Zentralrat der Muslime verteidigt Sankt Martin

Der nordrhein-westfälische Linken-Sprecher hatte eine Kontroverse um eine Umbenennung der Lichterzüge ausgelöst

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Sankt Martin, der dritte Bischof von Tours, wird am 11. November jeden Jahres verehrt, weil er seinen Mantel mit einem nackten Bettler geteilt haben soll. An diesem Tag basteln Kinder in Kindergärten und Kindertagesstätten Laternen und ziehen mit ihnen nach Einbruch der Dunkelheit durch die Straßen - für viele in sehr schönes und unvergessliches Erlebnis. In diesem Jahr wurde durch mehrere Medienberichte deutschlandweit bekannt, dass eine Kindertagesstätte im hessischen Bad Homburg die Sankt-Martins-Umzüge in "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" umbenannte, weil das "kultursensibler" sei.

Das Wortungetüm stieß fast überall auf Kopfschütteln - außer bei Rüdiger Sagel, dem Sprecher der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen. Nachdem die Rheinische Post berichtete, wie wohlwollend der Ex-Grüne der Umbenennung angeblich gegenübersteht, meldete sich Aiman A. Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, zu Wort und teilte Sagel öffentlich mit, dass das Verdi-Mitglied nicht für ihn und seine Glaubensgemeinschaft spreche, weil diese kein Problem damit hätten, wenn Christen feiern und weil Sankt Martin darüber hinaus ein Leben geführt habe, das auch für Muslime "geradezu vorbildlich" sei.

El Grecos Darstellung von Sankt Martin und dem Bettler (um 1598).

Auch in Sagels eigener Partei fühlte man sich angesichts des RP-Berichts offenbar an die politischen Albernheiten erinnert, die die Grünen bei der letzten Bundestagswahl auf 8,4 und die Piraten auf 2,2 Prozent drückten, und bemühte sich um Schadensbegrenzung: Die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen lobte Sankt Martin als "soziale Leitfigur, die gerade für Kinder wichtig ist". Der Heilige stehe für eine der "Hauptforderungen" der Linken, nämlich die Umverteilung von Reichtum "von oben nach unten". Außerdem habe er "als Soldat im Dienste der Römer […] sein Schwert niedergelegt und den weiteren Dienst an der Waffe abgelehnt", was ihn zusätzlich zu einem Antikriegssymbol mache. Es sei deshalb "absurd zu fordern, Kitas sollen kein Martinsfest feiern" und sie selbst werde mit ihrem kleinen Sohn an einem Martinsumzug in ihrem Bochumer Wahlkreis teilnehmen.

Dagdelens halbiranische Fraktionsgenossin Sahra Wagenknecht stellte per Pressemitteilung klar, dass ihre Partei das "interkulturell angenommene" Martinsfest nicht abschaffen wolle, sondern dessen Botschaft auch politisch vertrete. Deshalb fordere sie, dass diese Botschaft auch für die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gelten solle, was jedoch offenbar nicht der Fall sei, weil die Vermögen von "Reichen und Banken" nicht "angetastet" würden.

Nach so viel geschlossener Ablehnung teilte Sagel mit, er sei "missinterpretiert" worden und wolle die Umzüge nicht "abschaffen" oder "Kindern die Freude" nehmen - das allerdings hatte auch die Rheinische Post nicht behauptet. Auf die Frage nach seiner Position zu einer Umbenennung ging Sagel in seiner Stellungnahme nicht ein und meinte stattdessen, "die Frage, wie eine Trennung von Kirche und Staat, insbesondere auch in Einrichtungen, die aus öffentlichen Geldern finanziert werden, realisiert wird, bleib[e] für [ihn] auf der Tagesordnung".

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