Bundesregierung hat viele, hoch sensible Aufträge an den mit CIA und NSA verbundenen IT-Dienstleister CSC gegeben

Aber sie will einmal wieder nicht gewusst haben, dass das US-Unternehmen mit den US-Geheimdiensten kooperiert und am Renditionprogramm der CIA beteiligt war

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Die Bundesregierung arbeitet seit Jahren mit dem deutschen Ableger des IT-Dienstleisters Computer Science Corporation (CSC) zusammen, der wiederum eng mit den US-Geheimdiensten CIA und NSA verbunden ist und Geheimflüge zur Verschleppung von Menschen durchgeführt haben soll. So soll CSC am Fall al-Masri beteiligt sein.

Der Deutsche wurde Anfang Januar 2004 von der CIA nach Afghanistan verschleppt, dort gefoltert und schließlich, weil man merkte, dass es sich um einen Unschuldigen handelte, nach Monaten des Leidens mit einem von CSC organisierten Flugzeug Ende Mai2004 nach Albanien gebracht und dort ausgesetzt. Möglicherweise wurde al-Masri in Afghanistan von einem Deutschen verhört, die deutschen Behörden wiesen diese Behauptung zurück. Ein mutig vom Münchner Amtsgericht ausgestellter Haftbefehl für 13 CIA-Agenten wurde 2010 vom Verwaltungsgericht Köln niedergeschlagen. Seitens der Regierung bestand kein Interesse.

Ob bei seiner Verschleppung auch Informationen von Seiten deutscher Behörden eine Rolle spielten, ist trotz eines Untersuchungsausschusses nicht bekannt. Hier strapazierte die Bundesregierung die Geheimhaltung, auch über die Zusammenarbeit von Geheimdiensten, was vom Bundesverfassungsgericht gerügt wurde, der Untersuchungsausschuss hat daher auch nicht ermittelt, "inwieweit ein eventueller Informationsaustausch im Rahmen multilateraler Formen nachrichtendienstlicher Zusammenarbeit erfolgte" (dazu siehe auch ECCHR-Bericht Folter und die Verwertung von Informationen in der Terrorismusbekämpfung).

Über die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit dem US-Unternehmen CSC berichten NDR und die Süddeutsche, die aufgrund eigener Recherchen eine Serie über Deutschlands Rolle im "Kampf gegen den Terror" gestartet haben. Das Beispiel zeigt, wie fahrlässig die rot-grüne und die schwarz-gelbe Regierung handelt, es könnte aber auch zeigen, dass im Geheimen die Kooperation der Bundesregierung mit amerikanischen Unternehmen und Geheimdiensten viel enger sind, als man zugeben will, auch wenn seit dem abgehörten Handy der Bundeskanzlerin Empörung inszenierte wurde.

Seit 1990 gab es geschäftliche Beziehung der Bundesregierung mit CSC. Auch als bekannt wurde, dass das Unternehmen an der Verschleppung von al-Mastri beteiligt war, wurde die Kooperation fortgesetzt. Bekannt war auch schon zuvor gewesen, dass CSC mit CIA und NSA verbunden ist. Letztere hat 2001, schon vor 11/9, den Auftrag für das Überwachungsprogramm Trailblazer an ein Konsortium unter der Leitung von Science Applications International Corporation (SAIC) gegeben, dem auch CSC angehörte (Geheimdienste in der Datenflut. Das lief allerdings finanziell aus dem Ruder, so dass der Kongress 2006 die Gelder sperrte, ebenso wie das für das Programm Total Information Awareness geschehen war. Trailblazer sollte alle Daten aus dem Internet sammeln und sie dann durchsuchen. Die Nachfolgerprogramme, die ab 2007 eingeführt wurden, sind detaillierter durch die Snowden-Leaks bekannt geworden.

