Informatik-Ordinarius schaltet sich in Streit um Schavans Berufung ein

François Bry fragt in einem offenen Brief, ob die ehemalige Forschungsministerin der Münchner LMU Vorteile verschaffen kann, ohne dass dabei gegen ethische Grundsätze verstoßen wird

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Vor einem knappen Monat entschied der Senat der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) auf Vorschlag des Präsidenten Bernd Huber die über eine Plagiatsaffäre gestürzte ehemalige Bundesforschungsministerin Annette Schavan in den Hochschulrat zu berufen. Der Deutsche Hochschulverband, die nationale Vertretung der Professoren und Lehrbeauftragten, kritisierte diese (ohne Diskussion und ohne geheime Abstimmung getroffene) Entscheidung als "Affront", weil die Universität Düsseldorf Schavan nach gründlicher Überprüfung ihrer Dissertation den Titel entzogen hatte, wogegen die ehemalige Leiterin des katholischen Cusanuswerks nun klagt.

Der Altphilologe Martin Hose, der dem Senat vorsitzt, gab darauf hin zu Protokoll, er könne "verstehen, dass man diese Position bezieht", sie sei aber bei der Entscheidung für Schavan "nicht handlungsleitend" gewesen. Stattdessen habe man die ehemalige Bundesministerin "wegen der strategischen Dimension" berufen.

Die Süddeutsche Zeitung denkt dabei vor allem an die für die Universitäten mittlerweile extrem bedeutsamen Förderprogramme aus dem Bundeshaushalt, wie beispielsweise die Exzellenzinitiative. Ihr zufolge hofft man im Senat, dass die immer noch außerordentlich gut vernetzte Politikerin, "die weiter für die CDU im Bundestag sitzt, dabei hilft, die Uni bestmöglich für die Folgeprogramme zu positionieren" und stellt dabei "Bedenken wegen der Promotionsaffäre […] hintan".

Annette Schavan. Foto: Sigismund von Dobschütz. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Auch die Kritik aus seiner eigenen Universität kümmert Hose bislang wenig. Letzte Woche sah er "keinen Anlass" über die Berufung zu diskutieren und begründete dies damit, dass ihn die Kritik nicht "auf einem formalen Weg" erreicht habe.

Diese Äußerung inspirierte den LMU-Informatik-Ordinarius François Bry dazu, einen offenen Brief ins Web zu stellen, in dem er Hose mitteilt, dass er nun "einen Anlass bekommen [hat], öffentlich Stellung zu nehmen". Außerdem fragt der Ordinarius der Lehr- und Forschungseinheit für Programmier- und Modellierungssprachen den Senatsvorsitzenden, ob Schavan "Auskünfte liefern [kann], die es unserer Universität ermöglich[en], bei Förderprogrammen für Lehre oder Forschung erfolgreicher als andere Hochschulen zu sein, ohne gegen die Ethik zu verstoßen?"

Neben Hose stehen zunehmend Michelle Klein und Theodor Fall in der Kritik - die beiden Vertreter der Studentenschaft im Senat. Sie hatten der Berufung Schavans ebenfalls zugestimmt - und zwar durch Tischklopfen. Auch die 21-jährige Chemiestudentin und der Philosoph mit Nebenfach Theologie lassen bislang keinen Sinneswandel erkennen und verteidigen die ehemalige Bundesforschungsministerin fast schon so professionell wie richtige Politiker: Sie klage ja noch gegen den Entzug ihres Doktortitels und habe "hervorragende bundespolitische Kontakte", außerdem gehe es um Fördermittel, die zum Teil in die Lehre flössen, weshalb ihre Mitgliedschaft im Hochschulrat im Interesse der Studenten liege.

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