EU-Staubsauger-Verbot erregt die Gemüter

Muss die EU im kommenden Jahr wirklich Staubsauger mit mehr als 1600 Watt verbieten? Sind die europäischen Haushalte jetzt aufgrund einer EU-Verordnung nicht mehr sauber zu halten? Und hat die Europäische Kommission etwa nichts Besseres zu tun, als Staubsauger zu regulieren?

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Es ist ein eigentümliches Vergnügen, zu sehen, wie die Arbeit der NSA kaum auf Interesse stößt, die Volksseele aber sofort zum Kochen kommt, wenn man glaubt, dass eine lieb gewonnene Gewohnheit verboten werden soll. Was dem Durchschnittsbürger sein automobiler Bolide, ist der Durchschnittshausfrau offensichtlich ihr Staubsauger. Gewünscht ist ein Modell mit möglichst hoher Watt-Angabe auf dem Typenschild. Bei den fahrbaren Untersätzen setzt sich die Kanzlerin persönlich für die Rettung der Dinosaurier ein und bei den Staubsaugern lässt die Politik die Verbraucher jetzt im Regen stehen? Böse Welt!

Kein Autokäufer käme auf die Idee, sich beim Händler seines Vertrauens nach dem Fahrzeug mit dem höchsten Verbrauch zu erkundigen. Er würde sich vor erstaunten Blicken kaum retten können. Bei den Staubsaugern spielt man jedoch irgendwie verkehrte Welt. Die Angabe auf dem Typenschild, die vielfach auch in den Produktnamen aufgenommen wurde, nennt nur den Stromverbrauch des Staubsaugermotors und macht absolut keine Aussage über die Saugleistung des Geräts. Wer hier eine Irreführung des Verbrauchers vermutet, dürfte der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Man muss dabei jedoch keine böse Absicht unterstellen, sondern eher Gewohnheit oder eingeschränkte Kreativität. Nach dem Motto „Viel hilft viel“ wurde der Stromverbrauch der Geräte von Generation zu Generation erhöht und der Kunde quittierte diese ziemlich törichte Entwicklung mit seiner positiven Kaufentscheidung. Wer würde da als Hersteller nicht die Nachfrage bedienen? Nur wenige hatten eine Idee, wie man diese Spirale durchbrechen könnte.

Foto: Farmer Jan. Lizenz: Public Domain.

Mit der EuP-Richtlinie 2005/32/EG vom 6. Juli 2005 (inzwischen abgelöst durch die ErP-Richtlinie 2009/125/EG) ergab sich für den Bereich der Europäischen Union die Möglichkeit, im Rahmen einer sogenannten Ökodesign-Vorbereitungsstudie die Entwicklung im Staubsaugermarkt zu untersuchen. Diese Vorbereitungsstudien werden nach einer weitgehend standardisierten Methodik in acht Schritten durchgeführt. Dabei werden das aktuelle Marktangebot, der Gerätebestand und die jährlichen Verkäufe untersucht und anhand eines Vergleichs zwischen den typischen Geräten und der besten verfügbaren Technik, das mögliche Einsparpotenzial ermittelt.

Während der Studie sind alle Stakeholder zur Mitarbeit aufgefordert - das sind beispielsweise Hersteller und Importeure, aber auch die europäischen Umweltverbände sowie die zuständigen Behörden und Ämter der EU-Mitgliedsstaaten. Nicht jede Studie führt zwangsweise zum Verbot von Geräten. Grundsätzlich können sich die Anbieter, sofern sie knapp 90% des Marktes repräsentieren, auch über eine freiwillige Selbstverpflichtung vor einer spezifischen Verordnung retten, die auf der Basis der Studie und ihren Empfehlungen in einem mehrstufigen Prozess entwickelt werden, der WTO zur Notifizierung und dann dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. Zudem wird oft auch eine Verbrauchskennzeichnung vorgeschrieben.

Im Jahre 2006 wurde von der damaligen Generaldirektion „Transport und Energie“ (TREN) unter dem Los 17 eine Vorbereitungsstudie für Staubsauger vergeben, deren Ergebnisse im Februar 2009 vorlagen. Die Autoren der Studie empfahlen für Haushaltsbodenstaubsauger für das Jahr 2011 die Einführung eines Verbrauchsgrenzwertes von 1100 Watt und für 2014 von 750 Watt. Im Rahmen der anschließenden Verhandlungen und der zeitlichen Verschiebungen steht nun in der Verordnung (EU) 666/2013 vom 8. Juli 2013, dass die Nennleistungsaufnahme ab 1. September weniger als 1 600 W betragen muss und drei Jahre später weniger als 900 W. Zudem werden Grenzwerte für die Mindeststaubaufnahme vorgeschrieben und ab 2017 muss die Motorlebensdauer mindestens 500 Stunden betragen. In der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 665/2013 vom 3. Mai 2013 wird für die unterschiedlichen Staubsauger festgelegt, wie das Etikett der Energieverbrauchskennzeichnung auszusehen hat, das ab Herbst 2014, bzw. 2017 auf den Staubsaugern anzubringen ist.

Wenn jetzt festgestellt wird, dass die neue EU-Ökodesign-Verordnung detailliert neue Normen festlege, dann handelt es sich jedoch offensichtlich um ein Missverständnis. Die Ökodesign-Verordnung legt im Anhang Grenzwerte fest, sie darf jedoch keine Normen (im Englischen Standards genannt) festlegen. Zu diesem Zweck gibt es die zuständigen Normungsgremien wie CEN und CENELC. Und so hat die Europäische Kommission am 25 Juni 2004, also vor bald zehn Jahren im Mandat M/353 -EN diese Normungsgremien mit der Formulierung der für die Überprüfung der Staubsauger benötigten Norm beauftragt.

Etikett

Mit effizienteren Staubsaugern wird die Welt wohl nicht zugrunde gehen. Die Stiftung Warentest stellte schon im Jahre 2009 fest: „Energiesparen jetzt auch beim Staubsauger: Runter mit der Wattzahl lautet die Devise der Anbieter. Die Saugkraft leidet nicht darunter“. Auch wenn man der Staubsauger-Regulierung vorwerfen kann, dass es sich hier um eine gewisse Symbolpolitik handelt und die Aussage der Deutschen Energie-Agentur, dass die EU-Verordnung für die "umweltgerechte Gestaltung von Staubsaugern" dazu beitrage, dass die EU bis 2020 die selbst gesetzten Klimaschutzziele erreicht, etwas übertrieben erscheint, ist sie sinnvoll, weil sie ein Umdenken der Verbraucher einleiten kann und der Industrie die Gelegenheit gibt, qualitativ bessere, weil leistungsfähigere und langlebigere Produkte auf den Markt zu bringen.

Und so wundert es wenig, dass es vonseiten der einschlägigen Industrie keine Proteste gegen die Verordnung gibt. An den Wildwuchs der unterschiedlichen Staubbeutel hat ja auch niemand die Schere angelegt. Das könnte dann mit der Überprüfung der Verordnung in spätestens fünf Jahren erfolgen. Alle, die jetzt befürchten, dass sie ihre geliebten Staubsauger im September 2014 entsorgen müssten, sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich die Verordnungen im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie immer nur auf die als Neuware in den Verkehr gebrachten Produkte beziehen und nicht auf den Gerätebestand.

Disclaimer: Der Autor war, bzw. ist an Ökodesign-Vorbereitungsstudien, Impact Assessments, Consultation Foren und dem Monitoring von EU-Mandaten beteiligt, nicht jedoch im Bereich Staubsauger.

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