Religion braucht man zum Glück nicht

Nach einer Umfrage sehen sich die Deutschen irgendwie für ihr Glück selbst verantwortlich, besondere Glücksmomente findet man eher im gemütlichen Zusammensein als beim Sex

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Die ARD veranstaltet mal wieder eine Themenwoche, die sich dieses Mal mit dem Glück beschäftigt. Das ist ein vager Begriff, in der Forschung verwendet man lieber Lebenszufriedenheit oder Wohlbefinden. Messen lässt sich dieser kaum, ob jemand Glück empfindet oder glücklich ist, muss daher durch Befragung eruiert werden. Der NDR hat bei infratest dimap eine Umfrage in Norddeutschland unter 1000 Menschen ab 14 Jahren in Auftrag gegeben, die nur gelegentlich mal Interessantes zum Ergebnis hat.

Dass Gesundheit sowie Familie und Freunde von den Menschen am wichtigsten für ihr persönliches Glück angegeben werden, ist überraschend. Arbeit sehen sie auch als wichtig an, Religion aber spielt dafür offenbar eine immer weniger wichtige Rolle. Ein Drittel findet das wichtig, zwei Drittel nicht, für 34 Prozent spielt die Religion überhaupt keine Rolle. Das entspricht in etwa den Ergebnissen einer Umfrage aus dem letzten Jahr, in der sich 57 Prozent der Deutschen als nichtreligiös bezeichneten. Der Anteil der expliziten Atheisten ist jedoch deutlich geringer, man lässt sich mitunter noch ein Türchen bei Bedarf offen oder bleibt sogar in der Kirche. 72 Prozent der Deutschen gehören schließlich noch einer Religionsgemeinschaft an, aber der Rückgang der Religiosität ist auch bei diesen "Gläubigen" deutlich.

Die Fragen legen natürlich fest, was in der Umfrage herauskommt, aber vielleicht ist es die Kehrseite der sinkenden Religiosität, dass die Menschen davon ausgehen, dass sie selbst entscheidend für ihr Glück verantwortlich sind. 83 Prozent stimmen dem Satz zu: "Jeder ist seines Glückes Schmied", was aber auch heißen kann, dass diejenigen, die auswelchen Gründen auch immer nicht glücklich sind, daran selbst schuld sind – und kein Gott kann ihnen helfen. Ernst gemeint ist das aber auch wieder nicht, weil gleichzeitig 45 Prozent dem Satz zustimmen: "Das Glück ist nicht beeinflussbar, es wird einem geschenkt."

Dass 68 Prozent meinen, die "zunehmende Erreichbarkeit über Handy und Email" würde ihr persönliches Glück beeinträchtigen, straft freilich der Selbstverantwortung der Lüge. Denn in aller Regel muss außerhalb von Arbeitszusammenhängen keiner permanent erreichbar sein.

Besondere Glücksmomente verspüren angeblich 96 Prozent beim "gemütlichen Zusammensein mit Freunden" und 74 Prozent beim Sex. Der Sex scheint hier schon mehr der Arbeit zu gleichen, bei der ganze 65 Prozent Glücksmomente erleben, ein bisschen mehr als beim Sport und beim Essen.