Die Bundesregierung gab auch nach 2004 weiter Aufträge an CSC Deutschland Solutions. Dabei hatten die Firmen Zugriff auf sensible Daten: etwa beim Aufbau des Nationalen Waffenregisters, bei der Überprüfung des Staatstrojaners und der Einführung des neuen Personalausweises.

Auch beim Projekt DE-Mail, das eine sichere Kommunikation mit Behörden erlauben soll, mischte CSC mit, wobei das Unternehmen nach NDR/SZ Zugriff auf Daten "beim Aufbau des Nationalen Waffenregisters, bei der Überprüfung des Staatstrojaners und der Einführung des neuen Personalausweises" hatte - und es testete den Bundestrojaner, was für die NSA auch nicht uninteressant sein dürfte. Überdies war es ausgerechnet am Projekt DE-Mail beteiligt, das eigentlich eine sichere Kommunikation mit Behörden ermöglichen soll.

Auch in Großbritannien hatten Behörden sensible Aufträge an CSC vergeben, spätestens seit 2011 war über Gerichtsdokumente aus den USA öffentlich bekannt, dass CSC nach dem Kauf von DynCorp 2003 massiv an dem Rendition-Programm der CIA beteiligt war. Zwar wurde DynCoro 2005 wieder verkauft, angeblich war CSC aber weiterhin im Geschäft. Das Unternehmen wollte auch 2102 nicht eine Erklärung der britischen Menschenrechtsorganisation "Nulltoleranz für Folter" unterschreiben.

Zwischen 2009 und 2013 haben drei deutsche Tochterunternehmen der Computer Science Corporation 100 Aufträge von zehn Ministerien und dem Bundeskanzleramt erhalten. Nach 2011 schlossen deutsche Ministerien nach SZ/NDR noch mindestens 22 Verträge mit CSC ab, das Unternehmen wird von der SZ als "EDV-Unternehmen der US-Geheimdienste" beschrieben. Interessant ist auch, dass nach dem NDR Reinhard Göhner seit 1998 Aufsichtsratsmitglied von CSC Deutschland Solutions. 1998 war er noch CDU-Bundestagsabgeordneter, zuvor Staatssekretär im Justiz- und Wirtschaftsministerium, 2007 legte er sein Bundestagsmandat: "Seit 1998 konnte sich CSC auffällig mehr Bundesaufträge als zuvor sichern", so der NDR. Göhner war als Abgeordneter seit 1996 auch gleichzeitig Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und hatte auch ansonsten zahlreiche Nebentätigkeiten. Weiterhin sitzt er im Verwaltungsrat des ZDF.

Das Bundesinnenministerium erklärte, man habe von all dem nichts gewusst, was ein bezeichnendes Licht auf die Bundesregierung, das Ministerium und den BND wirft, da man offensichtlich nichts wissen wollte oder unfähig ist. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte: "Weder dem Bundesverwaltungsamt noch dem Beschaffungsamt waren bei Abschluss der Verträge mit der CSC Deutschland Solutions GmbH Vorwürfe gegen den US-amerikanischen Mutterkonzern bekannt." Nicht einmal die Zusammenarbeit mit der NSA sei dem Ministerium bekannt gewesen. Die angebliche Unkenntnis ist Fahrlässigkeit, wenn es um den Schutz der persönlichen Daten von Deutschen geht.

Und zudem würden die Rahmenverträge "in der Regel Klauseln" enthalten," nach denen es untersagt ist, bei der Vertragserfüllung zur Kenntnis erlangte vertrauliche Daten an Dritte weiterzuleiten". Da sind nun wirklich alle beruhigt, denn nun will auch die amtierende Bundesregierung gerne wieder den Deckel über die NSA-Affäre mit einem "No-Spy-Abkommen" schließen, lässt aber offen, inwieweit sie Kenntnis von den Lauschprogrammen hatte und wie genau die Sicherheitsbehörden, allen voran das BND, mit den US-Geheimdiensten kooperieren.