Dr. Stasi?

Axel Vogel, der Fraktionschef der Grünen im Brandenburger Landtag, fordert, dass Doktortitel überprüft werden, die die Juristische Hochschule in Golm bis 1989 verlieh

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Herr Vogel - was hat man an der Juristischen Hochschule in Golm gelehrt - und über was hat man geforscht?

Axel Vogel: Die Juristische Hochschule in Golm war eine Einrichtung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und war spezialisiert auf die Leitungskaderausbildung. Besondere Schwerpunkte waren: Marxistisch-Leninistische Grundlagenausbildung und "psychologische" Aspekte der MfS-Arbeit.

Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Brandenburger Landtag

Gab es dort auch Studenten oder Lehrkräfte, die nichts mit dem MfS zu tun hatten?

Axel Vogel: Nein, Lehrkräfte und Studenten waren in der Regel hauptamtliche Mitarbeiter des MfS. Die Hochschule diente ausdrücklich der Ausbildung der MfS-Kader.

Sie plädieren dafür, dass von der JHG verliehene Doktortitel aberkannt werden. Soll das für alle gelten?

Axel Vogel: Das ist in dieser Form nicht richtig. Ich plädiere für eine Offenlegung der in der DDR geheim gehaltenen Promotionen und eine wissenschaftliche Bewertung. Dabei sollte auch geprüft werden, inwieweit diese Arbeiten im jeweiligen Einzelfall wissenschaftlichen Mindeststandards entsprachen, die es selbstverständlich auch in der DDR gab. Es bestehen ernste Zweifel daran, dass die "Stasi-Dissertationen" diesen Ansprüchen genügten. Das Problem ist die Aberkennung von Doktor-Titeln, da die Hochschule in Golm formal untergegangen ist und in Deutschland solche Aberkennungen den jeweils titelverleihenden Hochschulen vorbehalten sind.

Wie könnte man dieses Problem Ihrer Ansicht nach juristisch lösen?

Axel Vogel: Für die Aberkennung derartiger Titel steht bislang kein Verfahrensweg zur Verfügung. Eine besondere Problematik besteht darin, dass die in der DDR verliehenen wissenschaftlichen Grade durch den Einigungsvertrag Bestandsschutz haben. Primär geht es also darum, Öffentlichkeit für das Problem herzustellen. Das Beste wäre, wenn die Träger dieser Titel von sich aus auf das Führen der Titel verzichten würden. Die Namen der Titelträger und grundlegende Informationen über die zumeist als Gruppenarbeiten verfassten Dissertationen sind inzwischen auf der Website des BStU zu finden. Eine Veröffentlichung der einzelnen Arbeiten im Internet könnte ein nächster Schritt hin zu mehr Transparenz sein.

Warum wurden die Doktorarbeiten aus Golm nicht schon zum Zeitpunkt der Promotion veröffentlicht?

Axel Vogel: Formal lautete der Name der Hochschule "Juristische Hochschule Potsdam", die verliehenen Titel "Dr. jur.". Bei einer Veröffentlichung wäre deutlich geworden, dass es um Ausarbeitungen zu Überwachungs- und Verfolgungstechniken der Stasi ging, die in einer "klaustrophoben Eigenwelt" (Zitat BStU) handelten und bei Veröffentlichung die Arbeit der Stasi "dekonspiriert" hätten.

Was können die in Golm promovierten Personen heute mit ihren Doktortiteln anfangen? Wirken die im Lebenslauf nicht eher abschreckend?

Axel Vogel: Es gibt Beispiele, dass diese Doktor-Titel immer noch im Gebrauch sind. Für Außenstehende ist ja nicht erkennbar, dass der Dr. jur. XY in Wirklichkeit ein "Doktor der Tschekistik" ist.

Der von Ihnen in der Süddeutschen Zeitung vorgebrachte Vorwurf, dass die Dissertationen in Golm teilweise "in Teamarbeit erstellt" wurden und "nur wenige Seiten" umfassen, trifft auch auf zahlreiche medizinische Dissertationen aus Westdeutschland zu. Dort wird argumentiert, das verstoße nicht gegen die Regeln.

Axel Vogel: Ich empfehle hierzu Einsichtnahme in die von der BStU veröffentlichte Liste und erwähne beispielhaft die Arbeit Nummer 65: "Zu den Angriffen der imperialistischen Geheimdienste gegen das Ministerium für Staatssicherheit und den wichtigsten vorbeugenden Aufgaben der Diensteinheiten zur Gewährleistung der inneren Sicherheit" im Umfang von 43 Seiten, mit der insgesamt 4 Stasi-Offiziere jeweils einen Doktor-Titel summa cum laude erwarben. Dies ist nur ein Beispiel von vielen.

Was meinen Sie: Wie wird man in 50 Jahren über manche Doktorarbeiten denken, die heute in Deutschland entstehen. Zum Beispiel in Bereichen wie Gender Studies?

Axel Vogel: Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht. Die Maßstäbe und fachlichen Anforderungen an eine Doktorarbeit sind nach meinem Dafürhalten heutzutage bundesweit und fächerübergreifend einzuhalten.

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