Drohnen-Monopoly bei der Bundeswehr

Angeblich prüft das Militär den Verzicht auf jene hochfliegende Spionagetechnik, die ursprünglich in den "Euro Hawk" eingebaut werden sollte. Vielleicht versteckt sich dahinter aber ein Schachzug von EADS und der Beschaffungsbehörde

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Das Verteidigungsministerium ist sauer auf den "Spiegel". Das Magazin hatte vergangene Woche gemeldet, die Bundeswehr würde den Verzicht auf jene Spionagetechnik untersuchen, die eigens für die hochfliegende Drohne "Euro Hawk" entwickelt worden war. Dieses "Integrierte SIGINT System" ("ISIS") wurde vom Rüstungskonzern EADS gebaut. Es besteht aus den Teilen "ELINT" (Aufklärung elektrischer Strahlung) und "COMINT" (Abhören jeder funkgebundenen Kommunikation).

Bekanntlich scheiterte das Gesamtprojekt, beschäftigte wochenlang einen Bundestags-Untersuchungsausschuss und führte beinahe zum Rücktritt des verantwortlichen Ministers (Wir.Drohnen.Deutschland). Denn als sich im Sommer 2012 abzeichnete, dass die luftfahrtrechtliche Zulassung der Drohne eine weitere halbe Milliarde verschlingt, wurde der Verzicht auf die Bestellung weiterer "Euro Hawk" erst ein Jahr später angeordnet. Ein Prototyp war längst geliefert worden. Dieser steht nun ungenutzt im bayerischen Manching herum, zu seiner weiteren Verwendung gibt es keine Ideen.

Zu den Kosten hieß es zunächst, die Gesamtausgaben von 562 Mio. Euro für den "Euro Hawk" verteilten sich auf rund 261 Mio. Euro für das Luftfahrzeug, rund 249 Mio. Euro für die Entwicklung des "ISIS" sowie rund 52 Mio. Euro für dessen Erprobung. Mittlerweile soll das ISIS mitsamt seinen Tests 360 Millionen Euro gekostet haben.

Die Hälfte der Gesamtkosten des "Euro Hawk" ist mit dem Ausstieg also verloren. Schon lange vor dem offiziellen Verzicht auf das unbemannte Flugzeug war geprüft worden, ob das ISIS in eine andere Trägerplattform verbaut werden kann. Vorgeschlagen wurden die israelische Drohne "Heron" und ein Airbus des Typs "A319". Unter immer noch ungeklärten Umständen schaffte es EADS, mit seiner noch nicht entwickelten Drohne "FEMALE" in der Studie ebenfalls auf einen der ersten drei Plätze zu landen (De Maizière stärkt die internationale Zusammenarbeit zivil-militärischer Luftfahrtbehörden).

Neue Richtlinien für große Beschaffungsvorhaben

Träfe die neue Meldung des "Spiegel" zu, wäre mit dem ISIS also auch die andere Hälfte des Gesamtprojekts "Euro Hawk" Geschichte. Dem widerspricht die Pressestelle des Verteidigungsministeriums nun vehement. Der Spiegel versuche demnach erneut, mit einer Panoramameldung das Thema "Euro Hawk" zu "skandalisieren". Informationen seien stark verkürzt darstellt worden. Dies habe das Ministerium noch am Freitag vor Erscheinen der Druckausgabe mitgeteilt.

Demnach handele es sich nicht um einen geplanten Verzicht, sondern um neue Verfahrensbestimmungen zur Bedarfsdeckung. Zu jeder größeren Beschaffung müssen zukünftig Alternativen ausgelotet werden. Dies sei im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr festgelegt worden. Verantwortlich ist mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) allerdings jene Behörde, die am Scheitern des "Euro Hawk" maßgeblich beteiligt war.

Nun wird von der Behörde "mindestens ein Lösungsvorschlag mit einem SIGINT System (nicht ISIS)" vorgelegt. Der Generalinspekteur der Bundeswehr habe die Prüfung laut der Bundeswehr am 4. November angewiesen. Zuvor habe de Maizière dieses Verfahren "nach Beratung durch die beiden Staatssekretäre" persönlich festgelegt. Wer die Studie erstellt, wird nicht mitgeteilt. Denkbar ist, dass wieder der Rüstungsdienstleister IABG zum Zuge kommt, der über gute Beziehungen zu EADS verfügt und den Konzern damals an seiner Studie zu anderen Trägerplattformen mitschreiben ließ.

Die Rede ist von einer "Sichtung marktverfügbarer Produkte". Wieder im Rennen ist dadurch ein Flugzeug, das es in der Alternativstudie nicht unter die ersten drei schaffte: Ein Flugzeug des Typs "Gulfstream", für das ein israelisches System samt Spionagemodulen existiert. Die Auswahlentscheidung trifft am Ende der Generalinspekteur.

Geld für Studie, deren Ergebnis nicht befolgt wird?

Die Ausführungen des Verteidigungsministeriums scheinen auf den ersten Blick nachvollziehbar, auch als Lehre aus der heftigen Kritik an der intransparenten Informationspolitik zum "Euro Hawk". Das ISIS ist jedoch als "Juwel" (Zitat des Regierungssprechers) derart zum Politikum geworden, dass ein Verzicht auf die Technik dem Belügen des Bundestags gleichkäme. Denn de Maizière hatte trotz ansehbarer Zulassungsprobleme erst Mitte Mai die "Reißleine" gezogen. Seine späte Reaktion begründete er damit, dass dadurch zwar weitere Kosten entstanden seien, ansonsten aber auch das ISIS verloren gewesen wäre.

Es wird also Geld für eine Studie ausgegeben, deren Ergebnis in jedem Fall ignoriert werden dürfte. Außer sie käme zu dem Schluss, dass als alternatives Trägerflugzeug am besten jene Drohne "FEMALE" geeignet wäre, für deren Entwicklung EADS derzeit international Klinken putzt (Bald in diesem Theater: EU-Kampfeinheiten und eine europäische Drohne).

Dann hätte der deutsch-französische Konzern sein Ziel erreicht und könnte die komplette Fertigung einer Spionagedrohne anbieten, die als besonderes Feature sogar wahlweise bewaffnet werden kann.