Die große Irland-Erfolgsshow

Was würde wohl der irische Nationalheld Parnell zu den Vorgängen sagen?. Bild: R. Streck

Das Land will am 15. Dezember den Rettungsschirm verlassen und gegen jede Realität als "Musterschüler" und erfolgreicher Rettungsfall gefeiert werden

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Die Troika hat sich vorgenommen, Irland mit allen Mitteln als geglückten Rettungsfall zu verkaufen. Doch am "Erfolg" darf massiv gezweifelt werden. Denn auch die über die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB) gesenkten Zinsen sind zu hoch für das Land. Die EZB hat in dem Land sogar illegale Staatsfinanzierung betrieben, um bisher eine Nothilfe 2.0 wie in Griechenland zu vermeiden. Trotz allem verstößt Irland weiter massiv gegen die Anforderung, das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, das bisweilen aufgehübscht wird. Die Verschuldung des Staates ist mit der Bankenrettung in den drei Jahren unter dem Rettungsschirm auf 126% explodiert, weshalb ein immer erheblicherer Teil der Einnahmen auch bei scheinbar bezahlbaren Zinsen in den Schuldendienst fließen. Die Schulden werden angesichts der lahmenden Konjunktur schnell weiter in Richtung unbeherrschbare griechischer Höhen steigen.

Irland aus der himmlichen Perspektive eines Satelliten. Bild: Nasa

In der Euro-Krise ist man in Brüssel bei der EU-Kommission und in Frankfurt bei der EZB zur Devise zurückgekehrt, die am Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise eingesetzt worden war. Schon Ende 2007 und Anfang 2008 so getan, als stünde man nicht vor einer Krise bisher ungekannten Ausmaßes. Nun setzt man in Berlin und Brüssel erneut auf Psychologie als ein zentrales Krisenbekämpfungselement, mit der man vor fünf Jahren kläglich scheiterte. Den Reigen eröffnete schon im Januar EU-Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso. "In der Euro-Krise haben wir das Schlimmste hinter uns", sagte er.

Doch was ist seither passiert? Griechenland, das ist klar, wird weiter systematisch kaputt gespart und braucht nach einem Schuldenschnitt auch ein drittes "Rettungspaket". Auch der kleine Nachbar Zypern wurde über diese Art der "Rettung" mit in den Abgrund gerissen. Dessen Banken mussten über den dauerhaften Rettungsschirm (ESM) derweil auch gerettet werden, in den der temporäre EFSF vom Ausnahmezustand in einen Normalzustand mutierte. Mechanismen wie der ESM sind aber nur nötig, weil die Krise nicht vorbei ist, sondern sich ausgeweitet hat,

In Zypern kam es derweil zum nächsten großen Tabubruch: Nachdem die Steuerzahler über Rettungspakete zur Bankenrettung angezapft wurden, hat man direkt die Sparer zur Kasse gebeten. Alle vorgesehenen Sicherheiten für die Steuerzahler wurden derweil geschliffen und nun sollen sogar Banken schon Zugriff auf die Steuermilliarden erhalten, noch bevor eine Aufsicht geschaffen wurde (Neue Bankenrettungen auf Kosten europäischer Steuerzahler). In den vergangenen Monaten glitt zudem die Euro-Zone wieder in die Rezession und Slowenien entwickelt sich zum nächsten Bankenrettungsfall.

Zudem steckt der italienische Stiefel immer tiefer im Schlamm. Das Land ist weiter nach Griechenland das höchstverschuldete Euroland. Die Lage seiner Banken ist prekär und die Wirtschaft in der Rezession. Zugespitzt werden die Probleme noch durch die politische Dauerkrise um den ehemaligen Präsident Silvio Berlusconi. Für das Land mit einem Schuldenberg von mehr als zwei Billionen Euro und 133% des BIP ist die Lage wegen relativ hoher Zinsen außer Kontrolle. Wie der Stiefel aus dem Schlamm gezogen werden könnte, weiß niemand, aber man bereitet sich in der EU auf den Ernstfall vor, dass auch das drittgrößte Euroland abstürzt und die Zeitbombe am Euro explodiert, die immer lauter tickt.

