Steuern die USA auf eine "finanzielle Apokalypse zu?"

Auch zwei Wochen Shutdown haben noch zu keinem Ergebnis zwischen Demokraten und Republikanern geführt. Das Volk ist des Hin und her der beiden etablierten Parteien überdrüssig

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Tag 14 des Government Shutdown: Von den 2,1 Millionen zivilen Arbeitskräften der US-Bundesverwaltung hat der landesweit größte Arbeitgeber knapp eine halbe Million beurlaubt. Kultureinrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Naturparks und Tourismuszentren sind weiterhin geschlossen. Polizei und Militär arbeiten weiterhin

Verteidigungsminister Chuck Hagel befahl 350.000 zunächst zwangsbeurlaubte Arbeiter des Pentagon wieder zurück an ihren Arbeitsplatz. Er berief sich dabei auf ein Gesetz (Pay Our Military Act, HR 3210) über unverzichtbare Dienstleistungen, das man erst kurz vor dem Shutdown verabschiedet hatte. Das Rüstungsunternehmen Sikorsky Aircraft, das den Black Hawk Helikopter produziert, sah es mit Wohlwollen und entschied, doch keine eigenen Arbeiter zu entlassen.

Doch auch beim Militär läuft nicht alles seinen gewohnten Gang: die Abfindungszahlungen in Höhe von 100.000 US-Dollar für Familienangehörige im Dienst verstorbener US-Soldaten wurden unterbrochen. Man hätte gegenwärtig schlicht nicht die "rechtliche Befugnisse", Geld auszugeben, ließ der Sprecher des Verteidigungsministeriums verlauten. Als der Aufschrei zu groß wurde und die Medien von einem "Skandal" schrieben, verabschiedete der Kongress dann doch kurzerhand eine Gesetzesvorlage, die die Auszahlungen wieder ermöglichte.

Kein Extra-Gesetz benötigt dagegen die NSA. Sie hat weiterhin Zugriff auf ihr 10,8 Milliarden US-Dollar Budget, berichtet die Washington Post. Allerdings muss dafür die "Review Group on Intelligence and Communications Technologies"- jene Behörde, die die Arbeit der NSA beaufsichtigt - erst einmal ohne Geld auskommen.

Tag X

Während der Streit um einen Haushalt für das am 1. Oktober begonnene Fiskaljahr 2014 bisher noch zu keinem Kompromiss geführt hat, rückt die potentiell weitreichendere Katastrophe näher: Am Donnerstag erreichen die USA ihre Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen US-Dollar (12,3 Billionen Euro). Sollte sie nicht angehoben werden, wäre das Land seinen Gläubigern gegenüber zahlungsunfähig. Das käme einer "finanziellen Apokalypse" gleich, durch die die Dimension der Lehman-Pleite nachträglich auf die Ausmaße eines Zwerges schrumpfen würde, warnt Bloomberg.

Angesicht des finanziellen Abgrunds scheint der Stellungskrieg zwischen Republikaner und Demokraten scheinbar aufzuweichen. Dazu kam ein Besuch der Banken-Lobbygruppe Financial Services Forum, um Goldman Sachs' CEO Lloyd Blankfein. Man schaute noch einmal persönlich im Weißem Haus vorbei, um Obama vor den dramatischen Konsequenzen einer Staatspleite zu warnen.

Angebot Repräsentantenhaus

Am Donnerstag wurde der erste Vorschlag ohne Fokus auf den bisherigen Streitpunkt "Obamacare" (Das große Übel) präsentiert. Die Republikaner im Repräsentantenhaus boten eine kurzfristige Anhebung der Schuldenobergrenze für sechs Wochen bei anhaltendem Shutdown an. Das sollte die Apokalypse verhindern, aber gleichzeitig den Druck aufrechterhalten, um mit Obama über den Haushalt zu verhandeln und ihn zu Zugeständnissen zu treiben.

