Kleine Rente, früher Tod

Lebenserwartung von 65-Jährigen mit niedriger und hoher Rente. Bild: Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Nach einer Analyse der Daten der deutschen Rentenversicherung leben reiche Rentner durchschnittlich 5 Jahre länger

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Wer reich ist, mag vielleicht nicht glücklicher sein als ein armer Mensch, aber er kann sich nicht nur mehr leisten und leichter vielen seiner Wünsche nachgehen, er lebt normalerweise auch gesünder, sorgloser und vor allem länger. Das haben nun Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung für Deutsche anhand Daten der Rentenversicherung erneut in einer im Journal of Epidemiology and Community Health veröffentlichten Studie bestätigt (Demografische Forschung).

Lucas Cranach d. Ä.: Der Jungbrunnen, der auch vom Geld abhängt. Bild: gemeinfrei/FDL

Die Wissenschaftler konnten aber auch zeigen, dass nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich größer geworden, sondern auch parallel dazu die Kluft der Lebenserwartung zwischen Menschen mit niedrigen und hohen Renten. Im Leben scheint es mithin keine ausgleichende Gerechtigkeit zu geben. Höhere Lebensqualität schlägt sich auch quantitativ in mehr Lebensjahre nieder. Man könnte auch biblisch sagen: Wer hat, dem wird gegeben.

Frauen haben die Demografen nicht in ihre Analyse eingeschlossen, weil deren Einkommen schwerer zu ermitteln sei, weil es sich oft aus unterschiedlichen Quellen speist. Auch Ausländer und Männer mit Migrationshintergrund wurden nicht berücksichtigt. Beamte und Selbständige sowie Menschen, die weniger als 30 Rentenpunkte angesammelt haben. Das würde die Aussagen aber scher beeinträchtigen, sagen die Demografen, weil es sich um kleine Gruppen handelt. Allerdings könnte durch deren Einbeziehung die Kluft noch größer werden. Andere Einkünfte wurden nicht berücksichtigt.

Allgemein ist zwar die Lebenserwartung bei den einkommensschwachen Männern auch gestiegen, aber nicht so stark wie bei den reicheren. In Ostdeutschland haben nach den Berechnungen der Demoskopen vor allem die Menschen mit hohen Renten das Ost-West-Gefälle in der Lebenserwartung geringer gemacht, aber es existiert weiter. Die Lebenserwartung von Männern mit hohen Renten hingegen hat sich in Ost und West angenähert.

Stärker ist allerdings der Unterschied zwischen Männern mit den kleinsten Renten (30 bis 39 Rentenpunkte) und denen mit den höchsten Renten (über 65 Rentenpunkte) angewachsen. Im Westen lebten 2008 reichere Rentner durchschnittlich 4,8 Jahre länger, im Osten sogar 5,6 Jahre, Mitte der 1990er Jahre waren es nur 3 bzw. 3,5 Jahre:

65-Jährige mit sehr kleinen Renten durften im Jahr 2008 mit einer Lebenserwartung von 79,8 Jahren rechnen. Für gleichaltrige Rentner mit hohen Bezügen ergab sich dagegen eine Lebenserwartung von 84,3 Jahren.

Interessant ist, dass sich Veränderungen bei den Unterschieden auch in kurzen Zeitspannen zeigen. So ist ab Mitte der 1990er Jahre die Lebenserwartung bei den einkommensschwachen noch langsamer als zuvor im Vergleich zu den reichern gewachsen. Der Abstand zur Lebenserwartung der Reicheren ist innerhalb von wenigen Jahren gleich um mehrere Monate angestiegen, ab 2000 haben sich unterschiedlichen Geschwindigkeiten wieder ein bisschen angenähert. Es könnte also auch ein Kriseneffekt gewesen sein, weswegen interessant gewesen wäre, wie der Trend nach der Finanzkrise 2008 gewesen ist, was aber die Analyse nicht berücksichtigen konnte.

Solche schleichenden, aber drastischen Veränderungen werden offensichtlich von den Betroffenen kaum wahrgenommen, die sich dem Schicksal zu fügen scheinen. Aber das Schicksal ist gesellschaftlich konstruiert, was die Bezahlung der Arbeit, die Umverteilung der Vermögen und die Chancengleichheit der Bildung betrifft. Schließlich haben die Kinder von Reicheren und besser Gebildeten schon bessere Ausgangsbedingungen, die sich dann auch noch in ein längeres Leben niederschlagen. Durchschnittlich 5 Jahre sind nicht wenig. Aber die geringere Lebenserwartung ist sicher nicht eine Folge der geringeren Rente, sie ist nur Ausdruck, dass das Arbeitsleben anders verlaufen ist als das der Toprentner.