Die Haut der Terminatrix

Superposition eines Zusammenstoßes zweier Schwärme von Quincke-Rollern. Die Kugeln sind etwa 5 Mikrometer groß, ihre Geschwindigkeit liegt bei ein paar Millimetern pro Sekunde. (Bild: Denis Bartolo, Antoine Bricard und Nicolas Desreumaux)

Forscher nutzen einen kaum bekannten physikalischen Effekt, um feste Stoffe wie Wasser fließen zu lassen

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Selbst als T-X unter einem Hubschrauber begraben wird, trägt das neueste, von Skynet entwickelte Terminatormodell keinen ernsthaften Schaden davon. Es verliert zwar seine tarnfähige Oberfläche, doch wirklich kampfunfähig wird die Terminatrix erst, als ihr der von Arnold Schwarzenegger im besten Sinne verkörperte T-800 aus der bekannten Modellreihe 101 seine letzte Energiezelle im Wortsinn in den Rachen wirft.

Den Trick, von dem schon der mindestens genauso unsympathische T-1000 im Vorgängerstreifen profitiert hat, nennen seine Erfinder "flüssiges Metall". Anders als Quecksilber oder Eisen ändert es seinen Aggregat-Zustand nicht bei der Schmelztemperatur, sondern auf Anforderung.

Selbst ein in viele kleine Teile zersplitterter Terminator kann wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt zusammenfließen. In der Forschung ist dieses Konzept als "aktive Materie" (active matter) bekannt. Die Schwärme, zu denen sich Vögel zusammenschließen, sind ebenso ein Beispiel für die dahinterstehende Selbstorganisation der Materie wie Bakterienkolonien.

Im Wissenschaftsmagazin Nature zeigen nun Physiker, dass auch unbelebte Stoffe zu einem solchen Verhalten fähig sind. Zwar entsteht dabei noch kein Flüssigmetall mit so sagenhaften Fähigkeiten wie im Film, doch das Material zeigt durchaus erstaunliche Fähigkeiten.

Vor allem, dass sein Verhalten der Schwarmbildung von Vögeln so stark ähnelt, überraschte die Wissenschaftler. Um das Phänomen möglich zu machen, nutzten sie einen kaum bekannten Effekt, den der deutsche Physiker Georg Quincke schon 1896 entdeckt hat: Eine nichtleitende Kugel, die man in ein elektrisches Feld einbringt, beginnt zu rotieren.

Superposition eines Zusammenstoßes zweier Schwärme von Quincke-Rollern. Die Kugeln sind etwa 5 Mikrometer groß, ihre Geschwindigkeit liegt bei ein paar Millimetern pro Sekunde. (Bild: Denis Bartolo, Antoine Bricard und Nicolas Desreumaux)

Befinden sich auf engem Raum mehrere der Kügelchen, wechselwirken sie miteinander - und eine gemeinsame Bewegung entsteht, jedenfalls unter bestimmten Umständen. Unter anderen, etwa wenn das Behältnis annähernd quadratisch ist, zeigen die "Quincke-Roller" wiederum ein Verhalten, das die Theorie von anderen Systemen nicht kennt.

In einer Art Rennstrecke ziehen die Kugel zunächst unabhängig voneinander ihre Bahnen. Erhöht man die Energiezufuhr, beginnen die Quincke-Roller irgendwann ihre Kollegen zu spüren - bis sie sich auf eine gemeinsame Bewegung einigen. Das passiert natürlich völlig ohne Hintergedanken, ja gedankenlos, die Gemeinsamkeit resultiert ganz allein aus der zugrundeliegenden Physik.

Welche praktischen Auswirkungen das hat, beschreibt ein New Yorker Forscher in einem begleitenden Artikel: Die Fußgängerströme in New York zeigen nämlich überraschende Ähnlichkeit zum hier beobachteten Phänomen, vor allem in dem Aspekt, dass die Geometrie der Umgebung das Verhalten definiert. Wenn die Stadtplaner genauer wissen, was beim Zusammentreffen von zwei Fußgänger-Schwärmen an einer bestimmten Kreuzung passiert, können sie bessere Gegenmaßnahmen gegen Staus entwickeln.