Italien rüstet Flugzeugträger zur schwimmenden Waffenmesse um

Ein halbes Jahr lang tingelt eine Flotte italienischer Kriegsschiffe rund um Afrika. Ziel ist die Promotion von Waffentechnologie, aber auch heimischer Möbel. Die Industrie zahlt den Löwenanteil der Kosten für das ungewöhnliche Joint Venture

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Angeführt vom Flugzeugträger Cavour brechen italienische Schlachtschiffe zu einem Trip um den afrikanischen Kontinent auf, genannt: Sistema Paese in movimento. Dies meldet die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Demnach ist die Flotte am Mittwoch gestartet. Italien finanziert über die zivil-militärische Kooperation die gleichzeitige Ausbildung von Matrosen.

mit dem Flugzeugträger Cavour zum Geschäftemachen. Bild: Finmeccanica

Die sechs Monate dauernde Rundfahrt wird größtenteils von der heimischen Rüstungsindustrie bezahlt: Die Firmen Finmeccanica, Fincantieri, Elettronica und Beretta nutzen den Flugzeugträger, um in 19 Häfen verschiedener Länder ihre Produkte zu bewerben. Der italienische Verteidigungsminister nennt die ungewöhnliche Partnerschaft mit der Industrie eine "riesige Militärshow wie in Le Bourget". Sein Vergleich bezieht sich auf die weltweit größte luftfahrtbezogene Waffenmesse, die alle zwei Jahre in Paris stattfindet.

Ebenfalls an Bord ist der Hersteller von Hubschraubern AgustaWestland. Die Firma produziert unter anderem in Libyen, die Helikopter sind auch bei der Marine und Küstenwache afrikanischer Länder beliebt. Die Unternehmen Oto Melara und SELEX zeigen ihre tödliche Waffentechnik, SELEX profitiert dabei von Anlagen, die auf der Cavour installiert sind. Der Torpedo-Hersteller WASS und das Konsortium MBDA zeigen ebenfalls Raketentechnologie.

Laut der Webseite von Finmeccanica werden auch Anlagen zur Satellitenaufklärung ausgestellt, wie sie unter anderem zur Grenzüberwachung genutzt werden. Noch unter Gaddafi hatte die Finmeccanica-Tochter SELEX hierfür einen Vertrag über 300 Millionen Euro unterzeichnet, der nach Medienberichten beinahe von der neuen Regierung zu Gunsten eines französischen Konsortiums gekündigt worden wäre. In diesem Falle wäre auch EADS zum Zuge gekommen, anscheinend wird der Auftrag aber wie vorgesehen von SELEX beendet.

Zwei Drittel aller Kosten trägt die Industrie

Ob auch Drohnen mitgeführt werden, wird zwar nicht berichtet, ist aber wahrscheinlich: SELEX produziert die taktische Drohne "Falco", für die unter anderem Pakistan einen gemeinsamen Vertrag zur Koproduktion erhielt. Als Konkurrent gilt Alenia Aermacchi, die ebenfalls größere Drohnen fertigt und hierfür mit anderen europäischen Unternehmen an einer Kampfdrohne forscht. SELEX und Alenia wollen beide am Bau einer eines unbemannten Luftfahrzeugs beteiligt werden, das womöglich bald von den Verteidigungsministern der EU-Mitgliedstaaten beauftragt wird (Bald in diesem Theater: EU-Kampfeinheiten und eine europäische Drohne).

Screenshot aus dem Video des italienischen Verteidigungsministeriums zur Tour um Afrika.

Auf dem Weg rund um Afrika steuert die Flotte zunächst Häfen der Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Kuwait an. Weiter geht es nach Kenia, Madagaskar, Mosambik, Südafrika, Angola, Kongo, Nigeria, Ghana, Senegal, Marokko und Algerien. Während der mehrtägigen Aufenthalte können ausgewählte Besucher unterschiedliche Ausstellungen und Vorführungen auf dem Schiff besuchen.

Nicht nur Kriegsprodukte sollen unterwegs promotet werden: Auch der Reifenhersteller Pirelli sowie kleine Flugzeugbauer fahren mit. Weitere Firmen präsentieren Eisenbahntechnologie, aber auch italienische Möbel: Eine Handelsorganisation, die rund 2.800 Hersteller vertritt, ist ebenfalls Teilnehmer des zweifelhaften Trips. Wohl als einer der wichtigsten Passagiere ist auch der Energieriese ENI Teil des Joint Ventures: Die Firma beutet unter anderem Ölfelder in Libyen aus, wo die Produktion derzeit wegen Unruhen weiter gedrosselt wird.

Die italienische Regierung will auf dem Weg für die 2015 in Mailand abgehaltene Weltausstellung Expo werben. Um der Reise den Ruch des Militärischen zu nehmen, werden 60 Freiwillige der Hilfsorganisation Rotes Kreuz auf dem Schlachtschiff mitfahren. Sie sollen mit lokalen Organisationen der angelaufenen Häfen zusammenarbeiten.

Die Regierung wird alle anfallenden Gehälter der Soldaten in Höhe von rund 7 Millionen Euro übernehmen. Der Löwenanteil der Reisekosten, darunter 10 Millionen Euro für Sprit sowie drei Millionen Euro für weitere Ausgaben trägt die Industrie. Die ungewöhnliche zivil-militärische Partnerschaft entlastet dadurch den Militärhaushalt, denn die italienische Marine wird die Tour für Ausbildungsmaßnahmen ihrer Matrosen nutzen. Im Flottenverband fahren ein Patrouillenschiff, eine Fregatte und ein Versorgungsschiff mit. Unterwegs werden gemeinsame Partnerschaften besiegelt, etwa mit der befreundeten Armee in Mosambik.

Jungfernfahrt für die Europäische Gendarmerietruppe

Eine besondere Rolle kommt aber der Vermarktung italienischer Schiffstechnologie zu: Im Arabischen Golf, in Marokko, Südafrika, Mosambik und Angola will die Regierung Verträge zum Kauf von Schlachtschiffen einfädeln.

Der Flugzeugträger Cavour wurde 2006 fertiggestellt und 2010 erstmals in einen Einsatz geschickt. Schon auf dieser Fahrt war das Schiff in zivil-militärischer Mission unterwegs: Zunächst wurden Soldaten nach Haiti verschifft, um dort nach dem verheerenden Erdbeben die innere Sicherheit aufrecht zu erhalten (Italienische Gebirgsjäger nach Haiti). Der Einsatz wurde von der Europäischen Gendarmerietruppe EUROGENDFOR verantwortet, die ihr Hauptquartier im italienischen Vicenza unterhält.

Im Anschluss fuhr die Carvour nach Brasilien, um dort im Auftrag der Regierung für den Kauf italienischer Kriegsschiffe zu werben. Nach Angaben des Informationsportals Defense News wurde der damalige Trip von den staatlich kontrollierten Firmen Finmeccanica und Fincantieri finanziert.