Willkür und Angst

Wie Ausländer in den Emiraten behandelt werden

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Die Berichte über 40 nepalesische Arbeiter, die an den Folgen unmenschlicher Arbeitsbedingungen auf den Baustellen der Sportstadien für die Fußball-WM verstorben sind, brachten die Arbeits- und Lebensbedingungen von Ausländern in den Golf-Staaten zumindest kurzfristig in den Fokus der breiten Öffentlichkeit. Nach der ILO gibt es in den Golfstaaten 600.000 ausländische Zwangsarbeiter, die angelockt worden und in den Ländern festsitzen. Doch Unrecht und Willkür gehören in diesen Staaten zum Alltag. Besonders für asiatische Hilfsarbeiter, in verminderter Form aber auch für deutsche Geschäftsleute.

Seit 500 Tagen gefangen in Barhain

In der Deutschen Botschaft ist man außer mit der Förderung des deutschen Außenhandels auch immer mal wieder mit dem Fall RK542E befasst. Dahinter verbirgt sich der deutsche Geschäftsmann Jürgen Ziebell, der seit inzwischen mehr als 500 Tagen gegen seinen Willen an der Ausreise aus Bahrain gehindert wird. Er dient als Faustpfand in einem Streit zwischen einer bahrainischen Firma und deren Geschäftspartner in Kuwait.

Ziebell, 48 Jahre alt, zuvor tätig als Marketingdirektor, Senior Project Manager oder Geschäftsführer für deutsche und ausländische Firmen, war seit 2009 beschäftigt als Senior Project Manager bei einer Bahrainischen Firma mit deutschen Inhabern. Ab Mai 2011 Managing Director einer neuen Firma der gleichen Gesellschafter bis zum 11. November 2011. An diesem Tag erfolgte der Ausgleich offener Gehaltszahlungen durch den Eigentümer mit Schecks, die am 1.12.2011 und 1.1.2012 fällig waren. Doch alle Schecks wurden von der Bank wegen falscher Unterschrift abgelehnt.

Im Dezember 2011 reiste Ziebell für ein Übergangsprojekt nach Hamburg, um am 10. Mai 2012 wieder nach Bahrain zu fahren. Geplant war dieses Mal nur ein Kurztrip, ein Besuch bei Geschäftspartnern mit der Absicht, neue Projekte zu entwickeln. Für ein paar Tage wohnte er bei einem ehemaligen Kollegen. Doch daraus sollten Wochen, Monate und fast zwei Jahre werden. Denn am 14.Mai 2012 erfuhr er, dass gegen seinen letzten Arbeitgeber seit April 2012 ein Gerichtsverfahren anhängig war und dass sein Name nicht aus dem Handelsregister entfernt wurde. Das hätte sein Nachfolger als Geschäftsführer schon deshalb machen müssen, weil er nur so eine Funktion, nämlich die Führung der Geschäfte, ausüben konnte. Hat er aber nicht getan - vielleicht aus dem Kalkül heraus, die Verantwortung für nachfolgende Geschäftsvorgänge auf seinen Vorgänger abwälzen zu können.

Reiseverbot als Druckmittel

Die gegen seinen früheren Arbeitgeber klagende Firma erwirkte einen "Travel ban" gegen den deutschen Geschäftsmann, verbunden mit einer Konto-Sperre.

Eine sehr typische Maßnahme, die für nur 60 Euro in Bahrain erstaunlich einfach zu erwirken ist. Es bedarf keines Gerichtsverfahrens oder einer Anhörung. Es gibt nicht einmal eine schriftliche Mitteilung über diese Maßnahme! Bis zum heutigen Tage habe ich außer einer arabischen Klageschrift gegen meinen ehemaligen Arbeitgeber, kein einziges Dokument in meinen Händen. Keine Vorladung, keine Begründung, kein einziges Schriftstück, welches mich persönlich belastet.

Ziebell

Belastende Schriftstücke dürfte es auch kaum geben, denn der Rechtsstreit zwischen den beiden Firmen beziehe sich auf geschäftliche Vorgänge aus dem Zeitraum nach seinem Ausscheiden aus der Firma, so der Betroffene. Dennoch wird er seit Mai 2012 als "menschliches Pfand" in diesem Rechtsstreit festgehalten.

Ziebell verbringt die ersten Wochen mit der Suche nach einem Anwalt, einem erfolglosen Gespräch mit der Deutschen Botschaft und dem Kontaktieren von Freunden und Bekannten in Bahrain.

