BGH macht Dozenten das Leben leichter

Endlich Klartext zu § 52 a Urheberrechtsgesetz

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Einer der umstrittensten Paragraphen des deutschen Urheberrechts ist § 52a UrhG, die "Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung". Es ist auf Anhieb gar nicht so einfach zu verstehen, worum es eigentlich geht. Zunächst einmal will der Begriff der "Öffentlichen Zugänglichmachung" verstanden sein. Etwas unintuitiv ist damit nicht etwa jede x-beliebige Form des Zugriffverschaffens gemeint. In § 19a UrhG stellt der Gesetzgeber fest:

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Es geht also, etwas weniger juristisch formuliert, um das Bereitstellen von Dateien für die Öffentlichkeit (zu diesem Begriff vergleiche § 15 III UrhG, "Öffentlichkeit" sind, grob formuliert, mehrere Personen - nicht nur eine -, die keinen sehr guten Grund haben, an das Werk zu kommen). Dieses Recht kommt zunächst einmal dem Urheber zu (§ 15 II Nr. 2 UrhG), also etwa dem Verfasser eines Buches. Der wird aber in den meisten Fällen jemand anderem, sprich einem Verlag, die Nutzungsrechte einräumen.

Damit kommen wir zu § 52a UrhG, der da in seinen Absätzen 1 und 4 bestimmt:

(1) Zulässig ist,
1. veröffentlichte kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften zur Veranschaulichung im Unterricht an Schulen, Hochschulen, nichtgewerblichen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung sowie an Einrichtungen der Berufsbildung ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern […]
öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.
[…]
(4) Für die öffentliche Zugänglichmachung nach Absatz 1 ist eine angemessene Vergütung zu zahlen. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.

Es geht dabei, wenn man dies etwas konkreter formulieren will, um das Zusammenstellen eines digitalen Semesterapparats auf einer universitären Plattform, auf der dann Kursteilnehmer die Literatur der Veranstaltung herunterladen können.

So etwas wäre ja zunächst einmal nicht ohne weiteres möglich, denn dieses Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung liegt ja beim Urheber, der die Nutzung normalerweise einem Dritten eingeräumt hat. § 52 a UrhG ist eine so genannte Schranke des Urheberrechts: Er lässt eine Handlung zu, für man sich nicht erst im Vorfeld mit demjenigen auseinandersetzen muss, dem das Nutzungsrecht zukommt. Anders formuliert: der kleine Lehrbeauftragte muss nicht erst einen Lizenzvertrag mit dem X-Verlag abschließen, ehe er einen Aufsatz scannt und für seine Studierenden online stellt - etwas, das faktisch gar nicht möglich wäre und den Wissenschaftsbetrieb lahmlegen (oder aber auf papierene Semesterapparate beschränken) würde.

Fernuni Hagen. Foto: Ulrich Schneider / Marc van Woerkom. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Geld fließt letztlich trotzdem - und zwar, wie bei der Privatkopie, über den Umweg der Verwertungsgesellschaft, was (wie im Falle der Privatkopie) für den Inhaber der Nutzungsrechte nicht unbedingt die lukrativste Lösung sein wird.

Dementsprechend unbeliebt ist der § 52a UrhG im Verlegermilieu; so erklären sich der Widerstand gegen diesen Paragraphen, seine zahlreichen, zum Teil recht unklaren Voraussetzungen und die Tatsache, dass § 52a UrhG immer wieder verlängert wird: Ursprünglich sollte er Ende 2006 auslaufen und wurde bis Ende 2008, dann erneut bis Ende 2012 verlängert; der derzeitige Stand (§ 137 k UrhG) lautet: § 52a ist mit Ablauf des 31. Dezember 2014 nicht mehr anzuwenden. Kommt die nächste Verlängerung im Dezember 2014? Hoffentlich, aber garantieren kann dies derzeit niemand.