Das Weiße Haus nannte die Offerte ein "vielversprechendes Zeichen". Und Fraktionsvorsitzender Boehner sagte stolz: "Es ist an der Zeit für Führung. Es ist Zeit, dass diese Verhandlungen und Gespräche beginnen." Am gleichen Tag veröffentlichten NBC News und das Wall Street Journal jedoch eine nationale Umfrage, die moderaten Republikaner zu denken geben durfte, die ein Magazin "pretty brutal" nannte und die deutlich machte, wem das US-Volk die Hauptschuld an dem Hin und her der Haushaltskrise gibt. Demnach sind nur noch 24 Prozent der US-Bürger zufrieden mit dem Verhalten der Republikaner. Laut einer Gallup Umfrage war die Partei während der letzten zwei Jahrzehnte nie so unbeliebt wie heute. Weder zur Zeit des Amtsenthebungsverfahren Clintons, noch während der von Bush Jr.

"Kreditausfall-Steuer"

Die Umfrage bestärkte Obama wohl, trotz der kritischen Situation weiterhin auf einen so genannten Clean-Deal ohne Zugeständnisse seinerseits bestehen zu können: Der Vorschlag der GOP wäre nicht ausreichend, sagte er und erklärte das mit den drohenden wirtschaftlichen Konsequenzen.

Die Diskussion über die Schuldenobergrenze lediglich ein paar Wochen nach hinten zu verschieben, so Obama in seiner wöchentlichen Radio- und Internetansprache, würde heißen, dass der "Flirt mit dem Desaster" lediglich inmitten des wichtigen Thanksgiving-Urlaubsshopping wieder auftauche. Und das hieße: Die Bevölkerung müsste tiefer in die Tasche greifen, um sich Geld zu leihen. Es drohen Umsatzeinbußen.

Obama erhöhte dann seinerseits den Druck auf die politischen Kontrahenten, als er sagte, dass der Vorschlag der GOP auf eine neue Steuer für jede Familie und jedes Unternehmen in Amerika hinauslaufen würde: "Eine republikanische Kreditausfall-Steuer."

Senat soll die Lösung bringen

Seitdem herrscht Stillstand. "Sie reden nicht mehr miteinander", sagte Harry Reid, Fraktionsvorsitzender im von den Demokraten gehaltenen Senat über das Verhältnis zwischen Weißem Haus und Boehners Republikanern.

Seitdem das Repräsentantenhaus aus dem Spiel ist, hat sich Hoffnung auf eine Lösung nun auf den Senat verlagert. Am Wochenende kursierte ein 6-Punkte-Entwurf der republikanischen Senatorin Susan Collins. Er sieht eine Anhebung des Schuldenlimits bis Ende Januar 2014 vor. Die Regierung würde einen Übergangsetat bis März erhalten, allerdings solle auch die durch Obamacare auferlegte 2.3 Prozent Steuer auf medizinische Geräte um zwei Jahre verschoben werden.

Bisher wurde der Vorschlag von den Demokraten abgelehnt, weil, so heißt es, das Ausgabenlevel von 967 Milliarden US-Dollar zu niedrig wäre. Die von den Demokraten geschätzte Collins selbst glaubte am Sonnabend, dass der Plan dennoch irgendwie zur Abstimmung kommen könnte: "Sechs republikanische und sechs demokratische Senatoren haben sich heute zweimal getroffen, um darüber zu sprechen, wie wir den Plan oder eine Version davon voranbringen können. Die Treffen waren konstruktiv und lassen mich hoffen, dass eine parteiübergreifende Lösung ... in Reichweite ist."

Reid allerdings machte deutlich, dass Vorschläge, die Regierung weiterhin zu finanzieren und die Schuldenobergrenze anzuheben, kein "Gefallen" wäre, den die Republikanern den Demokraten machen würden. Es sei schließlich Teil des Jobs des US-Kongresses, das Land am Laufen zu halten. In anderen Worten: Es könne nur eine Lösung ohne Zugeständnisse geben. "Ein Vorschlag, der die Billigung des Senats und des Repräsentantenhauses und des Präsidenten erhalten wird, ist gegenwärtig nicht vorhanden", brachte eine demokratische Senatorin die Situation auf den Punkt.