Verlängert Alkohol das Leben?

Telomerlängen bei verschiedenen Mutanten unter Alkoholeinfluss. In B sieht man die ursprüngliche Telomer-Länge und die Verlängerung nach 100 Generationen. Die Ausschaltung von RIF1 verhindert die Reaktion auf Alkohol, die Ausschaltung von RIF2 verstärkt sie. Rap1 verhindert die Verlängerung unter Ethanolstress. Bild: PLoS Genetics

Kaffee scheint hingegen die Telomere zu verkürzen. Forscher haben nachgewiesen, dass Umwelteinflüsse die Telomerlänge in Hefezellen beeinflussen können

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Israelische Wissenschaftler von der Universität Tel Aviv haben entdeckt, dass Alkohol und Koffein nicht nur als Stimulantien, sondern auch genetisch unterschiedlich wirken. Alkohol macht schläfrig und betrunken, während Koffein stimuliert und wach macht. Zwar nicht beim Menschen, aber bei der Backhefe (Saccharomyces cerevisiae), die große genetische Ähnlichkeiten mit Menschen hat, konnten die Wissenschaftler aber jetzt auch zeigen, dass Koffein die Telomere an den Enden der Chromosomen kürzer macht, während Alkohol diese verlängert. Und eine Verlängerung der Telomere könnte vielleicht mit einer Verlängerung der Lebenszeit von Zellen verbunden sein.

Backhefezellen (Saccharomyces cerevisiae).Bild: Masur/gemeinfrei

Telomere sollen nicht nur eine entscheidende Funktion beim korrekten Teilen und Reparieren der DNA, sondern auch an der Regulation der Alterungsprozesse und etwa an der Entstehung von Krebs beteiligt sein. Teilen sich Körperzellen, werden die aus DNA und Proteinen bestehenden Telomerkappen an den Enden der Chromosomen jedes Mal ein wenig kürzer. Ist das Telomer zu kurz, kann sich die Zelle nicht mehr teilen und altert oder stirbt. Damit stellen Telomere eine "molekulare Uhr" für das Altern dar. Nur Krebs- und embryonale Stammzellen können sich unbegrenzt oft teilen. Bei embryonalen Stammzellen ergänzt das Enzym Telomerase die Telomere, bei Körperzellen wird dafür zu wenig Telomerase produziert.

Menschliche Chromosomen (grau) mit Telomeren (weiße Punkte). Bild: Nasa

In ihrer bereits im September in PLoS Genetics veröffentlichten Studie, auf die nun die Universität Tel Aviv noch einmal hingewiesen hat, weil man sich mehr Aufmerksamkeit erhoffte, haben die Wissenschaftler unter Martin Kupiec vom Fachbereich Mikrobiologie und Biotechnik angeblich erstmals zeigen können, dass bestimmte Umweltfaktoren (Stress) die Länge der Telomere beeinflussen. Schon länger wurde angenommen, dass Stress die normale Homöostase der Telomerlänge beinträchtigen und Telomere verkürzen kann. Nach Untersuchungen machte man dafür emotionalen Stress verantwortlich, der beispielsweise den oxidativen Stress erhöhen und damit Alterungsprozesse beschleunigen oder Erkrankungen ermöglichen könnte. Aber die Untersuchungen basierten nur auf Korrelationen, während die israelischen Forscher direkt die Auswirkungen von 13 verschiedenen Umwelteinflüssen auf die Telomere von Hefezellen über 100-400 Generationen hinweg untersuchten. Ursprünglich wollten sie nur nachprüfen, ob oxidativer Stress, der ansonsten für Alterungsprozesse und Entstehung von Krankheiten verantwortlich gemacht wird, die Telomere wie angenommen verkürzt, überaschenderweise konnten sie hier aber keine Veränderung beobachten. Deswegen untersuchten sie die Auswirkungen der 12 anderen Umwelteinflüsse.

Beim Modellorganismus Hefe verlängern 6-7prozentiger Alkohol (Ethanol, Methanol oder Isopropanol), aber auch Essigsäure die Telomere, während eine leichte Koffeinkonzentration wie bei einem Espresso und hohe Temperaturen diese verkürzen. Alkohol bewirkt aber nicht nur die Verlängerung der Telomere, sondern es entstehen auch unterschiedlichen Längen. Daraus schließen die Forscher, dass Alkohol die Homöostase der Telomerlängen stört, die normalerweise kürzere Telomere, aber nicht lange Telomere verlängert. Für die Wissenschaftler zeigen ihre Erkenntnisse, dass sich die Telomerlänge gezielt manipulieren lässt, was natürlich Erwartungen weckt, den Alterungsprozess und damit das Sterben weiter hinausschieben zu können. Als Schalter scheinen die Gene Rap1 und Rif1 zu dienen. Sie reagieren auf Umwelteinflüsse und verändern die Telomerlänge. Die Forscher hatten diese herausgefunden, indem sie bei Hefezellen jeweils unterschiedliche Gene ausschalteten und dann Gentests bei den Zellen mit den längsten und kürzesten Telomeren durchführten.

Die beiden Gene sind zwar wichtige Schalter, aber die Telomerlänge wird vermutlich durch ein Netzwerk von etwa 400 Genen gesteuert, von denen die meisten auch im menschlichen Genom vorhanden seien. Die Forscher sprechen von der Homöostase, weil die Telomerlänge normalerweise genau geregelt und durch das komplexe Gennetzwerk kontrolliert wird, vermutlich um Außeneinflüsse möglichst fern zu halten. Da allerdings der Zusammenhang zwischen der Länge der Telomere und Alterungsprozessen oder Krebsbildung nach den Forschern bislang nur als Korrelation nachgewiesen wurde, ist noch nicht klar, ob hier tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht. Dieser erst würde eine gezielte Manipulation der Telomerlänge durch Medikamente oder Ernährung ermöglichen. Solange ein solche kausaler Zusammenhang nicht bewiesen sei, soll man durchaus, so Kupiec, ruhig bleiben und erst einmal einen Kaffee und ein kleines Bier trinken.