Darpa will Neuroimplantate zum Messen, Analysieren und Behandeln von psychischen Störungen

Für die Darpa sind psychische Störungen im Gehirn räumlich verteilt. Man will messen, welche neuronalen Netzwerke an einer Störung beteiligt sind. Bild: Darpa

Entwickelt werden sollen Techniken, die auf "quantifizierbaren Eigenschaften des neuronalen Zustands" basieren, nicht wie bislang auf Beobachtung des Patienten und Versuch und Irrtum

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Was einst der Elektroschockbehandlung war und manchmal noch ist, die Auslösung eines Krampfanfalls durch ungerichtete Stromimpulse auf das gesamte Gehirn, wird zunehmend durch eine gerichtete Stimulation bestimmter Gehirnareale durch implantierte Elektroden ersetzt. Sie sollen alle möglichen psychischen Erkrankungen von Depressionen über Parkinson und Epilepsie bis hin zu Zwangsstörungen zwar nicht behandeln, aber doch lindern oder im Zaum halten. Um die 100.000 Menschen leben bereits mit Neuroimplantaten zur Tiefenhirnstimulation.

Das Problem aber ist, so sieht man es bei der Darpa, der Forschungsbehörde des Pentagon, dass psychische Erkrankungen oft nicht an einem Ort im Gehirn lokalisiert sind, sondern in räumlich verteilten neuronalen Netzwerken zustande kommen, also ein "emergentes Phänomen" seien. Daher würde die Stimulation an einer Stelle oft nicht helfen. Dazu kommte dass man letztlich bei psychischen Störungen/Krankheiten gar nicht weiß, was man macht und wie wirksam die Tiefenhirnstimulation ist.

Das Pentagon hätte ebenso wie perfekte Prothesen, die verlorene Gliedmaßen vollständig ersetzen und Soldaten auch wieder einsatzfähig machen können, auch die Möglichkeit, wirksam psychische Störungen, allen voran wie posttraumatische Belastungsstörungen, behandeln zu können, unter denen immer mehr Soldaten und Veteranen leiden (Psychische Störungen nehmen bei US-Soldaten im Kampfeinsatz zu). Sie werden bislang vor allem mit Psychopharmaka behandelt, die aber über die gewöhnlichen Nebenwirkungen hinaus gelegentlich auch den Nachteil haben, anormales Verhalten hervorzurufen, beispielsweise Wut- oder Gewaltausbrüche (Schlafprobleme, Angstzustände, Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen).

Das Defense Sciences Office (DSO) der Darpa investiert nun im Rahmen dem Anfang des Jahres von US-Präsident Obama ausgerufenen "Human Brain Activity Project" 70 Millionen US-Dollar über 5 Jahre, um vor allem bessere Neuroimplantate zu entwickeln. Die Erwartungen des Programms Systems-Based Neurotechnology for Emerging Therapies (SUBNETS) sind wie oft hoch. Bislang sei es oft sehr umständlich, ungenau und langwierig, den Patienten immer wieder zu beobachten und die medikamentöse oder verhaltenstherapeutische Behandlung genau anzupassen. Ursache ist auch nach der Darpa eine nur geringe Kenntnis des Gehirns.

Verteilt, aber doch räumlich lokalisiert. Bild: Darpa

Gewünscht wird etwa eine Technik, die auch in Echtzeit messen und analysieren soll, was im Gehirn vor sich geht, also eine Art NSA für das neuronale System eines Menschen. Aufgrund der Analyse soll das Implantat dann auch die psychische Störung behandeln und die Behandlungswirkungen messen. Und die Technik sollte innerhalb von 5 Jahren so weit entwickelt sein, dass sie von der auch für Medizintechnik zuständigen Behörde FDA zugelassen wird.

Interessiert ist man vor allem an der Analyse und Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung, der Depression, der Angststörung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Gesucht wird auch nach der neuronalen Repräsentation von Drogensucht, chronischen Schmerzen und Hirnverletzungen. Darpa-Programm-Manager Justin Sanchez geht davon aus, dass mit dem Programm die Neuropsychiatrie über Dialog-basierte Beobachtungen und daraus resultierende Behandlung nach Versuch und Irrtum zu einer Therapie fortschreiten werde, "die auf quantifizierbaren Eigenschaften des neuronalen Zustands basiert". Es gehe um einen ganzheitlichen, multidisziplinären Ansatz.

Auch wenn man nicht die angestrebte Technik entwickeln könne, werde man viel über die Arbeitsweise des Gehirns erfahren und neue medizinische Anwendungen entwickeln, so Sanchez. Man werden aber auch die mit den neuen Techniken entstehenden ethischen, rechtlichen und politischen Fragen behandeln.