Das Tier als Objekt der Moral der Maschine

Künstlerische Darstellung eines Kryobots und eines Hydrobots. Bild: NASA

Zum Verhältnis von Tier- und Maschinenethik

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Die Beziehung zwischen Tier und Maschine kann in verschiedenen Bereichsethiken untersucht werden, etwa in Tier-, Technik- und Informationsethik. Die Maschinenethik - hier verstanden als Pendant zur Menschenethik - ist eine junge Disziplin und konzentriert sich bisher auf das Verhältnis zwischen Maschine und Mensch. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der (teil-)autonomen Systeme immer mehr zunimmt und von ihren selbstständig getroffenen Entscheidungen immer mehr Tiere betroffen sind, scheinen eine Beschäftigung mit den entstehenden Chancen und Risiken und eine Zusammenarbeit zwischen Tier- und Maschinenethik unumgänglich zu sein.

Künstlerische Darstellung eines Kryobots und eines Hydrobots. Bild: NASA

Im vorliegenden Beitrag werden zuerst die Anliegen der Tier- und der Maschinenethik erklärt, zudem die Begriffe "Informationsethik" und "Technikethik". Dann werden Zweier- und Dreierbeziehungen zwischen Mensch, Tier und Maschine skizziert. Für Tier- und Maschinenethik relevante Relationen werden am Beispiel ausgewählter Typen diskutiert. Resümee und Ausblick schließen die Betrachtungen ab.

Die Bereichsethiken und die Maschinenethik

Die Tierethik beschäftigt sich mit den Pflichten von Menschen gegenüber ihren Mitgeschöpfen und den Rechten von Tieren. Ein wichtiges moralisches Argument ist, wie etwa Jeremy Bentham betont, die Leidensfähigkeit. Mit dieser lassen sich eine artgerechte Tierhaltung und ein Verbot der Haltung und Nutzung begründen.

Die Informationsethik (im Englischen "information ethics" oder "information and computer ethics") hat die Moral (in) der Informationsgesellschaft zum Gegenstand. Sie untersucht, wie wir uns, Informations- und Kommunikationstechnologien und digitale Medien anbietend und nutzend, in moralischer Hinsicht verhalten bzw. verhalten sollen. Sie befasst sich vor dem Hintergrund, dass Tiere mit Funkchips versehen, mit Überwachungsgeräten verfolgt und mit Hilfe von Computern betreut werden, auch mit den Rechten und Pflichten von Kreaturen in der Informationsgesellschaft sowie mit den Möglichkeiten, Informationstechnologien und -systeme art- und tiergerecht zu gestalten. Die Technikethik bezieht sich auf moralische Fragen des Technik- und Technologieeinsatzes. Es kann um die Technik von Fahrzeugen oder Waffen ebenso gehen wie um die Nanotechnologie. Melkmaschinen, Tierfallen sowie Tötungs- und Verwertungsmaschinen können ebenfalls Untersuchungsobjekte sein. Die Übergänge zur Informationsethik sind heute fließend.

Die genannten Bereichsethiken gehören zur Menschenethik und bilden die angewandte Ethik, die nach Problemen und Lösungen in der Praxis fragt. Die Maschinenethik ("machine ethics") hat die Moral von Maschinen zum Gegenstand, vor allem von (teil-)autonomen Systemen wie Agenten, Robotern, Drohnen und selbstständig fahrenden Autos. Sie kann innerhalb von Informations- und Technikethik eingeordnet oder als Pendant zur Menschenethik angesehen werden. Die Roboterethik ("robot ethics", seltener "robo ethics") ist eine Keimzelle und ein Spezialgebiet der Maschinenethik. Die Maschinen als Subjekte der Moral sind, wie gesagt, autonom oder teilautonom. Das impliziert, dass sie ständig oder zeitweilig nicht von Menschen gelenkt und beeinflusst werden und selbstständig Entscheidungen treffen und Handlungen durchführen.

