Griechenland: Ein Herz für Reeder

Smogwolke über Athen im letzten Winter. Bild: W. Aswestopoulos

Athen befindet sich erneut im Clinch mit der Troika. Wer kontrolliert die Prüfer?

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Etwas anders als sonst gibt sich die Regierung Samaras diesmal entschlossen, sich nicht allen Forderungen der Troika zu unterwefen. So genannte horizontale Maßnahmen, sprich das planlose Kürzen von Löhnen und Renten bei gleichzeitiger Erhöhung von Kopfsteuern, schließt Samaras kategorisch aus. Er weiß allerdings, dass unter den gegebenen Umständen sonst seine Parlamentsmehrheit in Gefahr wäre. Schließlich zeigen die endgültigen Wirtschaftszahlen für 2012, dass die Rezession mit dem Rettungsplan der Troika erneut 6,4 Prozent betrug. Samaras spielt offen mit der Androhung von Neuwahlen, was den Koalitionspartner PASOK bereits in Alarm versetzt hat.

Samaras sucht eine politische Lösung

Parallel zu den Ankündigungen für Neuwahlen gibt sich Samaras selbstbewusst als Macher. Er plant in Interviews bereits bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode und verkündet Linderung der Leiden für die Armen. Dafür möchte der Premier 70 Prozent des in diesem Jahr erwirtschafteten Primärüberschusses des Staatsetats verwenden. Samaras und Stournaras sprechen momentan von 500 Millionen Euro Primärüberschuss. Unter einem Primärüberschuss verstehen die Staatsökonomen einen vor der Altschuldenabzahlung manifestierten Kassenüberschuss.

Vor Monaten noch war von knapp drei Milliarden Euro die Rede. Doch selbst der kleinere Primärüberschuss wird vielerorts, nicht nur von der Troika, angezweifelt. Außer den üblichen Stimmen der Opposition werden auch von der unabhängigen wissenschaftlichen Rechnungsstelle des griechischen Parlaments Einwände erhoben.

Zwischen Regierung und Troika sorgt vor allem die Haushaltsberechnungsmethode für Zank. Die Troika sieht für das kommende Jahr ein Haushaltsloch in der Größenordnung von drei Milliarden Euro, die Regierung dagegen kalkuliert mit bis zu 500 Millionen Euro. Samaras Androhung von Neuwahlen zielt auf nichts anderes ab, als eine, wie es in Athen heißt, politische Lösung für das griechische Etatproblem zu finden. Das klingt ebenso wie die Erklärung für Griechenlands Beitritt zur Eurozone. Auch damals war es eine politische Entscheidung, zu deren Folgen auch aus Griechenland Warnungen kamen.

Beim aktuellen politischen Poker hat Samaras zumindest einige Trümpfe in der Hand. Denn außer den Griechen selbst produziert auch die Troika zahlreiche Schildbürgerstreiche. Samaras kann aber momentan weder auf eine politische Lösung noch auf eine schärfere Überwachung der Troika durch die Politik hoffen. Denn für beide Angelegenheiten liegt das letzte Wort in Berlin. Und dort herrschen Koalitionsverhandlungen. Somit kommentiert in Berlin niemand, dass es in Griechenland statt einer umweltfreundlichen Energiewende im besten Fall ein rigoroses Abholzen der verbliebenen Wälder geben wird.

Finanzminister Stournaras. Bild: W. Aswestopoulos

Griechenland holzt weiter ab

Seit 2011 hatte das Finanzministerium sukzessive die Heizölbesteuerung angehoben. Vorgebliches Ziel war es, den Schwarzhandel einzudämmen. Das Öl für die Schifffahrt ließ man jedoch unangetastet. An die offensichtlich ebenfalls am Schmuggel verdienenden Raffinerien trauten sich weder Regierung noch Troika ran (Morddrohung wegen eines Berichts über Dieselschmuggel). Weiterhin bekommen auch die ohnehin von Einkommenssteuern verschonten Reeder ihren Kraftstoff steuerfrei, während die Bürger für einen Liter Heizöl den Preis für Diesel zahlen müssen.

Bei Preisen von 1,31 Euro bis 1,41 Euro pro Liter ist dies den meisten kaum möglich. Wie kalt es im Urlaubsland werden kann, konnten die Einwohner von Florina in Nordgriechenland bereits Anfang Oktober berichten. Sie meldeten Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes. Im nordgriechischen Nevrokopi, nahe der Stadt Drama herrschen im Winter traditionell Temperaturen um minus achtzehn Grad. Kurz, es gibt im Land zahlreiche Regionen, in denen für die Beheizung einer Bleibe von 80 qm 2.500 Liter Heizöl pro Wintersaison nötig sind. Bei einem Mindestlohn von unter 500 Euro für Arbeiter und einer landesweiten Arbeitslosenquote von knapp 27 Prozent kann sich jeder ausrechnen, dass allein die Heizung mehr als die Hälfte des Einkommens kosten kann.