Anwaltshonorare zwischen 200 und 24.000 Euro

Es stellt sich heraus, dass ein Anwalt ca. 12.000-24.000 Euro Anzahlung verlangt, um den Fall anzunehmen. Absolut unangemessen und de Facto auch illegal, aber kein Anwalt bricht aus dieser Gebühren-Absprache aus, da die offizielle Bahrainische Gebührenordnung ihnen nur 150 bis 200 Euro zusprechen würde. Bezogen auf Ziebells Anwaltssuche teilte das Auswärtige Amt auf Fragen von Telepolis mit:

Deutsche Staatsangehörige, die im Ausland mit einem Ausreiseverbot eines ausländischen Staates belegt werden, werden auf Wunsch von der zuständigen Auslandsvertretung konsularisch betreut. Das Konsulargesetz bietet keine Rechtsgrundlage für die Bezahlung eines zusätzlichen Rechtsbeistands, der betroffene deutsche Staatsangehörige in Bahrain wird durch einen amtlichen Rechtsbeistand vertreten.

Die Geisel erinnert sich:

Beim ersten Besuch in der Deutschen Botschaft ist der Tenor, dass man nicht zuständig ist. Man bietet eine Liste von Anwälten aus dem Internet an und wünscht viel Glück. Obwohl mir nur Tage nach dem Besuch Hilfe gemäß Konsulargesetz rechtlich zugestanden hätte, werde ich praktisch eiskalt vor die Tür gesetzt. Im September sind die Gespräche dann fruchtbarer, nachdem ich eine große Pressekampagne gestartet hatte.

Erst nach 5 Monaten, im Oktober 2012 hatte er sich aufgrund von Auslands-Sozialhilfe, die er in seiner Heimatstadt Hamburg beantragt hatte, ein eigenes Zimmer anmieten können.

Thema im Bundestag

Mit Hilfe von Freunden und mit Hilfe eines Kontaktes in der Gerichtsverwaltung reichte er nach weiteren 6 Wochen einen Antrag auf Befreiung vom Reiseverbot ein. 3 Wochen später fand eine Gerichtsverhandlung statt, in der er sich - mangels Anwalt - selbst vertreten musste. Sie dauerte nur zwei Minuten und wurde vertagt.

Schließlich fand er mit Hilfe der Botschaft einen Anwalt, der für den offiziellen Gebührensatz tätig wurde. Doch das Engagement des Anwalts hielt sich zunächst in Grenzen. Erst als im fernen Deutschland der frühere Richter am Bundesgerichtshof, der damalige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic sich einschaltete und einen deutlich formulierten Brief an das Auswärtige Amt richtete, begann die Deutsche Auslandsvertretung allmählich mit ihrer Arbeit.

"Am 18.9.2012 meldete sich erstmals mein Pflichtverteidiger in Sachen Travelban und vereinbarte einen Termin mit mir", so Ziebell. Doch Prozesse lassen sich in Bahrain durch Abwesenheit einer Partei ganz einfach verzögern:

Wenn man hier nicht bei Gericht erscheint, dann wird der Termin vertagt. So können Verfahren problemlos und ganz legal über viele Jahre verzögert werden. Dieses Instrument wird je nach Interessenlage gern und häufig genutzt.

Ziebell

Bis Ende September 2013 tat sich in der Sache nichts. Stand Oktober 2013 ist, dass wahrscheinlich in 2014 mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Jürgen Ziebell berichtete auf seinem Blog über den Albtraum in Bahrain.

Auf eine formelle Bundesanfrage der Grünen Abgeordneten Claudia Roth hin erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Georg Link, "der Fall des deutschen Staatsangehörigen J.Z. ist dem Auswärtigen Amt seit September 2012 bekannt." Seit Mitte September 2012 werde Herr Z "von der Deutschen Botschaft in Manama konsularisch betreut", heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Und weiter:

Die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Bahrain sprach den Fall Z. mehrfach gegenüber zuständigen hohen Regierungsstellen.. an und bat um Unterstützung, insbesondere zur Verfahrensbeschleunigung (…) Im Oktober 2012 und erneut Anfang September diesen Jahres wurde der Fall Z. durch den Regionalbeauftragten des Auswärtigen Amtes für Nah- und Mittelost und Maghreb, Botschafter Boris Ruge, in bilateralen Gesprächen gegenüber hochrangigen bahrainischen Regierungsmitgliedern, mit dem Petitum einer schnellen und pragmatischen Lösung des Falles angesprochen.

Telepolis gegenüber wiederholte die Pressestelle des Auswärtigen Amtes diese Darstellung.

Und wenn Jürgen Ziebell 2014 noch nicht frei sein wird, wird die Bundesregierun darüber sicher noch mal mit den Regierungsstellen in Bahrain sprechen und 2015 auch noch mal… Denn die Bundesregierung bevorzugt in solchen Fällen das ruhige Gespräch und den diplomatischen Dialog.

Schließlich handelt es sich bei Bahrain und den anderen Golfstaaten um gute Kunden deutscher Produkte. So wurden allein im ersten Halbjahr 2013 bereits Ausfuhren im Wert von 817 Millionen Euro nach Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate genehmigt. Da muss so eine Botschafterin schon mal Prioritäten setzen. Vielleicht hat sie deshalb bisher jegliches persönliche Gespräch mit der deutschen Geisel zu vermeiden gewusst.