In manchen Bereichen schreitet die Entwicklung schnell voran. So ist bei militärischen Drohnen eine Vollautonomie das erklärte Ziel vieler Ingenieure, eine Teilautonomie bereits Standard bei etlichen Modellen. Gegenwärtig feuern die Drohnen in der Regel nach einem entsprechenden menschlichen Befehl auf die Objekte. In Zukunft könnten sie selbst den "finalen Akt" vollziehen, was viele Menschen entsetzt und in Militär-, Technik- und Informationsethik intensiv behandelt werden muss.

Moralische Zweier- und Dreierbeziehungen

Offensichtlich leben nicht nur Mensch und Tier zusammen oder treffen in unterschiedlichsten Situationen aufeinander, sondern auch Mensch und Maschine. Man spricht von der Mensch-Maschine-Interaktion ("human-machine interaction") oder spezifischer von der Mensch-Computer-Interaktion ("human-computer interaction"), von der Mensch-Maschine-Kommunikation und von der Mensch-Maschine-Schnittstelle.

Technische Systeme treten als Objekte auf, die wir bedienen und benutzen, und als Subjekte, die uns bedienen und benutzen, die uns Vorschläge in Bezug auf Bücher und Freunde unterbreiten und für uns weitreichende Entscheidungen treffen, und die teilautonom oder autonom sind. Es ist durchaus Thema der schöngeistigen und wissenschaftlichen Literatur, dass die Welt der Technik, dass die Informationsgesellschaft auch das Tier tangiert. Aber die Maschine als Subjekt (und womöglich Objekt) der Moral wird in diesem Zusammenhang vielfach übersehen.

Menschen können Subjekte der Moral sein, andere Lebewesen nicht. Die Tierethik beschäftigt sich, wie verkürzt gesagt wurde, mit den Pflichten von Menschen gegenüber ihren "Mitgeschöpfen" und den Rechten von Tieren. Autonome Maschinen können aus Sicht der Maschinenethik ebenfalls Subjekte der Moral sein. Sie müssen - um es etwas vorsichtiger zu formulieren - Entscheidungen treffen, die in moralischer Hinsicht relevant sind, in Situationen, die moralisch aufgeladen scheinen.

Ob sie (ähnlich wie Tiere) auch Objekte der Moral sein können bzw. eines Tages sein werden, ist umstritten. In der Roboterethik wird diese Frage durchaus gestellt. Wenn wir Maschinen lediglich als Subjekte der Moral anerkennen, nicht als Objekte, können wir - wie es im Folgenden geschieht - bestimmte Zweier- und Dreierbeziehungen identifizieren und den Beispielen die passenden Disziplinen zuordnen.

Ein Beispiel für die Maschine-Tier-Beziehung ist gegeben, wenn eine Drohne auf ein Tier feuert, weil sie es für einen Menschen hält. Zuständig sind - von der Maschine her gedacht - Maschinenethik und Tierethik. Die Maschine-Mensch-Tier-Beziehung wird in folgendem Satz veranschaulicht: "Ein Kampfroboter feuert auf einen gesuchten Diktator und tötet dabei auch einige Hühner." Relevant sind hier Maschinenethik, Militärethik, Technikethik und Tierethik.

Ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich für eine Maschine-Tier-Mensch-Beziehung beinhaltet diese etwas konstruiert wirkende Aussage: "Ein selbstständig fahrendes Auto überrollt einen Blindenhund, so dass dessen Besitzer orientierungslos wird." Herbeiziehen kann man Maschinenethik, Tierethik und Ethik im Sinne von Menschenethik.

Es gibt viele weitere Konstellationen, in denen Maschinen von Bedeutung sind. Wenn ein Landwirt seine Kühe mit Funkchips versieht, um sie identifizieren und verfolgen zu können, ist dies ein Beispiel für die Mensch-Tier-Maschine-Beziehung. Gefragt sind Tierethik und Informationsethik (oder Technikethik), nicht aber die Maschinenethik, weil Funkchips keine autonomen Systeme in unserem Sinne sind.