitdem das Angebot an der Börse erheblich gestiegen und der Preis in den Keller gegangen. Zusätzlich gedrückt wird der Preis durch das vergleichsweise billige Angebot an Kohlestrom, da auch die Emissions-Zertifikate wegen erheblichen Überangebots inzwischen spottbillig sind.