Ein sehr wichtiges BGH-Urteil klärt nun wesentliche Fragen zur Anwendung des § 52 a UrhG. Dem ging ein Streit zwischen der Fernuniversität Hagen und dem Alfred Kröner Verlag voraus. Bis zum Sommersemester 2010 wurde Psychologiestudenten der FU Hagen ein PDF mit Auszügen aus dem Buch Meilensteine der Psychologie (das bei Kröner erschienen ist) zur Verfügung gestellt. Die PDF-Länge variierte in den Semestern, erreichte aber bis zu 91 Seiten des Buches mit 533 Seiten, wovon 5 unbedruckt sind. Das Ganze wurde ruchbar, weil Studierende irgendwo im Internet posteten, dass man das Buch nicht zu kaufen brauche, weil man sowieso alle nötigen Seiten als PDF zur Verfügung gestellt bekomme.

Im Streit der Fernuniversität und des Kröner-Verlages standen viele Fragen zur Debatte:

  • Sind 91 Seiten von 533 Seiten noch ein "kleiner Teil"?
  • Ist das Online-Stelle von PDFs ein öffentliches Zugänglichmachen? Denn immerhin lassen die sich speichern und ausdrucken?
  • Der Kurs hatte mehr als 4.000 Teilnehmer, teilweise im Ausland - ist das ein bestimmt abgegrenzter Kreis?
  • Nicht alle Psychologen (beziehungsweise Philosophen), die im Text vorkamen, wurden im eigentlichen Kurs behandelt - zählt das noch als "Veranschaulichen"?
  • Zu Beginn des Streits hatte die Universität noch versucht, den Text lizenzieren zu lassen * Kröner verlangte 10 Cent pro Seite und Student (also 9,10 EUR pro Student - das Buch kostet 25 EUR - auf dieses Angebot ging die Fernuni nicht ein): Ist das öffentliche Zugänglichmachen weiterhin geboten?

Die Urteile der Vorinstanzen (LG Stuttgart und OLG Stuttgart) zeichnen sind durch teilweise sehr merkwürdige Ideen aus (etwa, dass ein "kleiner Teil" nur drei ausdruckbare Seiten [sic] umfassen könne; dass, sobald im Ausland wohnhafte Menschen ins Spiel kommen, der bestimmt abgegrenzte Kreis nicht mehr gegeben sei; dass die Universität keinesfalls PDFs zur Verfügung stellen dürfe, sondern sicherstellen müsse, dass die Texte weder abgespeichert noch ausgedruckt werden können).

Insofern kann darf man sich über die Ergebnisse freuen, zu denen der BGH jetzt gelangte (hier in einer Presseerklärung):

  • Zunächst wird der "kleine Teil" mit klaren Zahlen definiert: Maximal 12% der Seiten des Werks und maximal insgesamt 100 Seiten (weil man sonst bei einem vielbändigen Werk argumentieren würde, man stelle weniger als 12% bereit, wenn man doch einen gesamten Band ins Intranet stellt).
  • Normale PDFs sind okay. Nirgendwo steht etwas anderes im Gesetz, der Rest ist Phantasie von Verlagsjuristen und Stuttgarter Richtern.
  • Schon das OLG (im Gegensatz zum LG) sah kein Problem mit dem "abgrenzten Kreis", da es sich nur um eingeschriebene Studierende handelte, die sich durch Kontrollmechanismen ausweisen mussten - dass es mehr als 4.000 waren, teilweise (welch Skandal!) in der Schweiz wohnhaft, spielt keine Rolle.
  • Der BGH legt auch "Veranschaulichen" nicht so extrem eng wie das OLG aus, sondern sieht auch im Ergänzen des Unterrichts ein "Veranschaulichen".
  • Allerdings hätte das OLG die Gebotenheit prüfen müssen: Wäre der Lizenzvorschlag des Krönerverlags angemessen gewesen, würde die Gebotenheit des Online-Stellens entfallen.

Dozenten an Universitäten werden sich insbesondere freuen, dass mit 12% und 100 Seiten endlich Grenzwerte vorliegen, an die man sich in der täglichen Arbeit halten kann. Auch die Tatsache, dass man PDFs online stellen kann (anstatt auf Flash-Lösungen ausweichen zu müssen, die etwas technisch versiertere Studierende genauso gut speichern können), erleichtert vieles.

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