Angola und das Islamverbot

Offiziell werden entsprechende Berichte dementiert und auf Religionsfreiheit hingewiesen; die Muslime sehen das anders

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In der südwestafrikanischen Republik Angola gibt es 900 bis 1.000 Religionsgemeinschaften. Das verweist schon auf ein größeres, kompliziertes Panoroma. Fast die Hälfte, 47 Prozent der Bevölkerung, wird traditionellen Naturreligionen zugerechnet; die andere, etwas größere Hälfte, sind Christen, 50 bis 51 Prozent, laut Angaben Ende der 2000er Jahre. Die große Mehrheit unter ihnen ist katholisch (38%), der Rest sind Protestanten, 13 Prozent. Muslime machen demnach 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung aus. Eine Nachricht über das Verbot ihrer Religionsgemeinschaft sorgte in der vergangenen Woche dafür, dass das afrikanische Land weltweit große Aufmerksamkeit erlangte: "Angola verbietet den Islam".

Weil der Islam mit der christlichen Staatsreligion "clasht", würden alle Moscheen des Landes geschlossen, legte zum Beispiel der Daily Mirror den Donner des Huntingtonschen Kulturkampfes in die o.g. Meldung hinein. Muslime im saudiarabischen Königreich und in der ganzen Welt seien über das Islam-Verbot und die Zerstörung der Moscheen geschockt, berichtete die Saudi Gazette aus Dschidda. In Gaza demonstrierten Palästinenser gegen Angola, verbrannten Fahnen etc..

Andere freuten sich.

"Extremisten und die sozialen Netzwerke" hätten sich die Nachricht gut schmecken lassen, hieß es gestern in einer französischen Publikation, aber: die Meldung sei übertrieben, so nicht richtig, ein Journalist habe eine Aussage der Kulturministerin falsch wiedergegeben, im Übrigen man sehe einmal mehr:

"Das Netz hat keine Zeit für Nuancen."

Die Sache sei "ein wenig komplizierter", erklärt auch die südafrikanische Zeitung Daily Maverick. Dort verweist man darauf, dass es sehr wohl eine politische Krise in Angola gebe, was sich allein schon daran zeige, dass fast 300 Personen, die in der vergangenen Woche gegen die Regierung protestiert haben, verhaftet und zwei Aktivisten von Sicherheitskräften getötet wurden. Demgegenüber seien Berichte über das Islamverbot eine Ablenkung, obendrein mit falschen "Nuancen".

Kein legaler Status

Die sehen demnach so aus: Islamische Gemeinschaften hatten in Angola nie einen legalen Status besessen, weil dazu laut Vorgaben mehr als 100.000 Mitglieder und eine Präsenz in 12 von 18 Provinzen nötig sind. Angeblich gibt es unter den etwa 18 Millionen Angolanern aber derzeit nur rund 90.000 Muslime. (Die meisten sind übrigens Sunniten, der Islam selbst habe keine "historische Grundlage" in Angola, so Religionsexperten: Die Muslime rekrutierten sich aus eingewanderten Arbeitskräften).

Was die zerstörten Moscheen angehe, so seien lediglich Gebäude abgerissen worden, für die keine Baugenehmigung vorlag, informiert der Bericht der südafrikanischen Zeitung weiter.

"Religionsfreiheit"

Ergänzt wird dies durch Aussagen offizieller angolanischer Vertreter, die nun aufgeschreckt von der interantionalen Erregungswelle, beteuern, dass im Land Religionsfreiheit herrsche und der Islam keineswegs verboten sei, wie dies die angolanische US-Botschaft in einem Statement betont:

The Republic of Angola...it's a country that does not interfere in religion. We have a lot of religions there. It is freedom of religion. We have Catholic, Protestants, Baptists, Muslims and evangelical people.

Die Verbots-Geschichte sei eine "reine Fabrikation", wird Mufti Ismail Menk aus Simbabwe, der sich bei islamischen Rechtsgelehrten in Angola erkundigt habe, zitiert.

Weitere Nuancen liefert ein aktueller Bericht des Guardian und dieser will nicht so ganz in die gerade erwähnten "Alles ok"-Botschaften fügen.

Keine Moscheen

Laut der islamischen Gemeinschaft von Angola seien immerhin acht Moscheen in den letzten zwei Jahren zerstört worden und von den 78, die noch stehen, wurden alle geschlossen - offiziell aus technischen Gründen. Die Moscheen, die noch geöffnet sind, befänden sich in der Hauptstadt Luanda seien nur wegen der internationalen Aufregung nicht geschlossen worden, obwohl dies eigentlich schon anders entschieden war.

So wie David Já, Vorsteher der islamischen Gesellschaft, die Situation der Muslime in Angola dem Guardian gegenüber darstellt, müssen die Muslime in dem afrikanischen Land damit rechnen, dass ihre Moscheen abgerissen werden, bzw. dass sie dazu angehalten werden, sie selbst abzubauen. Da man laut Gesetz über 100.000 Angehörige des Glaubens brauche, um offiziell beten zu dürfen, laufe das Gesetz auf ein Verbot hinaus.

Man habe Muslimen auch mehrmals zu verstehen gegeben, dass Moscheen als eine Invasion angolischer Kultur und bedrohung christlicher Werte angesehen würden, so David Já. Auch würde es Mädchen in katholischen Schulen (!) von Nonnen (!) verboten, einen Schleier zu tragen. Diese Praxis an katholischen Bildungseinrichtungen soll allerdings auch an anderen Orten und in anderen Ländern vorkommen, wo von einem Islamverbot nicht die Rede sein kann. Allerdings sorgte die Verbrennung von Koranen auch schon für große Wellen anderswo, in Angola soll das mehrfach verlangt worden sein.

Ablenkung von politischen Spannungen

Er habe eine Verordnung, wonach Muslime ihre Moscheen selbst wieder zerstören müssen selbst gelesen, wird ein bekannter investigativer Journalist vom Guardian wiedergegeben. Für ihn ist die politischeAbsicht dahinter das Entscheidende, Muslime, und vor allem das Vorgehen gegen sie, würden international gute Schlagzeilen liefern und von Spannungen ablenken, die in Angola vehementer ausfallen, etwa die öffentlich geschürte Feindseligkeit gegenüber den Personen mit chinesischem oder portugiesischem Hintergrund.

Angola habe eine repressive Kultur, in der Menschenrechte unterdrückt würden, der Umgang mit Muslimen sei ein Teil davon, heißt es aus Südafrika.