In ihrer Not hatten viele im letzten Jahr in provisorisch installierten Kanonenöfen alles verfeuert, was brennbar war. Nicht selten landeten Plastikflaschen, aber auch lackierte Hölzer im Feuer. Über Großstädten wie Athen bildeten sich im relativ milden Winter 2012/13 wochenlang Smogwolken, die von Augenbrennen, Atemnot bis hin zu Kreislaufproblemen nahezu die gesamte Bandbreite der akuten medizinischen Notfälle auslösten. Beim Kassensturz musste das Finanzministerium kleinlaut eingestehen, dass es statt Mehreinnahmen einen Einnahmeausfall in achtstelliger Höhe hinnehmen musste. Reihenweise meldeten zudem Heizölhändler Konkurs an.

Als einzige soziale Gegenmaßnahme hatte der Finanzminister im letzten Jahr versprochen, sozial schwachen Familien eine Rückerstattung zu gewähren. Viele, die darauf vertrauten und nach einer Zusage ihres Antrags Heizöl orderten, warten immer noch auf die Begleichung der Rechnung. Zudem ergibt sich aus den Kriterien für die Rückerstattung vor allem in Mehrfamilienhäusern ein Problem. Die meisten verfügen nur über Zentralheizungssysteme. Da hilft es kaum, wenn ein Teil der Mietparteien eine Zusage für die Rückerstattung erhält. Denn die übrigen Bewohner sind größtenteils nicht gewillt, dass teure Brennmaterial mit zu finanzieren. Kurzum, die Maßnahme kann mit Fug und Recht als gescheitert angesehen werden.

Dabei kommt hinzu, dass mittlerweile sämtliche Zapfstellen im Land an ein zentral verwaltetes Computersystem mit dem Namen Hephaistos angeschlossen sind. Kein einziger Liter kann ohne Meldung ans Finanzministerium verkauft werden. Ohne Kontrolle verbleiben lediglich, wie immer, die Reeder. 26 Parlamentarier der Nea Dimokratia ersuchten daher Finanzminister Stournaras, endlich den Fehler einzusehen und zu korrigieren.

Der parteilose Stournaras blieb hart. Sein Vize Christos Staikouras hörte dagegen auf seine Parteifreunde und wagte einen Alleingang. Er beantragte bei der Troika die Minderung der Steuer auf Heizöl um 15 Prozent und scheiterte. Die Troika erweiterte lediglich den Personenkreis, der bei entsprechender Vorauszahlung auf eine Rückerstattung hoffen könnte Die Nea Dimokratia hingegen fühlt sich brüskiert. Hatte man sich doch den Kampf um bezahlbares Heizöl auf die Parteifahnen geschrieben. Nicht zuletzt deshalb droht Samaras nun offen mit dem Bruch, wie auch der von einem seiner Vertrauten, Link auf :38658, mitbetreute Webdienst Antinews verkündete.

Steuerfreie Reeder noch mehr fördern

Ein Herz für Reeder zeigte die Troika noch an einer weiteren Stelle. Anstatt nach Wegen zu suchen, die Schiffseigner endlich zu besteuern, drängt sie darauf, diesen noch mehr Zugeständnisse zu machen.

Die Sicherheitsbestimmungen für Schiffsbesatzungen sollen gelockert werden, damit Schiffe mit weniger Matrosen auskommen können. Dass damit das Heer der Arbeitslosen weiterhin erhöht würde und dass die Steuerfreiheit der Reeder ursprünglich mit deren Rolle als Arbeitgeber gekoppelt wurde, interessiert die Prüfer nicht. Welchen Sinn die Gewinnmaximierung steuerfreier Unternehmer bei gleichzeitiger Minderung der Steuerzahler macht, können sie ebenfalls nicht erklären.

Bislang verweigert Marineminister Miltiadis Varvitsiotis der Forderung die Zustimmung. Ohne Herz für Reiche ist er aber nicht. Denn Varvitsiotis möchte im Sinn eines freien Wettbewerbs die jüngst erst eingeführten Luxussteuern für Yachten kippen.

Den Reedern möchte er auf anderen Wegen Geld zukommen lassen. Varvitsiotis meint, dass es ungerecht sei, wenn der öffentliche Nahverkehr über Land mit 400 Millionen Euro gefördert wird, die Seefahrt zu entlegenen Inseln dagegen nur mit 80 Millionen Euro pro Jahr.

Wirtschaftsminister Chatzidakis. Bild: w. Aswestopoulos

Die Troika verlangt, die EU verweigert

Wie Odysseus auf See, zwischen Scylla and Charybdis muss sich Wirtschaftsminister Kostis Chatzidakis fühlen. Die Troika verlangt von ihm eine sofortige Privatisierung der Staatsbahn OSE. Chatzidakis unternahm alles, um diese Forderung zu erfüllen. Denn ohne den Verkauf möchte die Troika die nächste Tranche verweigern.

Leider aber fand sich nur ein Interessent. Das wiederum brachte die Wettbewerbskommission der EU auf den Plan. Sie verweigert dem Deal die Zustimmung. Dass die Wettbewerbskommission der EU faktisch selbst zur aus EU, EZB und IWF bestehenden Troika zählt, möchte keine der Parteien einsehen. Zudem möchte die EU von der OSE Gelder zurück. Die Bahnbetreiber konnten geförderte Bauprojekte nicht rechtzeitig fertig stellen. Kunststück, die Bauprojekte waren zuletzt 2011 wegen des Sparzwangs eingefroren worden.