Warum mögen Kleinkinder kein Gemüse?

Kleinkinder scheinen Hemmungen zu haben, Pflanzen zu berühren, dahinter könnte, so meinen Psychologinnen, eine Schutzstrategie gegen die von Pflanzen ausgehenden Risiken stecken

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Mit Gemüse haben es die meisten kleinen Kinder nicht so sehr. Mir ging es zumindest auch so, auch bei meinem Sohn war es nicht anders, es dauert, bis man auf den Geschmack kommt. Die Abneigung könnte natürlich auch damit verbunden sein, dass Gemüse doch angeblich so gesund ist und es den Kinder daher gerne aufgedrängt wird, worauf Widerstand folgt. Psychologinnen wollen nun allerdings herausgefunden haben, dass es sich weder um eine psychische noch um eine kulturelle Geschmackseinstellung handelt, sondern dass die Abneigung evolutionsbiologisch tief verankert ist.

Bild: USDA

Annie Wertz und Karen Wynn vom Infant Cognition Center der Yale University war es bei der Beobachtung von spielenden Kleinkindern zwischen 8 und 16 Monaten aufgefallen, dass diese lieber künstliche Gegenstände wie Löffeln oder Lampen ergriffen und untersuchten als Pflanzen. Für die Wissenschaftlerinnen ist dies eine Bestätigung für die Hypothese, dass Kleinkinder eine evolutionär verankerte Abwehr gegen Pflanzen besitzen, weil diese ihnen gefährlich werden können, beispielsweise aufgrund von Giften oder Dornen. Die Abwehr, Pflanzen zu berühren - und angeblich in Folge davon - Gemüse zu essen, schütze sie demnach vor Gefahren, die von Pflanzen ausgehen.

Ihre Studie mit dem Titel Thyme to touch: Infants possess strategies that protect them from dangers posed by plants wurde in der Zeitschrift Cognition veröffentlicht. Den fast 100 Kleinkindern, die auf dem Schoß eines Elternteils saßen, wurden nacheinander jeweils sechs Objekte präsentiert und die Zeit gemessen. Muschelschalen wurden in durchschnittlich 3,4 Sekunden ergriffen, Lampen oder Löffel in 4,6 Sekunden, Pflanzen erst in ungefähr 10 Sekunden, auch Gegenstände, die wie Pflanzen aussehen, stoßen offenbar auf ähnlich großes Misstrauen. Das zögerliche Verhalten, Pflanzen zu berühren, habe sich irgendwie über die Zeit hinweg durch Versuch und Irrtum entwickelt, wobei man annehmen müsste, dass der Irrtum zur Selektion geführt haben müsste, um die Vermeidungshaltung zu programmieren. Wirklich Angst hätten die Kinder nicht, so die Psychologinnen, aber bei ihnen würde eine Verhaltensstrategie gestartet, wenn sie eine Pflanze sehen, diese nicht oder mit Vorsicht zu berühren.

Aus dem Experiment, dass Kleinkinder nicht so gerne feuchte Pflanzen oder pflanzenähnliche Gegenstände anfassen und lieber nach trockenen, festen, klar konturierten Gegenständen greifen, zu schließen, was Medien, unterstützt durch die Psychologinnen, daraus machen, nämlich dass sie deswegen auch gegen zubereitetes Gemüse etwas haben, ist zumindest gewagt. Zwar gibt es auch bei einigen Tieren solche Abwehrreaktionen, beispielsweise gegenüber Spinnen, Skorpionen oder Schlangen, die haben aber auch Erwachsene noch. Verlieren die Kleinkinder die Aversion ab dem Alter, wenn sie nicht mehr alles zum Testen auch mal in den Mund stecken? Wie dreht sich das einprogrammierte Verhalten später um? Interessanter wäre vermutlich zu fragen, warum Kleinkinder Gegenstände mit klar konturierten, einfachen und glatten Formen vorziehen. Das dürfte etwas mit Ästhetik zu tun haben, die vermutlich auch evolutionsbiologisch verankert ist.