Haiders Hausbank als größter "Kriminalfall Europas"

Hypo Alpe Adria Hauptsitz in Klagenfurt. Bild: JJ55/GFDL

Die wesentlichen Akteure der Hypo Alpe Adria werden vom Chef der bankinternen Ermittlungsabteilung öffentlich als "kriminelle Organisation" bezeichnet

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Der frühere Polizist Christian Böhler, der nach einem Wirtschaftsstudium bei der KPMG angeheuert hatte und seit drei Jahren Teamleiter des internen Forensik-Teams der Kärntner Skandalbank ist, hat sich in einem Interview mit dem "Standard" weit aus dem Fenster gelehnt: Die "wesentlichen Player" der Hypo hätten eine kriminelle Organisation gebildet und "mit Schwerstkriminellen, Geheimdienstlern, Militaristen, hochrangigen, bestechlichen Politikern kooperiert". Nach der Analyse von 1100 Fällen spricht er vom "größten Kriminalfall Europas nach dem Zweiten Weltkrieg" und von einer Schadensumme von einer Milliarde Euro, weshalb bereits rund hundert Anzeigen eingebracht wurden und weitere folgen werden.

Die Vorwürfe sind nicht neu und wurden auch von Telepolis schon 2009 in den Raum gestellt ("Die Hypo Group Alpe Adria ist einer der größten Kriminalfälle in Europa"). Auch lässt sich darüber streiten, ob nicht Fälle, wie etwa der Skandal um die Vatikan-Bank IOR, vielleicht noch größere Dimensionen angenommen hätten, wären sie ernsthaft aufgeklärt worden. Allerdings zeigt die Hypo Alpe Adria - getreu dem österreichischen Sprichwort: Der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken -, wie eine Institution durch und durch korrumpiert werden kann, wenn nur die (dafür) richtigen Personen an deren Spitze gelangen.

Mit der Machtübernahme Jörg Haiders im Bundesland Kärnten hatte sich offenbar eine kongeniale Partnerschaft ergeben, die von den Beteiligten mehr als zehn Jahre lang zum beiderseitigen Vorteil gelebt wurde und der es gelungen war, die zahlreichen Hinweise auf illegale Machenschaften stets erfolgreich unter den Teppich zu kehren. Haider, der die ehemalige Landesbank mit 24,3 Milliarden Euro an Landesgarantien ausgestattet hatte und bis zuletzt als Landeskommissar im Aufsichtsrat vertreten war, diente sie als Finanzier nicht nur seiner Partei, sondern auch aller seiner irrwitzigen Projekte. Der Bankvorstand unter Führung des zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilten Generaldirektors Wolfgang Kulterer nutzte hingegen alle Möglichkeiten, sich persönlich zu bereichern. Das hatte die Akteure offenbar eisern zusammengeschweißt, wobei die erforderliche politische Protektion sich zumindest auch auf den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und vielleicht sogar auf dessen ÖVP-Regierungschef Wolfgang Schüssel erstreckt haben muss, dem die Malversationen zumindest kaum entgangen sein können.

Während Haider dadurch vor allem in Österreich problemlos Hypo-Kredite ohne Sicherheiten vermitteln konnte, sah das Management im kapitalistischen Neuland am Balkan die besten Chancen, sich Millionbeträge in die eigenen Taschen zu schaufeln, ohne von den Behörden behelligt zu werden. So waren bis zum Tode Haiders im Oktober 2008 trotz unzähliger Verdachtsmomente zumindest in Österreich alle polizeilichen und parlamentarischen Untersuchungen stets rechtzeitig versandet bzw. abgedreht worden - auch dann noch, als ausländische Gerichte bereits harte Urteile ausgesprochen und die Hypo als Beteiligte genannt hatten.

Das betraf insbesondere Vorfälle in Kroatien, wo die Hypo bei kaum einem Kriminalfall im Zusammenhang mit der Privatisierung von Staatsbetrieben oder dem Verkauf interessanter Tourismus-Immobilien nicht beteiligt war. Typischerweise verkauften lokale Politiker dabei attraktive Grundstücke, die z.B. unter Naturschutzgebiete standen, zuerst billig an Hypo-Gesellschaften, nahmen dann die entsprechenden Umwidmungen vor und teilten sich die Gewinne dann mit der Hypo oder mit einzelnen Hypo-Managern, die zumeist über eine eigens von der Hypo gegründete Zweigstelle in Lichtenstein verteilt wurden. Eine Schlüsselrolle spielte dabei etwa der kroatische Ex-Vizeverteidigungsminister Vladimir Zagorec, der 2009 von einem Zagreber Gericht zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, weil er Edelsteine im Wert von fünf Millionen Dollar mitgehen ließ, als er im Jahr 2000 seinen Posten im Verteidigungsministerium räumen musste.

Gestohlene Juwelen als diskrete "Sicherheiten"

Dass diese Juwelen von der Hypo als diskrete "Sicherheiten" für Kredite angenommen wurden, war in Österreich bereits vermutet worden, nachdem der Hypo-Treasurer Christian Rauscher im Januar 2005 die Polizei von einem Überfall informiert hatte und daraufhin blutverschmiert und mit ernsten Verletzungen in seiner Wohnung vorgefunden worden war. Daraufhin waren Kulterer und der Sicherheitsbeauftragte der HYPO, der dort laut weiteren Prozessakten anscheinend als Mann fürs Grobe agiert hatte, am Tatort aufgetaucht und hatten unter Verweis auf das Bankgeheimnis einen schwarzen Aktenkoffer an sich gebracht. In diesem sollen sich, wie damals durch die Medien ging, die gestohlene Diamanten befunden haben.

Mittlerweile ist Zagorec wieder auf freiem Fuß und aufgrund von 54 Millionen Euro an von Kulterer und Striedinger an ihn vergebenen, nicht nachvollziehbaren Krediten im Visier der österreichischen Behörden. Deshalb soll sich Zagorec, der vor Gericht bislang alle Anschuldigungen geleugnet hatte, der österreichischen Justiz in der Hoffnung auf Haftverschonung bereits als Kronzeuge angeboten haben.

Böhlers Forensik-Team hat inzwischen bereits "rund 1700 Namen und Konten in Liechtenstein gecheckt", wobei sich "rund 300 Konten herauskristallisierten, die mit kriminellen Vortaten zusammenpassen". Organisiert wurde das demnach von einem sehr kleinen Kreis an Verschworenen. So hätten in Liechtenstein nur "25 bis 30 Personen zusammengearbeitet: Banker, Strohmänner, Berater, Treuhänder. Bereichert hatten sich um die zwanzig Personen - und zwar um mehrere hundert Millionen Euro. Auch da sind Ex-Manager der Hypo-Gruppe dabei. "Für die alle wird es jetzt eng", wie Böhler anmerkt, dabei aber keine Politiker erwähnt.