US-Präsident Obama: Es werden von der NSA nur Verbindungsdaten, keine Namen und Inhalte gesammelt

Zwei Wissenschaftler haben gezeigt, dass es ziemlich einfach ist, mit den von der NSA massenhaft gesammelten Verbindungsdaten Kunden zu identifizieren und zu lokalisieren

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Die Massenüberwachungsmaßnahmen von NSA und anderen Geheimdiensten werden mitunter damit gerechtfertigt, dass eigentlich ja gar nicht abgehört werde. Gesammelt würden nur die Verbindungsdaten (Metadaten), also keine persönlichen Informationen, weswegen die Aufregung der Datenschützer übertrieben sei.

Auch Präsident Barack Obama hat versucht, die durch Edward Snowden in die Öffentlichkeit gebrachten Überwachungsprogramme der NSA herunterzuspielen. Vermutlich präpariert von seinen Sicherheitsberatern und den Geheimdiensten sagte er im Juni 2013 dem Sender PBS: "Man hat meine Telefonnummer, die mit deiner Telefonnummer verbunden ist. Es gibt keine Namen, es gibt keine Inhalte in dieser Datenbank." Dies sagte er, nachdem er versichert hatte, dass die NSA ohne richterliche Anordnung keine Telefongespräche eines US-Bürgers belauschen und keine Emails verfolgen könne.

Im Oktober 2013 schrieb die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die auch die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses ist, USA Today noch einmal deutlicher: "Die Telefonprogramm ist keine Überwachung. Es sammelt keine Inhalte irgendeiner Kommunikation, noch enthalten die Aufzeichnungen Nahmen oder Orte. Die NSA sammelt nur die Art der Information, die man auch auf einer Telefonrechnung findet: Telefonnummern von gemachten und erhaltenen Anrufen, die Zeit und die Dauer der Anrufe. Das Oberste Gericht hat erklärt, dass diese 'Metadaten' nicht vom vierten Zusatzartikel zur Verfassung geschützt sind." Der Computerwissenschaftler Edward W. Felten hat in einem Gutachten für die Bürgerrechtsorganisation ACLU hingegen dargelegt, dass es relativ einfach sei, durch die Verbindungsdaten persönliche Informationen erschließen zu können. Für ein Projekt des Center for Internet and Society haben zwei Mitarbeiter einmal geprüft, ob das Sammeln der Verbindungsdaten tatsächlich so harmlos ist, wie die Verteidiger der Überwachungsprogramme so gerne sagen, ob also damit wirklich nur Zahlen und nicht Namen gesammelt werden. Dafür haben sie Android-Nutzer aus den USA gebeten, in einem Crowdsourcing-Verfahren über die MetaPhone-App ihre Verbindungsdaten beizusteuern, um so zu sehen, wie leicht sich aus diesen Daten Namen oder andere persönliche Informationen finden lassen.

Während ein New Yorker Richter gerade befunden hat, dass das massenhafte Sammeln von Verbindungsdaten rechtlich ganz in Ordnung gehe, um Terroranschläge wie die von 9/11 zu verhindern, war der Washingtoner Richter Richard Leon, worauf die beiden Autoren verweisen, kurz davor zu dem Schluss in einem vorläufigen Urteil gekommen, dass dadurch der vierte Zusatzartikel zur Verfassung wahrscheinlich verletzt werde. Nach ihm ist eine richterliche Kontrolle für einen "national security letter" (NSL) gar nicht notwendig, damit das FBI zu den von der NSA gesammelten Verbindungsdaten von der Telefongesellschaft Informationen zur Identifizierung der Kunden erhält: "Nichts hält die Regierung auch auf, den NSL-Schritt ganz zu überspringen und öffentliche Datenbanken oder andere der vorhandenen riesigen Ressourcen zu nutzen, um Telefonnummern mit Kunden zu verbinden."

Senatorin Feinstein sah sich gleich bemüßigt, auf Leon zu antworten, ging aber nicht auf die von diesem vermuteten Möglichkeiten ein, an Namen zu gelangen, sondern verwies auf andere Urteile, die die Verfassungsgemäßheit bestätigt hatten. Sie hob besonders das Urteil des kalifornischen Richters Jeffrey Miller vom November 2013 hervor, nach dem es "keine legitime Erwartung für die Privatsphäre" bei Verbindungsdaten gebe, weil es hier eben weder Namen noch Inhalte oder Lokalisierungsdaten gebe. Das Sammeln von Verbindungsdaten könne man auch nicht Überwachung nennen, befand er weiter.

Die beiden Autoren haben aus den MetaPhone-Daten zufällig 5000 Telefonnummern herausgenommen und damit Yelp, Facebook und Google Places durchsucht. Mit keiner großen Mühe und gerade einmal drei Quellen hätten sie die Namen für 1.356 der Telefonnummern (72,1%) herausgefunden. Wenn man nicht nur eine automatische Suche startet, sondern auch Mitarbeiter einsetzen würde, wie das Geheimdienste können, würde man noch weiterkommen. Um das zu testen, nahmen sie 100 Telefonnummern und gaben diese bei Google ein. Innerhalb einer Stunde konnten 60 Nummern einer Person oder einer Firma zugeordnet werden. Nimmt man noch die zuvor verwendeten drei Quellen hinzu, kamen sie bereits auf 76. Und wenn man noch Geld aufwenden kann, dann käme man noch schneller weiter. Die beiden Autoren haben mangels Budget nur einen billigen Anbieter ausprobiert, nämlich Intelius. Damit konnten sie die Zahl der Treffer auf 91 erhöhen. "Wenn ein paar akademische Forscher so schnell so weit kommen", so die Schlussfolgerung, "fällt es schwer zu glauben, dass die NSA irgendwelche Probleme hätte, die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Telefonnummern zu identifizieren."

Ob die NSA das macht oder gemacht hat, ist nicht bekannt, aber es wäre durchaus möglich, aus den gesammelten Verbindungsdaten die Telefonnummern so mit Menschen, Organisationen oder Firmen zu verknüpfen. Dann wäre das massenhafte Sammeln von Verbindungsdaten nicht mehr ganz so trivial, wie Obama, Feinstein und andere behaupten. Wenn es nur um Nummern ginge, wäre das Sammeln auch wenig ergiebig, und dies erhärtet auch der Fall, den der kalifornische Richter zu entscheiden hatte. Bei der Verurteilung von vier somalischen Männern, die für die als Terrorgruppe geltende al-Sahbab Gelder gesammelt haben sollten, spielten die von der NSA gesammelten Verbindungsdaten eine wichtige Rolle. Und das konnten sie nur, wenn die Verbindungsdaten mit ihnen verbunden werden konnten. Genau deswegen werden sie auch gesammelt, was die Äußerungen von Obama und Co., dass es nur um Nummern und nicht um Namen gebe, zur rhetorischen Nebelbildung, mithin zur Volksverdummung macht.