Google-Smog: Nach dem Nebel wirbt man für Hundefutter

Die Nutzungsbedingungen von Google und Facebook sind so schwer verständlich wie epische Versdichtung, weswegen sie nur die Hälfte der Nutzer lesen kann, behaupten britische Informatiker

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"Gobbledygook" leuchtet jedem Kind ein, der Klang sagt schon beinahe alles: Es bedeutet ein schwer verständliche Aneinanderreihung von Worten; ins Deutsche übersetzt mit Fachchinesisch, Kauderwelch, Amtsgeschwurbel. Anders dagegen die Nutzungsbedingungen von Google, die am 11. November in Kraft treten. Sie sind nur einem Teil der Erwachsenen verständlich. Mit dem neuen Opt-In merken sie es dann, wenn ihr Bild unter einer Hundefutterwerbung prangt, der sie irgendwo vier Sterne gegeben haben (Google will mit Nutzern werben).

"Gobbledygook" ist Bestandteil des SMOG-Grades - "Simple Measure of Gobbledygook" -, das die Lesbarkeit eines Textes einstuft. Die Häufigkeit des Vorkommens von mehrsilbigen Wörtern und die Anzahl der Sätze werden in eine filmschöne Formel verbaut, um daraus zu ermessen, welchem schulischen Niveau der Schwirigkeitsgrad des Textes entspricht. SMOG liegt auch dem Google-Chrome-Plug-In Literatin zugrunde.

Damit haben Mitarbeiter der Informatikabteilung der Universität von Nottingham die neueste Version der Google-Nutzungsbedingungen angeschaut und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass der SMOG-Grad von Google’s latest terms and conditions mit 15.48 auf vergleichbarer Höhe liegt wie die "Ilias" von Homer (15.3), in der englischen Übersetzung, oder dem altenglischen Beowulf (13.9), einem epischen Heldengedicht in angelsächsischen Stabreimen, vielleicht noch manchem aus dem Englischunterricht bekannt.

Auch "Krieg und Frieden" von Tolstoi wird mit dieser Messung in die gleiche Verständlichkeitsstufe eingeordnet. Das Literaturliebhabern die Haare aufstellen, ist doch Homer etwa berühmt für ausgesprochen malerische Adjektive - das fischdurchwimmelte Meer, der helmumflatterte Hektor, die hauptumlockten Achaier, die nahrungssprossende Erde etc. Und sein Epos von einer unmittelbaren Anschaulichkeit, die in Googles Nutzungsbedingungen nicht zu lesen ist:

Daß ihm tief in den Bauch eindrang die ragende Lanze; Dumpf hinkracht' er im Fall.

Um solche Unterschiede ging es den School of Computerscience-Forschern aus Nottingham nicht. Sie hielten sich listenreich an den zählwertumflatterten SMOG-Grad, der einen Vergleich von Machiavellis "Der Fürst", Melvilles "Moby Dick" mit Geschäftsbedingungen von großen Internetunternehmen erlaubt. Für Googles Nutzungsbedingungen heißt das, dass nur Leser in Großbritannien, die die wichtigste Abschlussprüfung für die Sekundarstufe I, das GCSE, geschafft haben, statistisch in der Lage sind, sie zu verstehen. Das entspricht 43 Prozent der erwachsenen englischen Bevölkerung, heißt es aus Nottingham.

Noch weniger dürften Facebooks Nutzungsbedingungen verstehen. Dessen SMOG-Grad gibt das Literatin-Plug-In mit 19,39 und stellt es mit Machiavellis Fürst auf eine etwa gleich hohe Stufe. Windows Live (Hotmail, Bing) bekommt den Wert 17 und liegt damit im Verständlichkeitsschwierigkeitsgrad über Moby Dick.

Nur etwa die Hälfte der Nutzer dürften verstehen, welchen Bedingungen sie zustimmen, wenn sie ihr Häckchen setzen, schätzen die Informatiker der Nottingham University. Es dürften weit unter fünf Prozent sein, die solche Nutzungsbedingungen überhaupt durchlesen, so die private Schätzung. Man will sich davon nicht aufhalten lassen. Sie sind zu lang und leider eben nicht mit epischen Erzählungen zu vergleichen.