Iran und der Westen: Politische Störmanöver und die Geschäftswelt in Lauerstellung

"Ein großartiger Markt. Für den westlichen Turbo-Kapitalismus ist das ein Muss"

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Zu den guten Aussichten für 2014 gehört, dass die "Mauer des Misstrauens" (Pepe Escobar) zwischen Iran und dem Westen, vornehmlich die USA, Israel, Frankreich, Großbritannien - dazu zählt aber auch die Regionalmacht Saudi-Arabien - am Bröckeln ist. Ende Januar, so der gegenwärtige Zeitplan, sollen die Genfer Vereinbarungen vollzogen werden.

Damit ist der Atom-Konflikt längst nicht beigelegt. Das Abkommen ist lediglich ein Übergangsabkommen und schlägt, wie Unstimmigkeiten über die Auslegung der vielerorts bejubelten Annäherung Ende November sehr rasch und deutlich klar machten, eine ziemlich dünnbödige Brücke zwischen entgegengesetzten Anschauungenen.

Während Iran davon ausgeht, dass das Land wie andere auch das Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie und damit verbunden auf Urananreicherung hat, und dies als unverhandelbar erklärt, gehen die Verhandlungspartner davon aus, dass sich Iran dieses Recht verdienen muss.

Auf Nachfragen von Journalisten beeilte sich US-Außenminister Kerry nach Bekanntwerden des Zwischenabkommens am 25. November , klarzustellen, dass die USA "kein Recht auf Anreicherung anerkennen". Streitpunkt ist bekanntlich das Misstrauen des Westens gegenüber mutmaßlichen Plänen Irans zur nuklearen Aufrüstung. Die iranische Führung bezeichnet dies als feindselige Unterstellung.

Gesetzesentwürfe für neue Sanktionen und das Recht auf Anreicherung bis 60 Prozent

Ob die Annäherung gelingt hängt davon, ab welches Gewicht den Skeptiker in den jeweiligen Machtlagern zukommt; sie gehören als Drohpotential zur Verhandlungsmasse. So hatte eine Gruppe aus republikanischen und demokratischen Senatoren Mitte Dezember einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der härtere Sanktionen gegen Iran forderte, sollte Iran nicht kooperieren. Das Weiße Haus protestierte, Obama kündigte an, dass er ein Veto einlegen würde, sollte eine Abstimmung den Gesetzesvorschlag annehmen. Die Chancen für einen Abstimmungserfolg lägen nicht schlecht, kommentierte die LA-Times.

Iranische Abgeordnete konterten nach Informationen der New York Times in der vergangenen Woche mit einem Gesetzentwurf, der als Reaktion auf neue Sanktionen die Steigerung der Urananreicherung auf 60 Prozent vorsieht. Auch diesem Entwurf muss erst zugestimmt werden.

Berichte, die sich auf die Nachrichtenagentur Mehr berufen, sprechen davon, dass die Unterstützung für den Gesetzesvorschlag mittlerweile auf 200 Abgeordnete angestiegen ist (bei insgesamt 290 Abgeordneten des Madschles). Doch braucht der Vorschlag auch die Zustimmung des Wächterrats.

Die Washington Post berichtete kurz vor dem Jahreswechsel, dass das konservative Lager im Parlament, das dem Annäherungskurs des Präsidenten Rohani skeptisch gegenübersteht, sich derzeit nicht nur im Parlament deutlicher bemerkbar mache, sondern auch bei Veranstaltungen in der Öffentlichkeit.

Heute wird gemeldet, dass zwei konservative Abgeordnete die iranischen Aufsichtsgruppe über die Atomverhandlungen ergänzen sollen - "juristische und technische Experten, die dafür sorgen sollen Missverständnisse mit den Amerikanern zu verhindern", so die New York Times, die in ihrem Artikel herausstellt, dass die Rolle dieses "Aufsichtsrates" über die Verhandlungen nicht ganz klar sei. Herauszulesen ist, dass verschiedene Machtblöcke dort repräsentiert sind.

"Fabelhafte Implikationen"

So richtet sich die Hoffnung auf eine gelingende Annäherung zwischen Iran und dem westliche geführten Block darauf, dass die vernünftigen Stimmen die Oberhand behalten. Nicht nur in Teheran und Chom. Auch in Washington sieht Pepe Escobar die Erwachsenen in der Minderheit, die die "fabelhaften Implikationen" eines westlichen Deals mit Iran ins Auge gefasst haben: angefangen von einer besseren Afghanistanpolitik, über bessere Möglichkeiten, den Konflikt in Syrien zu lösen, bis hin zu einem Markt, auf den Geschäftsleute im Westen schon ungeduldig warten.

Big Oil brennt darauf, in Iran zu investieren. Die wirtschaftliche Öffnung wird unweigerlich Teil des Schlussabkommens sein - und für den westlichen Turbo-Kapitalismus ist das ein "Muss"; ein Markt mit 80 Millionen meist gut ausgebildeten Menschen, großartigen Standorten und alles schwimmt in Öl und Gas. Was gibt es daran, was man nicht mag?

All in play in the New Great Game