Das ist der Kontext, in dem nun der Öffentlichkeit eine angeblich erfolgreiche Irland-Rettung verkauft werden soll. Er zeigt, wie nötig angesichts des bisherigen Rettungsdesasters Erfolge produziert werden müssen. Tatsächlich stellt Irland einen Paradigmenwechsel dar, aber nicht in dem Sinne, dass das Land nun wieder auf die Beine kommen, seine Zinsen wieder bezahlen und vielleicht sogar Schulden über seine Wirtschaftsleistung abbauen könnte. Es gibt praktisch nichts, was das Land als "Musterschüler" darstellt, wie es gerade vom Handelsblatt wieder genannt wurde.

"Langsam kommen die Dinge wieder in Fahrt", behauptet die konservative Wirtschaftszeitung. Irland sei zum "Ausstellungsstück für das vor allem in Berlin gemachte Euro-Krisenmanagement" geworden. Und hier treibt Wunschdenken eine falsche Analyse an. So widerspricht das Blatt eigentlich der eigenen Darstellung, wenn es vermerken muss, dass die Konjunktur "schlechter als erwartet" laufe, weshalb die Notenbank "ihre Wachstumsprognose für 2013 von 1,2 auf 0,7%" gesenkt habe. Auch die Zeitung vermerkt, dass es damit noch schwerer werde, "das Defizit wie geplant auf 7,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu drücken". Allerdings muss man dafür auf der Webseite extra ein Fenster zum Krisencheck aufklappen, denn im Text kommt das nicht vor.

Die falsche Analyse basiert darauf, dass im Juni erstmals die Hauspreise um 1,2% gestiegen sind. Und das ist die einzige positive Nachricht, mit der die Zeitung aufwarten kann. Darauf basiert praktisch die gesamte Positiveinschätzung. Die Probleme des Landes werden also auf eine Immobilienkrise verkürzt. Natürlich hat die geplatzte Blase großen Anteil am Absturz der Banken gehabt, deren Rettung das Land mitriss. Dem Land wurde dadurch ein enormes Haushaltsdefizit von 32% und einen Rettungsantrag beschert (Irland erhält teure 85 Milliarden Euro). Doch damit wurden nur weitere Probleme offenbar, die über einen leichten Anstieg der Häuserpreise nicht gelöst werden.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen, dass der "Musterknabe" es im Troika-Programm in all den "Rettungsjahren" nicht geschafft hat, ein zentrales Stabilitätsziel des Vertrags von Maastricht zu erfüllen. Vielsagend ist, dass es nicht einmal mehr als Ziel bis zum Programmende formuliert wurde. Die Defizitziele wurden, wie bei allen anderen Krisenländern, immer wieder nach oben korrigiert. Es müsste eigentlich ein Eingeständnis sein, dass an der Austeritätspolitik etwas falsch sein muss, wenn kein Land auf dem verordneten Kürzungsweg die Stabilitätskriterien erfüllen kann. Doch die Troika gibt das nicht zu und hält am eingeschlagen Weg wie die Lemminge fest. Dabei kann man die Ziele auf diesem Weg nicht erfüllen! Nur der Internationale Währungsfonds (IWF), neben Brüssel und EZB das dritte Mitglied der Troika, sieht das mittlerweile ähnlich, weshalb die Troika am Zerbrechen ist.

Wenn das Land das Rettungsprogramm also am 15. Dezember verlässt, dürfte das Defizit nicht nur über dem angepassten Defizitziel liegen, sondern sogar fast drei Mal so hoch sein, wie es Maastricht vorschreibt. Wenigstens, so könnte man anmerken, steigt das Defizit nicht sogar noch, wie zuletzt in den Krisenländern Portugal und Spanien auf dem Troika-Austeritätskurs zu beobachten war. Doch Irland entfernt sich weiter mit großen Schritten vom zweiten Maastricht-Kriterium. Demnach soll die Verschuldung höchstens 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen. Doch mit 125,7% des BIP hat die grüne Insel fast schon Italien eingeholt und Portugal sogar schon überflügelt.